Im Onko-Blog dieser Woche geht es unter anderem um Faktoren im Blut, die die Erkennung, Prognose und Therapie von Krebserkrankungen verbessern können. In einer Übersicht stellt eine internationale Arbeitsgruppe den Kenntnisstand zur Bestimmung von ctDNA vor. Arbeiten aus Deutschland zeigen den Nutzen des Nachweises pathogener Keimbahnveränderungen bei seltenen Krebserkrankungen und decken neue Funktionen von Angiopoetin-like-4 bei der Metastasierung auf.
Kutanes Plattenepithelkarzinom: Cemiplimab in der Neoadjuvans
Melanom: Immunsuppressiva gegen Nebenwirkungen mit kürzerem PFS und OS assoziiert
ctDNA: Liquid Biopsy in der Krebstherapie
Seltene Krebserkrankungen: Analyse vererbbarer genetischer Veränderungen hilft familiäres Krebsrisiko frühzeitig zu erkennen
Primärtumor: Angiopoietin-like 4 (ANGPLT4) hemmt Metastasierung
Zentrale Venenkatheter: Komplikationen bei 15% der Patienten
Kutanes Plattenepithelkarzinom: Cemiplimab in der Neoadjuvans
Bei einem hohen Prozentsatz der Patienten mit resezierbarem kutanem Plattenepithelkarzinom führte eine neoadjuvante Therapie mit dem PD1-Antikörper Cemiplimab zu einem kompletten pathologischen Ansprechen. Eine internationale Arbeitsgruppe hatte diese Ergebnisse einer Phase-2-Studie auf dem ESMO-Kongress 2022 vorgestellt und im New England Journal of Medicine publiziert.
Cemiplimab ist bereits für die Behandlung von nicht resezierbaren oder nicht der Strahlentherapie zugänglichen Plattenepithelkarzinomen der Haut zugelassen. In der nicht randomisierten, einarmigen Phase-2-Studie erhielten 79 Patienten mit resezierbarem kutanem Plattenepithelkarzinom im Stadium II bis IV bis zu 4 Dosen Cemiplimab 350 mg alle 3 Wochen.
Bei 40 Patienten (51%) wurde ein vollständiges pathologisches Ansprechen und bei 10 Patienten (13%) ein deutliches pathologisches Ansprechen erreicht.
Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 oder höher traten bei 14 Patienten (18%) auf.
Melanom: Immunsuppressiva gegen Nebenwirkungen mit kürzerem PFS und OS assoziiert
Bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom war die Behandlung von Immun-Nebenwirkungen durch Immuncheckpoint-Inhibitoren mit Zweitlinien-Immunsuppressiva mit einem kürzeren progressionsfreien (PFS) und Gesamt-Überleben (OS) assoziiert als bei Patienten ohne diese Therapie. Dies ergab eine populationsbasierte, multizentrische Kohortenstudie mit 771 Patienten, die eine niederländische Arbeitsgruppe in JAMA Oncology publiziert hat.
Von den 771 mit Ipilimumab und Nivolumab behandelten Patienten bekamen 350 Patienten zusätzlich Immunsuppressiva wegen schwerer immunbedingter Nebenwirkungen (irAE). 235 erhielten Steroide, 115 Steroid plus Zweitlinien-Immunsuppressiva, z.B. Mycophenolat oder Tacrolimus.
Medianes PFS und OS waren bei Patienten, die nur mit Steroiden behandelt wurden, signifikant länger als bei Patienten, die mit Steroiden plus Zweitlinien-Immunsuppressiva behandelt wurden (11,3 vs. 5,4 Monate; p =0,01 bzw. 46,1 vs. 22,5 Monate, p =0,04).
Die Autoren schlussfolgern: „Diese Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, die Auswirkungen unterschiedlicher irAE-Behandlungsstrategien nicht nur bei Patienten mit Melanomen, sondern auch bei anderen Tumorarten zu bewerten.“
ctDNA: Liquid Biopsy in der Krebstherapie
Routinemäßig wird die Analyse von zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) in der Klinik derzeit nur bei Patienten mit Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium eingesetzt. Die Vorteile der sog. Flüssigbiopsie gegenüber Gewebebiopsien könnten nach entsprechender Validierung bei einem breiten Spektrum von Krebserkrankungen genutzt werden.
Diese neuen Techniken, z.B. mit Analysen von ctDNA, könnten für Patienten, Ärzte, das Gesundheitssystem und die onkologische Forschung potenziell nützlich sein. In einem narrativen Review in JAMA Oncology liefert eine internationale Arbeitsgruppe einen Überblick zum derzeitigen Kenntnisstand der ctDNA-Analyse.
In ihrer Übersicht stellen die Autoren die bislang vorliegenden Daten zur Flüssigbiopsie bei Screening, Diagnose, Tumoransprechen bei frühen und bei metastasierten Tumoren vor. So beschreiben sie u.a. die derzeit am besten geeigneten Assays zur Flüssigbiopsie-Analyse, wie Ansätze, die auf Polymerase-Kettenreaktion oder auf dem Next-Generation-Sequencing basieren.
Nach Aussage der Autoren ist die Flüssigbiopsie derzeit vor allem bei den Patienten nützlich, die sich keiner Biopsie unterziehen können.
Die durch Flüssigbiopsie nachgewiesenen genomischen Veränderungen stellen die vorherrschende Tumorlast dar, während Gewebeproben ortsspezifische Informationen liefern. Der Nutzen von Gewebebiopsien kann manchmal durch die intra- und intertumorale Heterogenität begrenzt sein, weil relevante Veränderungen nicht in jeder Probe nachweisbar sind.
