EMA-Sicherheitsausschuss: Aus für Mittel gegen Übergewicht; Warnung zu JAK-Hemmern; Monatsblutungen unter mRNA-Vakzinen 

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

28. Oktober 2022

Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hat sich mit Risiken durch Januskinase-Inhibitoren, durch Amfepramon-haltige Medikamente, durch mRNA-Impfstoffe und durch Ustekinumab befasst [1]. Alle Ergebnisse der letzten Sitzung finden Sie hier im Überblick.

Schwerwiegende Nebenwirkungen bei Januskinase-Inhibitoren

Der Sicherheitsausschuss der EMA hat Maßnahmen empfohlen, um das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen durch Januskinase-Hemmern (JAK) zu minimieren, die zur Behandlung verschiedener chronischer Entzündungserkrankungen eingesetzt werden. Zu diesen Nebenwirkungen gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Blutgerinnsel, Krebs und schwere Infektionen.

Gegenstand der Überprüfung waren: 

  • Cibinqo® (Abrocitinib), 

  • Jyseleca® (Filgotinib), 

  • Olumiant® (Baricitinib), 

  • Rinvoq® (Upadacitinib) und 

  • Xeljanz® (Tofacitinib). 

Diese Arzneimittel sind zur Behandlung verschiedener chronisch-entzündlicher Erkrankungen zugelassen – wie der rheumatoiden Arthritis, der Psoriasis-Arthritis, der juvenilen idiopathischen Arthritis, der Spondyloarthritis, Colitis ulcerosa, der atopischen Dermatitis und Alopecia areata. 

Jakavi® (Ruxolitinib) und Inrebic® (Fedratinib) verordnen Ärzte zur Behandlung von myeloproliferativen Erkrankungen; diese Arzneimittel wurden bei der Überprüfung nicht berücksichtigt. Die Analyse bezog sich auch nicht auf die Verwendung von Olumiant® (Baricitinib) zur kurzfristigen Behandlung von COVID-19. 

Der Ausschuss empfahl, die überprüften Arzneimittel bei besonders gefährdeten Personen nur einzusetzen, falls keine geeigneten Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen. Zu diesem besonders gefährdeten Personenkreis gehören: 

  • Patienten im Alter von 65 Jahren oder darüber, 

  • Patienten mit erhöhtem Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Probleme wie Herzinfarkt oder Schlaganfall,

  • Patienten, die rauchen oder dies in der Vergangenheit lange Zeit getan haben, und 

  • Patienten mit erhöhtem Krebsrisiko.

Außerdem sollten JAK-Hemmer, die überprüft worden sind, bei Patienten mit weiteren Risikofaktoren für Blutgerinnsel in der Lunge und in tiefen Venen (venöse Thromboembolien, VTE) mit Vorsicht anzuwenden. Darüber hinaus sollten die Dosen bei einigen Patientengruppen, bei denen ein Risiko für VTE, Krebs oder schwere Herz-Kreislauf-Probleme besteht, verringert werden.

Die Empfehlungen beruhen auf einer Überprüfung aller verfügbaren Daten, einschließlich der Endergebnisse einer klinischen Studie mit dem JAK-Inhibitor Xeljanz® (Tofacitinib) und vorläufiger Ergebnisse einer Beobachtungsstudie mit Olumiant® (Baricitinib) Außerdem holte der PRAC den Rat einer Expertengruppe mit Rheumatologen, Dermatologen, Gastroenterologen und Patientenvertretern ein.

Die Überprüfung bestätigte, dass Xeljanz® im Vergleich zu TNF-alpha-Hemmern das Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Erkrankungen, Krebs, VTE, schwere Infektionen und Tod aus jeglicher Ursache erhöht. Der PRAC kam nun zu dem Schluss, dass diese Sicherheitsergebnisse für alle zugelassenen Anwendungen von JAK-Inhibitoren bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen gelten.

Im nächsten Schritt werden alle Produktinformationen mit neuen Empfehlungen und Warnhinweisen aktualisiert. Darüber hinaus müssen Hersteller Informationsmaterialien für Ärzte und für Patienten überarbeiten. 

Entzug der Zulassungen für Amfepramon-haltige Präparate

Außerdem hat der PRAC seine Empfehlung bestätigt, die Zulassungen für Amfepramon-haltige Arzneimittel gegen starkes Übergewicht zu widerrufen. Dies ist das Ergebnis einer erneuten Prüfung früherer Empfehlungen vom Juni 2022. 

