Demenzrisiko beeinflussen: Beobachtungsstudie mit Typ-2-Diabetikern zeigt, Pioglitazon senkt, Sulfonylharnstoffe erhöhen das Risiko

Miriam E. Tucker

Interessenkonflikte

28. Oktober 2022

Thiazolidindione (TZD) wie Pioglitazon, scheinen vor Demenz zu schützen, während Sulfonylharnstoffe offenbar das Risiko zu erhöhen scheinen, wie eine neue Beobachtungsstudie bei Patienten mit Typ-2-Diabetes zeigt[1].

Die Daten, die aus landesweiten elektronischen Krankenakten der US Veterans Affairs Administration gewonnen wurden, ergaben ein um 22% geringeres Demenzrisiko bei einer TZD-Monotherapie und ein um 12% erhöhtes Risiko bei einer Sulfonylharnstoff-Monotherapie, verglichen mit einer Metformin-Monotherapie. Die offensichtliche schützende Wirkung von TZDs war bei Personen mit Übergewicht oder Adipositas größer.

„Unsere Ergebnisse liefern zusätzliche Informationen, die Ärzten bei der Auswahl von [glukosesenkenden Medikamenten] für Patienten mit leichtem oder mittelschwerem Typ-2-Diabetesu und hohem Demenzrisiko helfen können", schreiben Dr. Xin Tang und Kollegen in ihrem Artikel, der am 11. Oktober online im BMJ Open Diabetes Research & Care veröffentlicht wurde.

Die Ergebnisse, so Tang und Kollegen, „sind eine wesentliche Ergänzung der Literatur über die Auswirkungen von [glukosesenkenden Medikamenten] auf Demenz, bei der die bisherigen Ergebnisse uneinheitlich waren. In Studien mit einer Nachbeobachtungszeit von weniger als 3 Jahren wurden hauptsächlich Null-Assoziationen berichtet, während Studien mit einer längeren Nachbeobachtungszeit in der Regel protektive Ergebnisse lieferten. Mit einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 6,8 Jahren hatten wir einen ausreichenden Zeitraum, um Behandlungsunterschiede festzustellen".

 
Die Ergebnisse sind eine wesentliche Ergänzung der Literatur über die Auswirkungen von [glukosesenkenden Medikamenten] auf Demenz. Dr. Xin Tang
 

„Die Ergänzung [eines] Sulfonylharnstoffs mit Metformin oder [einem] TZD kann seine demenzfördernden Effekte teilweise ausgleichen. Diese Ergebnisse können helfen, die Auswahl der Medikamente für ältere Patienten mit Typ-2-Diabetes mit hohem Risiko für Demenz zu erleichtern", schreiben die Autoren.

Randomisierte Studien erforderlich, um Ursache und Wirkung zu ermitteln

Dr. Ivan Koychev, leitender klinischer Forscher in der Abteilung für Psychiatrie an der Universität Oxford, erklärte gegenüber dem britischen Science Media Center (SMC): „Dies ist eine große, gut durchgeführte Studie mit realen Daten, die deutlich macht, wie wichtig es ist, zu prüfen, ob bereits verschriebene Medikamente für die Demenzprävention nützlich sein könnten."

Die Ergebnisse zu den TZDs, die auch als Glitazone bekannt sind, stehen im Einklang mit der vorhandenen Literatur, die einen Schutz vor Demenz mit anderen Medikamenten nahelegt, die für Typ-2-Diabetes verschrieben werden und die in der aktuellen Studie nicht untersucht wurden - wie z.B. neuere Wirkstoffe wie GLP-1-Rezeptor-Agonisten und SGLT2-Inhibitoren, sagte Koychev.

„Die Haupteinschränkung dieser Studie besteht darin, dass die Teilnehmer nach dem anfänglichen Zweijahreszeitraum, für den sich die Autoren interessierten, möglicherweise eines der anderen Typ-2-Diabetes-Medikamente (GLP-1-Rezeptor-Agonisten oder SGLT2-Inhibitoren) verschrieben bekamen, die das Demenzrisiko verringern, wodurch die direkte Wirkung von Glitazon [TZD] möglicherweise schwieriger zu erkennen ist", so Koychev.

