Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.
Corona-Newsblog, Update vom 24. Oktober 2022
Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 584 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 23. Oktober lag der Wert bei 599. Ein Meldeverzug durch das Wochenende ist recht wahrscheinlich.
„Die Anzahl SARS-CoV-2-Infizierter mit Symptomen einer akuten Atemwegsinfektion in Deutschland wird in Woche 41/2022 auf 1,1 bis 2,2 Millionen geschätzt, die Zahl der Arztkonsultationen aufgrund einer akuten Atemwegserkrankung mit zusätzlicher COVID-19-Diagnose auf etwa 425.000“, schreibt das RKI im aktuellenWochenbericht. „Beide Berechnungen liegen über den Werten der Vorwoche.“
Unsere Themen heute:
Mehr positive Tests – hohe Dunkelziffer
Immer noch zu niedrige Impfquoten – was bringt die neue Kampagne des BMG?
Neue Daten: Myokarditiden nach Auffrischungsimpfungen bei Teenagern selten und mild
COVID-19-Booster bei Rheuma: Was ist zu beachten?
Omikron-Subvariante BA.4.6: Hinweise auf Immune Escape häufen sich
Mehr positive Tests – hohe Dunkelziffer
Solche Trends bestätigen sich auch bei Datenanalysen der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM). Fachärztliche Labore haben in Woche 41 insgesamt 849.876 PCR-Tests durchgeführt, also 4% mehr als in der Vorwoche. Insgesamt wurden 452.945 Tests positiv befundet (53,3%), was in etwa der Vorwoche entspricht (56,3%). Eine hohe Dunkelziffer gilt als wahrscheinlich; nicht alle Menschen mit positivem Schnelltest lassen sich beim Arzt untersuchen.
Alle an der Umfrage beteiligten Labore verzeichnen bei PCR-Tests eine Auslastung von 34% (Vorwoche: 32%). Laut ALM liegen die Kapazitäten momentan bei 2,5 Millionen Tests pro Woche.
Alle Trends der letzten Wochen im Überblick:

© Pressemeldung ALM e.V.
Medienberichten zufolge ist Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach gegen die Wiedereinführung kostenloser Bürgertests für alle. „Die vergangenen Infektionswellen haben gezeigt, dass anlasslose SARS-CoV-2-Testungen keinen signifikanten Einfluss auf die Eindämmung der Pandemie haben“, kommentiert ALM-Vorstand Dr. Michael Müller. „Wir sollten gerade jetzt stärker an die Eigenverantwortlichkeit der Bürgerinnen und Bürger appellieren, das eigene Kontaktmanagement im Blick zu haben, insbesondere in Innenräumen mit vielen Menschen eine Maske zu tragen und die empfohlenen Impfungen in Anspruch zu nehmen.“
Immer noch zu niedrige Impfquoten – was bringt die neue Kampagne des BMG?
Der Winter naht, doch offizielle Statistiken zeigen nach wie vor große Lücken beim Impfschutz. Am 23. Oktober waren 76,3% der Bevölkerung mindestens grundimmunisiert, 62,3% hatten mindestens 1 Auffrischungsimpfung und 11,3% hatten 2 Booster Shots erhalten.
Nach wie vor sind 18,4 Millionen Menschen (22,2 % der Bevölkerung) nicht geimpft. Für 4,0 Millionen im Alter von 0 bis 4 Jahren (4,8%) gab es bislang kein Vakzin; eine aktuelle Bewertung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) erweitert Anwendungsmöglichkeiten auf 6 Monate bis 4 Jahren für Comirnaty® bzw. auf 6 Monaten bis 5 Jahre für Spikevax®.
Um Erwachsene ohne Schutz zu erreichen, lanciert die Bundesregierung eine weitere Informationskampagne. 84 Bürgerinnen und Bürger erläutern stellvertretend für 84 Millionen Menschen in Deutschland, warum – und wie – sie sich gegen COVID-19 schützen. Dazu gehören neben der Impfung selbst auch nicht-pharmazeutische Maßnahmen wie Masken oder Rücksicht durch freiwilligen Abstand.

© Bundesministerium für Gesundheit, Pressemeldung
Nicht nur Impfskepsis beherrscht die Debatten. Medienberichten zufolge berichten Ärzte auch über einen gegenläufigen Trend: Jüngere Menschen ohne Vorerkrankung wünschen sich mitunter Viertimpfungen, was die Ständige impfkommission (STIKO) derzeit nicht empfiehlt. „Der Staat haftet bei Corona-Impfschäden auch, wenn außerhalb der STIKO-Empfehlung geimpft wurde – vorausgesetzt, es liegen keine Fehler des Impfarztes vor“, so Lauterbach.
