Dramatische Zunahme von Hautkrebs durch Klimawandel – Dermatologen erwarten Verdopplung in 10 Jahren durch erhöhte UV-Exposition

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

3. November 2022

Jedes Jahr nehmen Hautkrebserkrankungen bei Männern und Frauen um 10% zu. Experten sehen einen Zusammenhang mit vermehrter Intensität der UV-Strahlung in Deutschland. Schon jetzt zählt Hautkrebs zu den am häufigsten auftretenden Krebsarten. In Deutschland erkranken jährlich rund 260.000 Menschen an schwarzem oder hellem Hautkrebs. 

Auf der Pressekonferenz „Spektrum Dermatologie 2022“ wurde deutlich, dass der Klimawandel aufgrund besonderer stratosphärischer Konstellationen auch zu einer Vermehrung der terrestrischen UV-Strahlung führt [1]. Sogenannte „low-ozone events“ sind häufiger. Durch die jetzt zahlreichen wolkenlosen Tage findet eine vermehrte direkte UV-Einwirkung auf die Haut statt. Bei der Messstation am Hohen Peißenberg des Deutschen Wetterdienstes werden seit einiger Zeit an wolkenlosen Tagen UV-Expositionen gemessen wie früher nur in Sizilien.

Außenbeschäftigte weisen dabei eine besonders hohe UV-Exposition auf und können als Hochrisikogruppe gelten, betonte Prof. Dr. Swen Malte John vom Universitätsklinikum Osnabrück. So haben dosimetrische Messungen unerwartet hohe UV-Expositionen in Außenberufen wie dem Baubereich und der Landwirtschaft ergeben (> 500 SED zwischen April und Oktober, 1 SED = 100 J/m²). 

Die epidemiologische Datenlage legt eine Verdopplung des Risikos für hellen Hautkrebs (Basalzellkarzinome und Plattenepithelkarzinome) bei Außenbeschäftigten im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung nahe. Das hat zur Anerkennung von UV-verursachtem Hautkrebs als Berufskrankheit geführt. Seit 2015 wird Hautkrebs in Deutschland als Berufskrankheit anerkannt. 

„Wir haben dazu jedes Jahr 10.000 Meldungen und 6.000 Fälle werden als Berufskrankheit anerkannt. Das ist leider eine jetzt schon beunruhigend häufige Erkrankung und durch den Klimawandel wird es nicht besser“, berichtete John. Beruflich erworbener Hautkrebs bei langjährig sonnenexponierten Außenbeschäftigten ist bereits zur zweithäufigsten anerkannten Berufskrankheit in Deutschland aufgestiegen (6.000 Fälle jährlich, etwa 800 davon mit erheblichen Rentenansprüchen). In Deutschland bietet die BG-Klinik Bad Reichenhall Reha-Aufenthalte bei anerkanntem beruflichem Hautkrebs an. 

Die UV-Exposition in der Normalbevölkerung hat sich verdoppelt

Auch wer nicht beruflich verstärkter UV-Strahlung ausgesetzt ist, muss mit einer deutlich höheren Exposition rechnen. Nachdem man in der Vergangenheit von 130 SED durchschnittlich im Jahr ausgegangen sei, müsse man jetzt mit dem Doppelten rechnen, so John. Dabei ist der helle Hautkrebs schon jetzt die häufigste Krebserkrankung bei Männern und Frauen. „Früher kam das nicht so häufig vor, dass jemand mit einem durch UV-Strahlung erworbenen Hauttumor – gerade mit einem nicht-melanozytären Hautkrebs - zu uns kommt. Heute aber kommt das mehrmals am Tag vor, das ist absolut keine Seltenheit mehr und wird zunehmen. Das macht mir schon Sorgen”, berichtete Dr. Max Tischler, Hautarzt in Dortmund.

Laut John ist von einer jährlichen Zunahme der Hautkrebsfälle von 10% zu rechnen – damit verdoppeln sich die Erkrankungsfälle in 10 Jahren. Berücksichtigt sind dabei auch die Effekte des Klimawandels und des demografischen Wandels (mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für hellen Hautkrebs). 

Es sei bislang unklar, wie in einigen Jahren die ärztliche Versorgung der Erkrankten angesichts der schieren Zahlen gewährleistet werden könne: „Wir wissen nicht, wie wir in Zukunft diese Patienten versorgen sollen“, stellte John klar. Er betonte, dass für die Versorgung auf Tele-Dermatologie und auf die Unterstützung durch artifizielle Intelligenz/Gesundheitsapps für das Patientenselbstmanagement zurückgegriffen werden müsse.

 
Wir wissen nicht, wie wir in Zukunft diese Patienten versorgen sollen.  Prof. Dr. Swen Malte John
 

Gesunde Bräune? Die gibt es nicht

Sonnenschutz ist „absolut essentiell“, betonte Tischler. Das Beispiel Australien zeige, dass sich Kontinuität und Konsequenz bei der Prävention auszahlt.  Australien ist das einzige Land mit hellhäutiger Bevölkerung mit einer rückläufigen Inzidenzrate. In Deutschland hingegen herrsche gerade bei der Prävention noch reichlich Nachholbedarf: „Die meisten wissen, dass man sich eincremen muss, viele machen das aber nicht“, berichtete Tischler. Viele Patienten realisierten nicht, dass man sich täglich eincremen müsse, insbesondere in den Sommermonaten, in denen die UV-Strahlung auch bei bedecktem Himmel hoch sei. 

