Transkript des Videos von PD Dr. Georgia Schilling:
Sehr geehrte Damen und Herren,
mein Name ist Georgia Schilling. Ich bin Chefärztin der onkologischen Rehabilitation in Westerland auf Sylt und ich bin gleichzeitig leitende Oberärztin des Asklepios-Tumorzentrums in Hamburg.
Ich bin bei meiner letzten Recherche auf einen klinisch sehr relevanten Artikel in JAMA Oncology gestoßen, der im Oktober 2022 publiziert wurde [1]. Er stammt von Dr. Joshua Palmer, James Cancer Center Ohio State University, Columbus, Ohio, für die Alliance for Clinical Trials in Oncology/Canadian Cancer Trials Group.
Es geht um die Langzeit-Outcomes nach einer stereotaktischen Bestrahlung gegenüber einer Ganzhirn-Bestrahlung nach resezierten Hirnmetastasen. Es handelt sich um die sekundäre Analyse der N107C/CEC.3. Sie ist, wie gesagt, von sehr hoher klinischer Relevanz.
Die Kollegen haben sich Gedanken gemacht, wie sich eine Ganzhirn-Bestrahlung versus eine stereotaktische Bestrahlung auf Lebensqualität und Kognition bei Patienten nach Resektion von einzelnen Hirnmetastasen auswirkt.
Die Langzeit-Outcomes der Strahlentherapie sind wichtig, um die Risiken und auch den Nutzen für Patienten mit Hirnmetastasen zu verstehen.
Lebensqualität, Kognition und Tumorkontrolle
Hier ging es um Lebensqualität, Kognition und Intrakraniale Tumorkontrolle nach einer postoperativen Ganzhirn-Bestrahlung im Vergleich zu einer stereotaktischen Bestrahlung bei Patienten mit 1 bis maximal 4 Hirnmetastasen. Dies ist die sekundäre Analyse einer Phase-3-Studie, die multizentrisch in 48 Institutionen in den USA und Kanada durchgeführt wurde bei Patienten mit einer Oligo-Metastasierung. Es wurden die Patienten von Juli 2011 bis Dezember 2015 eingeschlossen, die 1 Jahr nach der Resektion noch am Leben waren. Dokumentiert wurden die intrakraniale Tumorkontrolle, eine Verschlechterung der Kognition, die Lebensqualität und weitere kognitive Outcomes.
Insgesamt wurden 54 Patienten eingeschlossen, das ist wenig, 27 haben Stereotaxie erhalten und 27 eine Ganzhirn-Bestrahlung. 65% waren Frauen. Das mediane Follow-Up betrug 23,8 Monate.
Eine kognitive Verschlechterung war zu allen Messzeitpunkten nach 3, 6 und 9 Monaten bei der Ganzhirn-Bestrahlung mit 75-91% stärker als in der Stereotaxie-Gruppe mit 37-60%.
Mehr Patienten zeigten einen Abfall um 2 Standardabweichungen in einem oder mehreren kognitiven Tests nach der Ganzhirn-Bestrahlung, nämlich 70 versus 22% nach 3 Monaten, 46 versus 19% nach 6 Monaten und 50 versus 20% nach 9 Monaten.
Der Abfall um diese 2 Standardabweichungen in den kognitiven Tests war gleichzeitig mit einer schlechteren Lebensqualität assoziiert, und zwar im emotionalen Wohlbefinden, in der Funktionalität, in zusätzlichen Belangen und natürlich in der generellen Lebensqualität und Wohlbefinden. Die gesamte Lebensqualität und die funktionelle Unabhängigkeit hat die Stereotaxie zu allen Messzeitpunkten favorisiert.
Aber: die totale Tumorkontrolle war mit 81,5% versus 40,7% besser in der Gruppe der Ganzhirn-bestrahlten Patienten.
Wir sehen also, dass Spätfolgen nach einer Ganzhirn-Bestrahlung klinisch bedeutsam sind für die Patienten, die 1 Jahr nach dieser Maßnahme noch am Leben sind. Sie sind signifikant und dieser signifikante Abfall in den kognitiven Tests war assoziiert mit einer generell schlechteren Lebensqualität.
Das muss man sich immer vor Augen führen, wenn wir Patienten mit einer Oligo-Metastasierung im Hirnbereich bestrahlen. Man muss sicher immer sehr genau abschätzen, vor allem auch nachdem diese Studie jetzt publiziert wurde, geht es um die Tumorkontrolle, die bei Ganzhirn-Bestrahlung deutlich besser war, oder geht es auch um die Lebensqualität der Patienten.
Das ist für uns nicht immer einfach zu beantworten. Aber wir sollten das in unseren Tumorboards auch immer vor dem Hintergrund, den wir jetzt haben, sorgfältig diskutieren.
Vielen Dank fürs Zuhören.
Medscape © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Bestrahlung bei Hirnmetastasen: Was ist die beste Methode für Lebensqualität und Überleben? Studie von „hoher Relevanz“ - Medscape - 5. Dez 2022.
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