MEINUNG

Jahresrückblick aus der Dermatologie: 10-mal echter Fortschritt mit neuen Medikamenten für Haut und Haare 

PD Dr. Martin Hartmann

Interessenkonflikte

2. Januar 2023

In der Behandlung von Hautkrankheiten hat sich viel getan, Indikationen haben sich erweitert PD Dr. Martin Hartmann stellt hier die wichtigsten Verbesserungen für die Therapie vor (Anm. d. Red.: Transkript entspricht einer Langversion des Videos).

Transkript des Videos von PD Dr. Martin Hartmann, Heidelberg

Schönen guten Tag,

hier ist Martin Hartmann aus der Hautklinik der Universität Heidelberg. Heute geht es um die Top-Themen 2022, also ein Jahresrückblick.

Die Innovationen konzentrieren sich auf Psoriasis vulgaris und atopische Dermatitis.

Dupilumab bei Prurigo nodularis

Dupilumab ist seit langem bekannt, ein CTLA-4-Rezeptor-Antagonist, der sich bei der Therapie der atopischen Dermatitis bewährt hat. Er wird auch die Zulassung für Kinder ab 6 Monaten bekommen. Für diese Gruppe ist es das 1. Präparat, wo wir ein Systemtherapeutikum anwenden können.

Neu ist, dass Dupilumab auch bei der Prurigo nodularis wirkt, wo es bislang noch kein wirksames Medikament gibt. Der IL-31-Antagonist Nemolizumab, der derzeit erprobt wird, hat noch keine Zulassung. Dupilumab wird für die Prurigo nodularis zugelassen werden, wahrscheinlich bei über 20 Knoten, sodass wir erstmals ein Systemtherapeutikum für diese Patientengruppe haben, bei der die Behandlung bislang frustran war.

Baracitinib bei Alopecia areata

Ebenfalls bekannt ist Baracitinib, ein JAK-1/2-Inhibitor, zur Therapie der atopischen Dermatitis in 2- und 4-mg-Dosierung. Neu ist, dass Baricitinib nun auch für die Therapie der Alopecia areata zugelassen ist. In den klinischen Studien zeigte sich eine Überlegenheit vor allem der 4-mg-Gruppe im SALT-20-Score. Das ist ein Scoring bei der Alopezie, das mit dem PASI vergleichbar ist.

Problem ist, dass vom G-BA die Therapien der Alopecia areata als Lifestyle-Medikamente eingestuft sind und damit keine Kostenerstattung möglich ist. Es bleibt abzuwarten, wie das Medikament mit etwa 1.000 € Kosten pro Monat in Zukunft angewendet werden kann oder ob die Kosten von der Kasse übernommen werden.

Abrocitinib bei atopischer Dermatitis

Bei der Therapie der atopischen Dermatitis gibt es auch ein neues Medikament, und zwar Abrocitinib, ein JAK1-Inhibitor, der sich in den klinischen Studien potenter zeigte als Dupilumab. Das Nebenwirkungsspektrum ist ähnlich wie beim bislang zugelassenen Upadacitinib. Unter den dermatologischen Nebenwirkungen muss man vor allem an den Zoster denken. Hier gibt es eine Impfung, die ab einem Alter von 18 Jahren zugelassen ist.

Calcipotriol plus Dexamethason in PAD-Technologie

Bei der Psoriasis wird in der Lokalbehandlung Calcipotriol und Betamethason seit 2002 kombiniert in zahlreichen Präparaten eingesetzt. Problem war hier immer, dass sich die beiden Einzelkomponenten relativ schlecht mischen lassen. Man hat versucht, das mit einer Schaumapplikationen elegant zu umgehen, aber es hinterlässt doch manchmal einen Fettfilm.

Nun gibt es eine neue Technologie, die PAD-Technologie. Hier werden die einzelnen Wirkstoffe ummantelt und können so in einer wässrigen Grundlage eingesetzt werden. Diese Zubereitung ist ebenso wirksam wie die bisher zugelassenen Kombinationspräparate. Aber die Anwenderfreundlichkeit ist häufig deutlich besser. Vorteilhaft ist auch, dass es im Kopfbereich angewendet werden kann, weil es einfacher auswaschbar ist.

Deucravaticinib bei Psoriasis vulgaris

Auch bei der Psoriasis vulgaris wird es ein neues Medikament geben. Mit Deucravaticinib wird hier erstmals ein JAK-Inhibitor eingesetzt. Die bislang eingesetzten Biologika sind spezifische Antikörper und Apremilast, ein PD-4-Inhibitor. Deucravaticinib ist ein speziell entwickelter JAK-Inhibitor, er hemmt JAK2 und hat deswegen auch ein anderes Wirkungs- und Nebenwirkungsspektrum.