 
Die meisten wissen, dass man sich eincremen muss, viele machen das aber nicht. Dr. Max Tischler
 

Auch auf die richtige Menge Sonnenschutzmittel kommt es an: Meist werde zu wenig aufgetragen. Offenbar halte sich noch bei vielen der Spruch von der „gesunden Bräune“. „Den kenne ich noch von meiner Großmutter. Es gibt aber keine gesunde Bräune. Die Bräunung ist die erste Abwehrreaktion des Körpers gegen zu viel Sonne“, betonte Tischler, der auch Kita- und Kindergartenschulungen organisiert, bei denen die ganz Kleinen, aber auch die Erzieher und Eltern zum Thema richtiger Sonnenschutz geschult werden. 

Er stellt immer wieder fest, dass zu wenig Sonnenschutzmittel oder ein zu geringer Sonnenschutzfaktor verwendet wird. Wenn er erzählt, dass eine Familie für einen Sommerurlaub am Strand mit einem halben Liter Sonnenschutzmittel planen sollte, erntet er nicht selten ungläubige Blicke.

Therapie der aktinischen Keratose: Je früher, desto effektiver

Die aktinische Keratose ist eine lichtbedingte Hautveränderung und gilt als Frühform von Plattenepithelkarzinomen. John warb dafür, regelmäßig das Hautkrebsscreening in Anspruch zu nehmen: „Je früher man ansetzt, desto effektiver lassen sich aktinische Keratosen behandeln“, betonte John. Seit dem 1. Januar 2015 ist auch die aktinische Keratose als Berufskrankheit anerkannt.  Die Prävalenz der Erkrankung wurde für 2008 in Deutschland mit 11,5% bei den 60- bis 70-Jährigen angegeben. Im Jahr 2011 entfielen auf sie 8,3% der 100 häufigsten ambulanten dermatologischen Therapien in Deutschland. 

Die S3-Leitlinien Aktinische Keratose und Prävention von Hautkrebs widmen den beruflichen aktinischen Hautschäden breiten Raum. John erklärte, dass über die Anerkennung beruflicher Hauterkrankungen auch Therapieverfahren nebst leitliniengerechter Nachsorge zulasten der gesetzlichen Unfallversicherung erbracht werden können, die im Bereich der Versorgung durch die gesetzlichen Krankenkassen so nicht möglich wären. 

Wie viele Menschen von aktinischer Keratose betroffen sind, lässt sich derzeit nur schätzen: „mit Sicherheit Millionen Menschen in Deutschland“, meint John. Prof. Augustin (Hamburg) gehe von bis zu 400 000 Neuerkrankungen pro Jahr aus, „aber das ist Spekulation, wir wissen es nicht genau, wir wissen nur, dass es extrem viele sind“, sagte John. Dass die Häufigkeit aktinischer Keratosen zugenommen hat, bestätigte auch Prof. Dr. Jens Malte Baron von der RTWH Aachen. „Wir sehen bei uns in der dermatologischen Ambulanz jeden Tag Patienten mit aktinischer Keratose, jedes Jahr werden es mehr.“ 

 
Wir sehen bei uns in der dermatologischen Ambulanz jeden Tag Patienten mit aktinischer Keratose, jedes Jahr werden es mehr Prof. Dr. Jens Malte Baron
 

Baron erklärte, dass für die Behandlung der aktinischen Keratose ein breites Therapiespektrum zur Verfügung stehe. Von der Salbentherapie über die Laserbehandlung oder die Kombination von Laser und Photodynamischer Therapie (PDT). Mit der PDT werden gezielt die kranken Hautzellen zerstört und gleichzeitig das gesunde umliegende Gewebe geschont. 

Die PDT ist für jene Tumoren geeignet, die weniger als 3mm in die Haut eindringen. „Welche Therapie dann infrage kommt hängt davon ab, ob sich die aktinische Keratose an einer oder an mehreren Stellen manifestiert, welche Stellen und wie viele es sind. Gerade bei schwierigen Stellen z.B. am Augenlidbereich bringt der Einsatz eines Lasers Vorteile“, erklärte Baron. 

Die Experten bedauerten, dass sich ein Hautkrebsscreening im Rahmen des EU’s Beating Cancer Plan wohl nicht auf europäischer Ebene etablieren lassen werde. Immerhin aber stehe Hochrisikogruppen wie den Außenbeschäftigten jetzt eine Angebotsvorsorge zu. Zu dieser arbeitsmedizinischen Vorsorge gehört, dass der Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung erstellen und Kleidung, Sonnenschutzbrille und Sonnenschutzmittel zur Verfügung stellen muss. Vorgesehen ist auch eine arbeitsmedizinische Beratung zum Berufseinstieg mit Beratungsintervallen alle 3 Jahre. In Deutschland sind 7 Millionen Menschen anspruchsberechtigt für diese arbeitsmedizinische Vorsorge. 

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