Folienverband schützt vor Strahlendermatitis; Screening von Hochrisikopatienten für Pankreaskarzinom; TKI-Juckreiz lindern

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

25. Oktober 2022

Im Onko-Blog dieser Woche geht es u.a. darum, wie gut ein Folienverband vor einer Strahlendermatitis bei Frauen mit Mammakarzinom schützt und ob Aprepitant den TKI-induzierten Juckreiz besser lindert als Desloratadin. Ein regelmäßiges Screening von Hochrisikopatienten für ein Pankreaskarzinom kann zu einer früheren Diagnose beitragen. 

  • Mammakarzinom: Transparenter Folienverband verhindert akute Strahlendermatitis

  • NSCLC: Aprepitant lindert durch EGFR-TKI-Therapie induzierten Juckreiz besser als Desloratadin

  • Prostatakarzinom: PARP-Inhibitor plus Angiogenese-Hemmer bei metastasierter Erkrankung

  • Pankreaskarzinom: Regelmäßiges Screening von Hochrisikopersonen verlängert Überleben

  • Krebs bei Kindern: Weniger invasive Mammakarzinome bei Langzeitüberlebenden

  • PI3K-Hemmer: Inzidenz kutaner Nebenwirkungen bei knapp 30%

Mammakarzinom: Transparenter Folienverband verhindert akute Strahlendermatitis

Bei Risikopatientinnen mit Brustkrebs kann mit Hilfe eines transparenten, atmungsaktiven Folienverbandes (Mepitel-Film) wirksamer einer Strahlendermatitis vorgebeugt werden als mit Standardtherapie. Bei Frauen mit großen Brüsten oder nach Mastektomie trat bei Verwendung des Folienverbands in 15,5% eine Strahlendermatitis 2. oder 3.Grades auf, in der Vergleichsgruppe mit Standardtherapie (z.B. mit topischen Antibiotika oder Glukokortikoiden) in 45,6% der Fälle (Odds Ratio [OR] 0,20, p<0,0001). 

Diese Ergebnisse einer offenen randomisierten Phase-3-Studie hat Dr. Edward Chow, Sunnybrook Research Institute, Toronto, bei der virtuellen Plenarsitzung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) im Oktober 2022 berichtet. Seine Schlussfolgerung lautete: „Wir empfehlen Änderungen der klinischen Praxis zur Prävention einer Strahlendermatitis und bei Hochrisikopatienten die Aufnahme von Mepitel-Film in zukünftige Leitlinienempfehlungen“.

Frauen mit großen Brüsten und nach Mastektomie haben ein besonders großes Risiko bei Strahlentherapie eine Dermatitis zu entwickeln. In der randomisierten offenen Studie wurden zwischen Januar 2020 und Mai 2022 266 Frauen mit Mepitel-Film und 137 Frauen mit dem Standard of Care behandelt. 

NSCLC: Aprepitant lindert durch EGFR-TKI-Therapie induzierten Juckreiz besser als Desloratadin

Erstmals konnte in einer prospektiven randomisierten doppelblinden placebokontrollierten Studie in China gezeigt werden, dass der Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonist Aprepitant einen durch Tyrosinkinase-Inhibitor(TKI)-Therapie induzierten Juckreiz besser und rascher linderte als das Antihistaminikum Desloratadin. Nach Meinung der Autoren in  Cancer  könnte das breit verfügbare Aprepitant ohne Probleme in der Supportivtherapie eingesetzt werden.

Pruritus ist eine der häufigsten Nebenwirkungen von EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren. In die multizentrische randomisierte Studie wurden Patienten aufgenommen, bei denen unter einer TKI-Behandlung erstmalig ein mäßiger bis schwerer Juckreiz aufgetreten war. Je 65 NSCLC-Patienten erhielten Aprepitant (125 mg an Tag 1, 80 mg an Tag 3 bis 5, Placebo Tag 1 bis Tag 28) bzw. Desloratadin (5 mg Tag 1 bis Tag 28, Placebo an Tag 1, 3 und 5). 

Nach einer Woche hatten 53,2% auf die Aprepitant-Behandlung und 23,7% auf die Desloratadin-Therapie angesprochen (p=0,001). Unter Aprepitant sprachen die Patienten im Durchschnitt nach 13,4 Tagen, unter Desloratadin nach 16,7 Tagen an (p=0,04). 