Seltene Krebserkrankungen: Analyse vererbbarer genetischer Veränderungen hilft, familiäres Krebsrisiko frühzeitig zu erkennen
Der Nachweis pathogener Keimbahnveränderungen bei Patienten mit seltenen Krebsarten hilft, therapeutische Ansatzpunkte sowie eine entsprechende familiäre Belastung rechtzeitig zu erkennen. Dies konnte ein internationales Forscherteam im in einer groß angelegten Studie im Rahmen des DKFZ/NCT/DKTK MASTER-Programms zeigen, wie in Annals of Oncology berichtet.
In die Untersuchung waren knapp 1.500 Patienten eingeschlossen, von denen rund 80% an einem seltenen Tumor erkrankt waren. Bei ihnen wurde basierend auf einer modernen Hochdurchsatzsequenzierung von Blut- und Tumorgenomen gezielt nach Keimbahnveränderungen in 101 klinisch relevanten Krebsrisikogenen gesucht.
Etwas mehr als 10% aller Teilnehmer wiesen eine autosomal-dominant vererbbare Krebsveranlagung in 35 Genen auf. Diese geht mit einem stark erhöhten Lebenszeitrisiko, an Krebs zu erkranken, einher und wird von Generation zu Generation unabhängig vom Geschlecht mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% weitergegeben. Für 75% der Patienten sowie deren Familien wurde diese genetische Tumorrisikosituation erst im Rahmen der MASTER-Studie diagnostiziert.
Neben einer verbesserten Krebsfrüherkennung konnte die Analyse auch die Therapieentscheidung unterstützen. Bei knapp der Hälfte (46%) der Patienten mit einer pathogenen Keimbahnveränderung konnte eine zielgerichtete Therapie empfohlen werden. Etwa 25% der Patienten wurde nach dieser Empfehlung behandelt, wobei sich bei 40% der Behandelten die Erkrankungskontrolle im Vergleich zur Vortherapie besserte.
Primärtumor: Angiopoietin-like 4 (ANGPLT4) hemmt Metastasierung
Metastasen treten häufig erst dann auf, wenn der ursprüngliche Krebsherd chirurgisch entfernt worden ist. Eine Arbeitsgruppe des Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg und der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg hat nun im Journal of Experimental Medicine einen Erklärungsansatz für das Phänomen publiziert. Sie konnten mit Angiopoietin-like 4 (ANGPLT4) einen Botenstoff aus Krebszellen identifizieren, der lokal das Wachstum des Primärtumors fördert. Im Blut wird ANGPLT4 in 2 Fragmente gespalten, von denen eines die Metastasierung unterdrückt.
Das Phänomen, dass ein Primärtumor das Wachstum von Metastasen unterdrücken kann, wird auch als begleitende Resistenz (concomittant tumor resistance) bezeichnet. Die Arbeitsgruppe untersuchte nun die Rolle von ANGPLT4 bei diesem Vorgang näher.
ANGPLT4 wird von Zellen des Primärtumors gebildet und fördert lokal dessen Wachstum. In der Blutbahn wird der Botenstoff in das N-terminale (nANGPLT4) und das C-terminale Fragment (cANGPLT4) gespalten. Im Serum findet sich fast ausschließlich nANGPLT4, das an einen anderen Rezeptor als das intakte Molekül oder das c-Fragment bindet.
Präklinische Studien zeigten in mehreren Tumormodellen, dass das cANGPTL4 das Tumorwachstum und die Metastasierung förderte. Im Gegensatz dazu hemmte nANGPTL4 die Metastasierung und verbesserte das Gesamtüberleben in einem postoperativen Metastasierungsmodell.
Die chirurgische Entfernung der Primärtumoren bleibt jedoch der Goldstandard bei der Behandlung der meisten Krebsarten, heißt es in einer Pressemitteilung des DKFZ. Damit versiegt jedoch gleichzeitig die Quelle für das Metastasen-unterdrückende n-Fragment. Dann können einzelne schlafende metastasierte Tumorzellen aktiv werden und zu einer Makrometastase auswachsen.
Substanzen, die das Auswachsen von Metastasen wirksam unterdrücken könnten, waren bislang in klinischen Studien nicht erfolgreich. Nach Meinung der Autoren lohnt es sich jedoch, ANGPLT4 weiter präklinisch und klinisch zu erforschen.
Zentrale Venenkatheter: Komplikationen bei 15% der Patienten
Zentrale Venenkatheter bei onkologischen Patienten im Krankenhaus führen bei 15,2% der Patienten zu Komplikationen. Des berichtet eine amerikanische Arbeitsgruppe in Cancer anhand der Daten einer retrospektiven Studie.
Sie hatte die Daten von 3.235 hospitalisierten Patienten mit soliden Tumoren in Kliniken in Michigan analysiert. In 57% der Fälle waren doppellumige Katheter eingesetzt. Häufigste Indikationen waren Antibiotikagabe (34,5%) und schwieriger Zugang (21,6%). Eine Chemotherapie war nur bei 15,7% der Patienten die primäre Indikation.
Bei 491 Patienten (15,2%) trat eine schwere Katheter-bedingte Komplikation auf: Am häufigsten waren Katheterverschluss (n=322; 10,0%), gefolgt von tiefer Venenthrombose (n=116; 3,6%), Sepsis (n= 2; 2,5%) und Lungenembolie (n== 20; 0,6%).
Nach Meinung der Autoren sind Richtlinien und Leitlinien zur Anwendung der Katheter sinnvoll.
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Photographer: © Pop Nukoonrat
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Diesen Artikel so zitieren: Flüssigbiopsie im Kommen; Keimbahnveränderungen lassen familiäres Krebsrisiko erkennen; Primärtumor kann Metastasierung mit Hilfe von ANGPLT4 hemmen - Medscape - 31. Okt 2022.
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