Körperliche und apparative Untersuchungen
Seine Vitalparameter sind: Körpertemperatur 36,6°C, Blutdruck 128/78 mmHg, Puls regelmäßig bei 76/min, Atemfrequenz 18/min. Sein Gewicht beträgt 76,2 kg bei einer Körpergröße von 180 cm.
Bei der körperlichen Untersuchung ist der Patient kooperativ und beschwerdefrei. Es wird keine signifikante axilläre oder inguinale Lymphadenopathie festgestellt. Sein Abdomen ist weich, nicht druckempfindlich und nicht eingesunken. Die Darmgeräusche sind normal. Bei der rektalen Untersuchung wirkt der Patient etwas empfindlicher und es werden eine Analfissur bei 11 Uhr und einige äußere Hämorrhoiden entdeckt, jedoch keine inneren.
Bei der Laboruntersuchung wurde dann eine leichte Anämie mit folgenden Messwerten ermittelt:
Leukozyten: 7.100 Zellen/µl (normal 4500–11.000 Zellen/µl)
Hb: 10,8 g/dl (normal 13,5–17,5 g/dl)
Kreatinin: 0,89 mg/dl (normal 0,6–1,3 mg/dl).
Die HIV-Viruslast war nicht nachweisbar. Die CD4-T-Zellzahl betrug 275/µl (normal: 500-1500/μl).
Das CT offenbart eine unregelmäßige Verdickung des gesamten Rektums mit mesorektalen Fettsträngen und einer Lymphadenopathie. Als Differenzialdiagnose stand ein infektiöser oder entzündlicher Prozess mit schwerer Proktokolitis oder ein zugrundeliegendes rektales Neoplasma im Raum. Daraufhin wurde eine MRT angeordnet. Dies bestätigte eine unregelmäßige, knotige, polypoide Masse mit starker Signalanreicherung im T2-gewichteten Bild und mehrere subzentimetergroße Lymphknoten im mesorektalen und perirektalen Fettgewebe.
Bei der Koloskopie schließlich konnte eine pilzartige, infiltrierende und teilweise obstruierende Masse im Rektum direkt betrachtet werden. Sie war etwa 8 bis 12 cm von der Analgrenze entfernt (Abb. 1). Die Rektumschleimhaut wies mehrere Bereiche mit nicht blutenden Geschwüren auf, aus denen Biopsien für histopathologische und mikrobiologische Untersuchungen entnommen wurden.
Abbildung 1
Wegen des anfänglichen Verdachts auf ein Lymphogranuloma venereum (LGV) und eine Syphilis wurde eine empirische Behandlung mit oralem Doxycyclin 100 mg eingeleitet, das in 12-stündigen Abständen verabreicht wurde. Die Ergebnisse einer Routineuntersuchung auf häufige sexuell übertragbare Infektionen wie Gonorrhoe und Chlamydien blieben jedoch negativ. Der RPR-Titer (rapid plasma reagin) zur Syphilis-Diagnostik betrug 1:4 und lag 6 Monate zuvor noch bei 1:16. Die bioptisch gewonnenen Gewebeproben wurden mit Hämatoxylin und Eosin gefärbt und histopathologisch untersucht. Unter dem Mikroskop zeigte sich dabei das Bild einer ulzerierten Kolorektalschleimhaut mit abnormalem Granulationsgewebe und Epithelzellen mit viralen Kerneinschlüssen sowie ein beeindruckendes eosinophiles, eitriges und lymphoplasmatisches Infiltrat (Abb. 2).
Abbildung 2
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Diesen Artikel so zitieren: Fall: Unregelmäßige Verdickung des gesamten Rektums bei einem 51-jährigen, HIV-positiven Patienten. Ihr Verdacht? - Medscape - 16. Jan 2023.
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