Die häufigsten Nebenwirkungen in beiden Gruppen waren Verstopfung und trockener Mund, allerdings nur vom Schweregrad 1 bis 2.

Prostatakarzinom: PARP-Inhibitor plus Angiogenese-Hemmer bei metastasierter Erkrankung

Erstmals konnte in einer Phase-2-Studie gezeigt werden, dass die zusätzliche Gabe des Angiogenese-Hemmers Cediranib zum PARP-Hemmer Olaparib bei Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom das radiologische progressionsfreie Überleben (rPFS) im Vergleich zur alleinigen Olaparib-Gabe verbesserte. 

Allerdings waren Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 bis 4 in der Kombinationsgruppe mit 61% wesentlich häufiger als in der Vergleichsgruppe mit 18%. Nach Aussage der amerikanischen Arbeitsgruppe im  Journal of Clinical Oncology  müssen in weiteren Studien die Mechanismen zur Synergie dieser Kombination geklärt werden, um für die weitere klinische Entwicklung klarere Vorgaben zu haben.

In der randomisierten Studie hatten je 45 Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom Cediranib (30 mg einmal täglich) plus Olaparib (200 mg zweimal täglich) oder Olaparib allein (300 mg zweimal täglich) erhalten. In der Kombinationsgruppe verbesserte sich das mediane rPFS auf 8,5 Monate im Vergleich zu 4,0 Monaten unter Monotherapie (Hazard Ratio [HR] 0,617, p=0,0359).

Pankreaskarzinom: Regelmäßiges Screening von Hochrisikopersonen verlängert Überleben

Bei Personen mit hohem Risiko für ein Pankreaskarzinom kann durch ein regelmäßiges jährliches Screening mit Magnetresonanztomografie (MRT) und Ultraschall ein duktales Adenokarzinom der Bauchspeicheldrüse häufig im Stadium I entdeckt werden. In solchen Fällen wurde ein medianes Überleben von 9,8 Jahren erreicht. 

Dies zeigen Ergebnisse der multizentrischen Studie Cancer of Pancreas Screening-5 (CAPS5), die eine amerikanische Arbeitsgruppe im  Journal of Clinical Oncology  publiziert hat.

CAPS5 ist eine multizentrische, prospektive Kohortenstudie in 8 akademischen medizinischen Zentren in den Vereinigten Staaten, die 2014 geöffnet wurde. Von den knapp 1.500 ausgewerteten Probanden hatten 48,5% eine pathogene Keimbahnvariante, etwa 30% eine Krebserkrankung in der Anamnese, und bei etwa 25% war ein Pankreaskarzinom in der Familie bekannt.

Bislang hatten sich 31% der Gesamtkohorte (n=451) einem Baseline-Screening unterzogen, davon 215 innerhalb des letzten Jahres und 236 mehr als 1 Jahr vor dieser Analyse. Der restliche Anteil (n=1010) wurde im Median 4,4 Jahre nachbeobachtet.

Bei 10 Patienten wurde ein Pankreaskarzinom diagnostiziert, dabei war ein metastasiertes Karzinom 4 Jahre nach Beendigung der Überwachung. Weitere 7 Karzinome (77,8%) befanden sich Stadium I und wurden während der Überwachung erkannt; außerdem wurden je ein Pankreaskarzinom im Stadium II und III erkannt. 7 von 9 Patienten waren nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 2,6 Jahren noch am Leben. 

8 weitere Patienten wurden wegen besorgniserregender Läsionen operiert; bei 3 Patienten lag eine hochgradige und bei 5 eine niedrig gradige Dysplasie vor. 

In der gesamten CAPS-Kohorte (CAPS1-5-Studien mit 1.731 Patienten) wurden 26 Fälle von Pankreaskarzinom diagnostiziert, 19 davon unter Überwachung. Davon waren 57,9% im Stadium I und 5,2% im Stadium IV. 6 der 7 Pankreaskarzinom (85,7%), die außerhalb des Screenings entdeckt wurden, waren im Stadium IV. 

Das bisherige 5-Jahres-Überleben der Patienten mit einem beim Screening erkannten Pankreaskarzinom liegt bei 73,3%, das mediane Gesamtüberleben bei 9,8 Jahren, verglichen mit 1,5 Jahren bei Patienten, bei denen das Karzinom außerhalb des Screenings diagnostiziert worden ist (HR 0,13; p=0,003).