Deucravaticinib wurde im Vergleich zu Apremilast geprüft, also dem bislang potentesten oralen Medikament. Nach einem halben Jahr erwies sich Deucravacitinib als etwa doppelt so wirksam ist wie Apremilast. Die Nebenwirkungen sind ähnlich wie jene, die bisher bei den JAK-Inhibitoren bekannt sind. Wir haben ein Signal beim Herpes Zoster. Man muss ein bisschen aufpassen mit den Fetten, vor allem den Triglyceriden, aber ansonsten ist das Präparat gut verträglich.

Roflumilast lokal bei Psoriasis

Roflumilast ist ein PDE-4-Inhibitor, der als lokale Zubereitung in den USA zur Behandlung der Psoriasis vulgaris zugelassen ist. Er wird auch bei uns wahrscheinlich kommen und zeigt sich sehr effektiv als neues Lokaltherapeutikum. Da hat sich seit 2002, also seit Calcipotriol und Betamethason, wenig getan.

Tapinarof lokal bei Plaque-Psoriasis

Neu ist Tapinarof, ein Agonist am Arylhydrocarbon-Rezeptor, also ein ganz neues Wirkungsprinzip. Bislang ist bekannt, dass vor allem die Teerpräparate über diesen Rezeptor wirken. Das Lokaltherapeutikum hat in den USA inzwischen auch die Zulassung für die Behandlung der Plaque-Psoriasis bekommen haben. Zur Kombinationstherapie mit den systemischen Medikamenten liegen bislang noch keine Erfahrungen vor.

Delgocitinib bei atopischer Dermatitis und Handekzem

Delgocitinib ist ein pan-JAK-Inhibitor, der zur Therapie der atopischen Dermatitis in Japan schon seit Längerem eingesetzt wird. Er wird jetzt auch mit zunehmendem Erfolg bei den Handekzemen erprobt und zeigt dort eine sehr gute Wirksamkeit. Auch in dieser Indikation haben wir seit Jahrzehnten kein neues Präparat bei der Lokalbehandlung.

Ruxolitinib bei Vitiligo

Etwas Furore gemacht hat dieses Jahr, dass – neben der Alopecia areata, die bislang auch nicht gut zu therapieren waren – wir für die Vitiligo jetzt erstmals ein spezifisches Therapeutikum mit lokal appliziertem Ruxolitinib, einem JAK-Inhibitor haben. Bei den Vergleichsstudien ergab sich im VASI, also dem Scoring-System, das den Erfolg der Repigmentierung quantifiziert, über 6 Monate ein gutes Ansprechen auf Ruxolitinib.

Problem auch bei diesem Präparat sind die Kosten. Es ist noch nicht klar, wie die Preisentwicklung sein wird. In den USA kostet eine Tube mit 60 g 2.000 US-Dollar. Das ist sicherlich nichts, was bei uns so auf den Markt kommt. Aber, wie gesagt, ein sehr interessantes Präparat, zugelassen zur atopischen Dermatitis in den USA und jetzt auch zur Vitiligo. Schätzungen gehen dahin, dass im 1. bis 2. Quartal 2023 die Ruxolitinib-Creme auch bei uns zugelassen wird. Dann wird spannend, wie der Preis sein wird.

Können diese Präparate nach dem Absetzen weiterhin wirken? Man weiß von Baricitinib, dass es nach Absetzen relativ schnell wieder zum Haarausfall kommen kann. Von Ruxolitinib bei der Vitiligo weiß man, dass die Wirkung längere Zeit anhalten kann.

Affenpocken – M-Pox

Die Affen-Pocken haben diese Jahr Furore gemacht. Zunächst war nicht klar, ob ihr Stellenwert Richtung Corona geht. Inzwischen ist jedoch alles in sich zusammengefallen. Keiner weiß so richtig, warum die Affenpocken-Zahlen so zurückgegangen sind. Das gilt auch für die Risikogruppe der MSM.

Es steht ein Pockenimpfstoff zur Verfügung, Imvanex, der über die spezifischen Behandlungseinrichtungen ausgegeben wird, weil nicht genügend Impfstoff da war. Dort konnten die Risiko Gruppen, also die MSM, dann immunisiert werden. Sie erhielten erst eine Impfung, weil nicht genügend Impfstoff da war. Dann zeigte sich, dass dies nicht ausreichend wirkte, außer die Patienten waren früher schon gegen Pocken geimpft. Es wird angestrebt, alle Patienten zweimal zu impfen.

Warum die Zahlen jetzt gegen Null gehen, weiß – wie gesagt – keiner. Die Affenpocken kamen und verschwinden. Die WHO hat den Namen geändert, sie heißen nicht mehr diskriminierend Affenpocken, sondern sie heißen jetzt M-Pox. Ich bin gespannt, inwieweit sich dieser Name durchsetzt.

Das war Neues aus diesem Jahr. Danke fürs geduldige Zuhören und Auf Wiedersehen.
 

Kommentar

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