Außerdem wies er darauf hin, dass das Studiendesign die Zuordnung der Kausalität einschränkt. „Es ist auch wichtig zu beachten, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes ein höheres Risiko für Demenz und kognitive Defizite haben und dass diese Medikamente nur diesen Patienten verschrieben werden, so dass alle diese Daten aus dieser Patientengruppe und nicht aus der allgemeinen Bevölkerung stammen“.

Dr. James Connell, Leiter der translationalen Wissenschaft bei Alzheimer's Research UK, stimmte dem zu. „Diese Beobachtungsstudie ergab zwar, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes, die Thiazolidindione einnehmen, ein geringeres Demenzrisiko aufweisen als diejenigen, die das gängigste Medikament gegen Typ-2-Diabetes einnehmen, aber sie zeigt nur einen Zusammenhang zwischen der Einnahme des Medikaments und dem Demenzrisiko, nicht aber einen kausalen Zusammenhang".

 
Diese Beobachtungsstudie (...) zeigt nur einen Zusammenhang zwischen der Einnahme des Medikaments und dem Demenzrisiko, nicht aber einen kausalen Zusammenhang. Dr. James Connell
 

„Es sind doppelblinde und placebokontrollierte klinische Studien erforderlich, um herauszufinden, ob das Medikament [TDZ] dazu beitragen könnte, das Demenzrisiko bei Menschen mit und ohne Diabetes zu senken. Jeder, der Fragen zu den Behandlungen hat, die er erhält, sollte mit seinem Arzt sprechen", sagte er dem britischen SMC.

Gegensätzliche Wirkung: Sulfonylharnstoffe und TZDs vs Metformin

Tang von der Abteilung für Epidemiologie und Biostatistik an der University of Arizona Mel and Enid Zuckerman College of Public Health, Tucson, und Kollegen untersuchten 559 106 VA-Patienten mit Typ-2-Diabetes, die zwischen 2001 und 2017 mit der Einnahme von glukosesenkenden Medikamenten begonnen und diese mindestens 1 Jahr lang eingenommen hatten. Sie waren 60 Jahre oder älter und litten zu Beginn der Studie nicht an Demenz. Die meisten waren weiß (76,8%) und männlich (96,9%), 2 Drittel (63,1%) waren fettleibig, und der durchschnittliche A1c-Wert betrug 6,8%.

Insgesamt erkrankten 31.125 Personen an einer Demenz. Die Inzidenzrate lag bei 8,2 Fällen pro 1000 Personenjahre und reichte von 6,2 Fällen pro 1000 Personenjahre bei denjenigen, die eine Metformin-Monotherapie einnahmen, bis zu 13,4 Fällen pro 1000 Personenjahre bei denjenigen, die sowohl Sulfonylharnstoffe als auch ein TZD einnahmen.

Im Vergleich zur Metformin-Monotherapie lag die Hazard Ratio (HR) für Demenz in allen Fällen bei einer Sulfonylharnstoff-Monotherapie bei signifikanten 1,12. Das erhöhte Risiko wurde auch für vaskuläre Demenz beobachtet, mit einer HR von 1,14.

Im Gegensatz dazu war die TZD-Monotherapie im Vergleich zur Metformin-Monotherapie mit einem deutlich geringeren Risiko für Demenz in allen Fällen (HR: 0,78) sowie für Alzheimer (HR: 0,89) und vaskuläre Demenz (HR: 0,43) verbunden. Die Kombination von Metformin und TZD senkte ebenfalls das Risiko für Demenz in allen Fällen, während Therapien mit Sulfonylharnstoffen das Risiko für Demenz in allen Fällen und für vaskuläre Demenz erhöhten.

Die meisten Ergebnisse änderten sich nicht wesentlich, als das Zeitfenster für die Arzneimittelexposition auf 2 Jahre verlängert wurde.

Auswirkungen bei Übergewichtigen stärker ausgeprägt

Die schützenden 1-Jahres-Effekte der TZD-Monotherapie und von Metformin plus TZD im Vergleich zu Metformin allein waren bei Teilnehmern im Alter von 75 Jahren oder jünger und mit einem Body-Mass-Index (BMI) von über 25 kg/m2 signifikanter als bei Teilnehmern, die älter als 75 Jahre waren bzw. einen normalen BMI hatten. Andererseits war das höhere Demenzrisiko unter Sulfonylharnstoffen bei Teilnehmern mit einem höheren BMI noch stärker ausgeprägt.

 

Dieser Artikel wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

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