Schon damals hat sich gezeigt, dass Maßnahmen zur Einschränkung der Verwendung dieser Arzneimittel aus Sicherheitsgründen nicht ausreichend wirksam waren. Patienten haben entsprechende Präparate länger als die empfohlene Höchstdauer von 3 Monaten eingenommen, wodurch sich das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen wie pulmonale arterielle Hypertonie und Abhängigkeit erhöhen kann. 

Die Pharmaka wurden auch von Patienten mit Herzerkrankungen oder psychiatrischen Störungen in der Vorgeschichte eingesetzt, was zur Progression dieser Leiden führen kann. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf eine Anwendung während der Schwangerschaft, die Risiken für das ungeborene Kind mit sich bringen könnte.

Bei der Überprüfung wurden alle verfügbaren Informationen berücksichtigt, darunter auch Daten aus 2 Studien aus Deutschland und in Dänemark. Der Ausschuss wurde von einer Expertengruppe beraten, der Endokrinologen, Kardiologen und ein Patientenvertreter angehörten. Alles in allem kam der PRAC zu dem Schluss, dass der Nutzen von Amfepramon-Arzneimitteln ihre Risiken nicht überwiegt, und empfahl, die Präparate in der EU vom Markt zu nehmen.

Comirnaty® und Spikevax®: Hinweis auf starke Monatsblutungen 

Auch mRNA-Vakzine standen auf der Agenda. Der PRAC hat empfohlen, schwere Menstruationsblutungen als Nebenwirkung unbekannter Häufigkeit für Comirnaty® und Spikevax® in die Produktinformation aufzunehmen.

Nach Prüfung aller Daten kam der PRAC zu dem Schluss, dass zumindest eine begründete Möglichkeit besteht, dass das Auftreten starker Menstruationsblutungen in kausalem Zusammenhang mit diesen Impfstoffen steht. Er empfahl deshalb, die Produktinformationen zu aktualisieren. 

Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass Menstruationsstörungen Auswirkungen auf die Fortpflanzung und Fruchtbarkeit hätten, schreibt der Ausschuss. Auch sei keine höhere Rate an Komplikationen bei Schwangeren nachweisbar. 

Ustekinumab (Stelara®): Gefahren in Zusammenhang mit Lebendimpfstoffen

Der PRAC hat außerdem empfohlen, die Produktinformation von Ustekinumab (Stelara®) um einen Warnhinweis zur Verwendung von Lebendimpfstoffen bei Säuglingen zu ergänzen, deren Mütter während ihrer Schwangerschaft Ustekinumab erhalten haben.

Ustekinumab ist in der Europäischen Union zur Behandlung von schwerer Plaque-Psoriasis, Psoriasis-Arthritis, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zugelassen. In der Produktinformation wird bereits darauf hingewiesen, dass Ustekinumab während der Schwangerschaft möglichst nicht angewendet werden sollte. Frauen im gebärfähigen Alter wird empfohlen, eine Schwangerschaft zu vermeiden und während der Einnahme sowie mindestens 15 Wochen nach der letzten Behandlung sicher zu verhüten.

Jetzt hat der Ausschuss alle verfügbaren Daten zur Anwendung von Ustekinumab in der Schwangerschaft geprüft, darunter Beobachtungsstudien aus der EU, aus den USA und aus Kanada sowie Daten einer vom Zulassungsinhaber eingeforderten Prüfung.

Ustekinumab kann die Plazenta passieren. Es wurde im Serum von Säuglingen nachgewiesen, die Ustekinumab in utero ausgesetzt waren. „Obwohl die Daten zu Ustekinumab begrenzt sind, könnte das Risiko einer Infektion nach der Geburt bei Säuglingen, die Ustekinumab in der Gebärmutter ausgesetzt waren, erhöht sein“, schreibt der Ausschuss. 

Er rät deshalb, betroffenen Säuglingen 6 Monate lang keine Lebendimpfstoffe zu verabreichen. Im Falle eines klaren klinischen Nutzens könnten Lebendimpfstoffe früher gegeben werden, falls kein Ustekinumab mehr im Serum nachweisbar sei, heißt es weiter. 

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