Krebs bei Kindern: Weniger invasive Mammakarzinome bei Langzeitüberlebenden

Bei langzeitüberlebenden Frauen, die in der Kindheit an Krebs erkrankt waren, hat in den letzten Jahren die Rate an invasiven Brustkrebserkrankungen abgenommen, so eine retrospektive longitudinale Kohorten-Studie einer amerikanischen Arbeitsgruppe in  JAMA Oncology

Dies ist vermutlich weitgehend auf einen reduzierten Einsatz einer Strahlentherapie im Bereich des Thorax zurückzuführen. Teilweise dürfte der günstige Effekt jedoch durch die verstärkte Anwendung von Anthracyclinen wieder aufgehoben worden sein.

In der Studie wurden die Daten von 11.550 langzeitüberlebenden Frauen im medianen Alter von 34,2 Jahren analysiert. 489 Frauen entwickelten 583 Brustkrebserkrankungen (417 invasive, 156 duktale Karzinome in situ [DCIS]). In Abhängigkeit vom Jahrzehnt nahmen Bestrahlungen der Brust um 34% in den 1970er-, 22% in den 1980er- und 17% in den 1990er-Jahren ab sowie des Beckens um 26%, 17% bzw. 13%. Anthracycline wurden vermehrt appliziert mit Raten von 30%, 51% bzw. 64%.

Unter Berücksichtigung von Alter und Alter bei der Diagnose sank die Rate an invasivem Brustkrebs alle 5 Jahre nach der Erstdiagnose um 18%. Bei Berücksichtigung der Strahlentherapie des Thorax schwächte sich der Rückgang alle 5 Jahre auf 11% ab. Bei zusätzlicher Anpassung an Anthracyclin-Dosis und Strahlentherapie des Beckens stieg die Abnahme alle 5 Jahre auf 14%.  

Die Autoren eines Editorials weisen darauf hin, dass diese Art der Forschung 2 große Herausforderungen aufweist, nämlich die lange Verzögerung bei der Ergebnissen der Exposition sowie die Veränderung der Expositionen im Lauf der Zeit: „Leider kennen wir die Spätfolgen, die mit neueren Strahlentherapie-Ansätzen oder Immuntherapien einhergehen, seit vielen Jahren nicht mehr. Obwohl diese Studie 2 wichtige Einblicke in das Mammakarzinom-Risiko durch Strahlen- und Chemotherapie liefert, gibt es im Kontext moderner Therapien Herausforderungen bei der Übertragung dieser Ergebnisse auf das Mammakarzinom-Risiko bei Patienten, die heute behandelt werden.“

PI3K-Hemmer: Inzidenz kutaner Nebenwirkungen bei knapp 30%

Die Gesamtinzidenz von PI3K-Inhibitor-assoziierten kutanen unerwünschten Wirkungen aller Schweregrade beträgt 29,30%. die Inzidenz von kutanen Nebenwirkungen vom Schweregrad ≥3 liegt bei 6,95%. Dies ergab eine systematische Übersicht und Metaanalyse einer Arbeitsgruppe aus Boston, die in  JAMA Oncology erschienen ist.

Phosphoinositid-3-Kinase(PI3K)-Inhibitoren – wie z.B. Alpelisib, Duvelisib oder Idelalisib – werden seit einigen Jahren zur Behandlung von Mammakarzinom (Alpelisib) und verschiedenen hämatologischen Erkrankungen eingesetzt. Leichte bis sehr schwere Nebenwirkungen an der Haut sind bekannt, die Inzidenz wurde nun in einer systematischen Übersicht und Metaanalyse anhand der Daten von 15 randomisierten Studien mit 4.200 Teilnehmern erfasst.

In den Behandlungsgruppen berichteten 29,7% (n=647) der Patienten über Nebenwirkungen an der Haut aller Schweregrade bei Behandlung mit PI3K-Inhibitor, in den Vergleichsgruppen waren es 13% (n=259) (gepoolte OR 2,55). Über schwere kutane Nebenwirkungen vom Grad ≥3 berichteten 6,95% der Patienten unter PI3K-Inhibitor. 

Allerdings sollten die Ergebnisse nach Meinung der Autoren aufgrund der inhärenten Heterogenität wegen der unterschiedlichen Patientenpopulationen in den ausgewählten Studien mit Vorsicht interpretiert werden.

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