Geht ums Geld: Lauterbach plant mit Krankenhausreform mehr ambulante Leistungen – Kassen sind verschnupft, Kliniken zufrieden

Christian Beneker

Interessenkonflikte

26. Oktober 2022

Die geplante Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach und seine Pläne zur Ambulantisierung von Krankenhausbehandlungen nach dem erstmalig im Bundestag beratenen Krankenhauspflege-Entlastungsgesetz (KHPflEG) dürften weiter zu Streit zwischen den Kassen und den Krankenhäusern führen. Es geht ums Geld.

Was plant Lauterbach? Der Bundesgesundheitsminister will mit dem neuen Gesetz die Zahl der Übernachtungen in den Krankenhäusern senken und die Zahl der Tagesbehandlungen dafür aufstocken, erklärte er im Bundestag. Jede Behandlung, bei der es medizinisch vertretbar ist, soll in den Kliniken also künftig tagsüber vorgenommen werden, sofern die Patientinnen und Patienten zustimmen.

Das ist das Ziel der 2. Empfehlung, die die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung vorgelegt hat. Dadurch soll die Pflege entlastet werden, die dann zum Beispiel eine Reihe der schweren Nachtschichten einsparen kann, wie Lauterbach sagte. Das Problem könne in seiner Bedeutung überhaupt nicht überschätzt werden. „Deutschland hat nicht zu wenige Pflegekräfte“, betonte der Minister, „sie werden nur ineffizient eingesetzt.“

 
Deutschland hat nicht zu wenige Pflegekräfte, sie werden nur ineffizient eingesetzt. Prof. Dr. Karl Lauterbach
 

In der Tat hat Deutschland 50% mehr Bettenkapazität als andere Länder in der Europäischen Union, erklärte Lauterbach, als er die Pläne in Berlin vorstellte. Auch die vollstationäre Versorgung wird in deutschen Krankenhäusern um 50% häufiger erbracht als in Kliniken anderer Länder – und das, obwohl man die betreffenden Patienten bei gleicher Qualität auch ambulant versorgen könnte, sagte der Minister.

Er bezeichnete die vielen Krankenhausübernachtungen als „medizinisch gesprochen zum Teil total überflüssig“ und – in Hinblick auf Krankenhausinfektionen – als „prekär“. Deshalb soll der Katalog der Leistungen ausgedehnt werden, die statt stationär auch ambulant erbracht werden können.

Knackpunkt Finanzierung

Die Tagesbehandlungen im Krankenhaus sollen nach dem Willen des Bundesgesundheitsministers über das DRG-System finanziert werden. Bisher ist die Abrechnung per Fallpauschale erst möglich, wenn der Patient auch im Krankenhaus übernachtet. Dies soll sich ändern. Außerdem erhalten die Krankenhäuser für jeden ambulanten Notfall eine Pauschale von 400 Euro, so der Plan

„Ein großer Wurf sieht anders aus“, kommentierte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) die Pläne des Gesundheitsministers. Lauterbachs Strategie der vielen kleinen Schritte erinnere an die Digitalstrategie seines Vorgängers Jens Spahn (CDU), die ebenfalls mit heißer Nadel gestrickt worden sei, kritisierte Gassen.

 
Ein großer Wurf sieht anders aus. Dr. Andreas Gassen
 

Kritik auch von den Krankenkassen. Sie fürchten deutliche Mehrausgaben, sollte Lauterbachs Konzept umgesetzt werden. Ambulante Leistungen dürften nicht auf dem im Vergleich zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) höheren DRG-Niveau bezahlt werden, „ohne, dass sich Strukturen ändern und die Versicherten davon profitieren“, sagte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann.

„Hier drohen neue, zusätzliche Ausgaben im Milliardenbereich, ohne dass die Beitragszahlenden dafür einen Mehrwert bekommen“, sagte die Vorsitzende. Denn Krankenhäuser könnten zukünftig ihre Leistungen risikolos aus der ambulanten Vergütung nach dem EBM in die DRG-Vergütung steuern, die für sie für die gleiche Leistungen einen höheren Ertrag bedeute. „Das bedeutet im Kern: Dieselbe Leistung für die Patientinnen und Patienten zum vielfachen Preis“, so Reimann.

 
Das bedeutet im Kern: Dieselbe Leistung für die Patientinnen und Patienten zum vielfachen Preis. Dr. Carola Reimann.
 

Krankenhausgesellschaft ist zuversichtlich

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) dagegen lobte den Vorschlag Lauterbachs als einen Schritt in die richtige Richtung. Kein Wunder, denn das Konzept dürfte eine Menge Geld in die Kassen der Krankenhäuser spülen. DKG-Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß, erklärte denn auch: „Die Option, bisher vollstationäre Behandlungen ganz oder zeitweise auch tagesklinisch, also ohne Übernachtung, in der Klinik zu erbringen, bedeutet mehr Flexibilität in den Behandlungsprozessen der Krankenhäuser und ist ein erster Schritt zur von der DKG geforderten klinisch-ambulanten Versorgung.“

 
Die Option, bisher vollstationäre Behandlungen ganz oder zeitweise auch tagesklinisch … in der Klinik zu erbringen, bedeutet mehr Flexibilität in den Behandlungsprozessen der Krankenhäuser. Gerald Gaß
 

Gaß bemühte sich zugleich, die Befürchtungen einer unkontrollierten Fallzahlausweitung durch die Reform zu zerstreuen. Sie sei „wegen der Prüfungsvorgaben des medizinischen Dienstes unwahrscheinlich“, sagte Gaß. „Krankenhäuser werden auch für diese tagesklinischen Behandlungen bei der medizinischen Notwendigkeit die gleichen Maßstäbe anlegen wie für die bisher vollstationär versorgten Patientinnen und Patienten.“

Nach der ersten Lesung hat der Bundestag das Gesetz in den Gesundheitsausschuss überwiesen.

 

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Kommentar

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