Ein 27-jähriger Mann stellt sich in der Royal Oak Clinic, Vancouver, vor, weil er nach dem Ejakulieren immer wieder Symptome wie Husten, Schnupfen und einen Umschlag auf den Unterarmen entwickelt. Außerdem bemerkt er geschwollene Lymphknoten am Hals [1].
Der Patient glaubte, dass seine Symptome rund 9 Jahr zuvor nach einer akuter Epididymitis begonnen hätten. Die Symptome treten unabhängig davon auf, ob die Ejakulation durch Masturbation oder durch Geschlechtsverkehr erfolgt. Wegen der Symptome vermeidet der junge Mann jegliche sexuelle Aktivität oder romantische Beziehungen.
Vor seiner Vorstellung hatte er bereits mehrere Ärzte aufgesucht, darunter einen Allergologen, der die Diagnose Heuschnupfen gestellt hatte. Mehrere Ultraschalluntersuchungen des Skrotums waren allerdings unauffällig, auch eine Spermaanalyse und der Testosteronspiegel waren normal.
Diagnose, Therapie und Verlauf
Die Diagnose der US-Ärzte lautete Post-Orgasmic-Illness-Syndrom (POIS); zur Therapie empfahlen sie zunächst Diphenhydramin.
Da dieses Antihistaminikum nicht half, verschrieben die Urologen Fexofenadin in einer Dosierung von 180 mg täglich; diese Therapie war den Angaben des Patienten so erfolgreich, dass er sich traute, wieder sexuell aktiv zu werden.
Diskussion
POIS werde zunehmend als eine Ursache für sexuelle Funktionsstörungen bei Männern erkannt; dennoch sei diese Störung den meisten Ärzten nicht geläufig, berichten die US-Autoren. Die Folge könne eine Vielzahl von Arztbesuchen und Untersuchungen sein.
Männer, die davon betroffen sind, zeigen erkältungsähnliche Symptome, die etwa 30 bis 60 Minuten nach der Ejakulation auftreten. Manche Patienten fühlen sich fiebrig, müde oder abgeschlagen. Andere haben das Gefühl, dass ihre Nasenschleimhäute anschwellen, die Atmung erschwert wird oder die Augen jucken. Die Symptome halten normalerweise 2 bis 7 Tage an.
Die genaue Ätiologie von POIS ist unklar. Allgemein angenommen wird, dass die Symptome auf allergische Reaktionen vom Typ I und IV auf autologes Sperma zurückzuführen sind. Obwohl Spermien aufgrund der Blut-Hoden-Schranke und der genetischen Unterschiede im Vergleich zur eigenen DNA potenziell immunogen sind, können von POIS sogar Männer betroffen sein, die sterilisiert sind. Falls eine Immunreaktion als Ursache infrage komme, sei das Antigen wahrscheinlich in der Samenflüssigkeit und nicht im Sperma selbst zu finden, schreiben die Autoren als Vermutung.
POIS ist eine selten diagnostizierte Krankheit; eine durch große randomisierte und kontrollierte Studien gesicherte Therapie ist nicht vorhanden. Was es gibt, sind einzelne Berichte über Therapieversuche mit unterschiedlichen Wirkstoffen, darunter selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, Benzodiazepine und auch Immuntherapeutika.
Darüber hinaus haben Ärzte versucht, Patienten durch Injektion verdünnter autologer Samenflüssigkeit zu desensibilisieren. Diese Behandlung sei zwar eine attraktive Option; sie sei aber kostspielig und erfordere häufige Praxis-Besuche, heißt es im Artikel. Ein Patient mit POIS und niedrigem normalen Testosteron sei erfolgreich mit humanen Choriongonadotropin behandelt worden.
Bei ihrem Patienten habe sich als die wirksamste Behandlung die tägliche Einnahme von Fexofenadin erwiesen, das bei regelmäßiger Einnahme besser vertragen werde und länger wirke als Diphenhydramin.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Fall: Erst Orgasmus, dann Husten, Schnupfen und ein Hautausschlag – wie helfen Sie dem 27-jährigen Mann? - Medscape - 3. Nov 2022.
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