Neue Daten: Myokarditiden nach Auffrischungsimpfungen bei Teenagern selten und mild
Neue Daten aus Israel liefern weitere Hinweise darauf, dass eine Myokarditis eine seltene Nebenwirkung der Impfung in Zusammenhang mit dem mRNA-COVID-19-Impfstoff von Pfizer/BioNTech ist. Sie tritt überwiegend bei Männern und typischerweise nach der 2. Dosis auf. Über Details hat Medscape.com berichtet.
Dr. Guy Witberg vom Rabin Medical Center, Petah Tikva, Israel, und Kollegen haben bereits Ende 2021 herausgefunden, dass die Inzidenz einer Myokarditis nach Gabe des Pfizer/BioNTech-Impfstoffs bei Männern im Alter zwischen 16 und 29 Jahren am höchsten war (10,7 Fälle pro 100.000).
In ihrem jüngsten Bericht mit einem Follow-up von 6 Monaten identifizierten sie 9 wahrscheinliche oder sichere Fälle von Myokarditis unter 182.605 israelischen Jugendlichen im Alter von 12 bis 15 Jahren. Die Inzidenz liegt bei 4,8 Fällen pro 100.000 Impfungen.
8 Fälle traten nach der 2. Impfdosis auf.
Alle 9 Fälle verliefen mild.
Herz- und Entzündungsmarker waren bei allen jugendlichen Patienten erhöht und die elektrokardiographischen Ergebnisse waren bei 2 Dritteln auffällig.
8 Patienten hatten eine normale Ejektionsfraktion.
4 Patienten hatten einen Perikarderguss.
Die Patienten verbrachten 2-4 Tage im Krankenhaus; der Verlauf war ohne Komplikationen.
EKG-Befunde waren bei 8 Patienten im Median 10 Tage nach der Entlassung verfügbar. Sie zeigten eine normale Ejektionsfraktion und eine Auflösung des Perikardergusses.
Bei 5 Patienten entschlossen sich Ärzte, kardiale MRTs durchzuführen. Die Scans zeigten minimale Anzeichen myokardialer Narbenbildungen oder Fibrosen.
Bei einer Nachbeobachtung von median 206 Tagen nach der Entlassung waren alle Patienten am Leben; niemand musste rehospitalisiert werden.
COVID-19-Booster bei Rheuma: Was ist zu beachten?
Gerade für Risikogruppen sind Impfungen von großer Bedeutung. Nur werden beispielsweise immunmodulierende Therapien wie Methotrexat (MTX) mit zu niedrigen Titern neutralisierender Antikörper in Verbindung gebracht. Bislang gab es kaum Daten zur Frage, wie lange Pharmaka nach Auffrischungsimpfungen abgesetzt werden sollten.
Deshalb haben Forscher im Rahmen einer Kohortenstudie die neutralisierende Serumaktivität gegen den SARS-CoV-2-Wildtyp und gegen Omikron BA.1 bzw. BA.2 untersucht. Zum Einsatz kam ein Pseudovirus-Neutralisationstests vor bzw. 4 und 12 Wochen nach der mRNA-Auffrischungsimpfung. Eingeschlossen wurden 50 Rheumapatienten unter MTX, von denen 26 die Medikation ausgesetzt hatten. 44 nicht immunsupprimierte Personen dienten als Kontrollgruppe.
Während die neutralisierende Serumaktivität bei Kontrollen um das 67- bis 73-Fache anstieg, erhöhte sie sich unter MTX nur um das 20- bis 23-Fache. Patienten, die ihre MTX-Behandlung fortsetzten, wiesen in den Wochen 4 und 12 eine signifikant niedrigere Neutralisation gegen alle Varianten auf als Patienten, die ihre MTX-Behandlung pausierten. Mit einem MTX-Stopp erreichten Patienten in Woche 12 eine vergleichbar hohe Neutralisierungskapazität gegen BA.1 bzw. BA.2 wie Kontrollen.
Die Dauer der MTX-Pause nach – aber nicht vor – der Impfung war mit einer signifikant höheren Neutralisierungskapazität gegen alle drei Varianten verbunden, wobei die optimale Dauer bei 10 Tagen nach der Impfung lag.
„Patienten, die nach Auffrischungsimpfungen eine MTX-Pause einlegten, zeigten eine ähnliche Impfstoffreaktion wie Kontrollen“, schreiben die Autoren. „Patienten, die weiterhin MTX erhielten, zeigten eine schlechtere Reaktion, was auf eine potenziell nützliche 2. Auffrischungsimpfung hindeutet.“ Die Daten lieferten aber auch Hinweise, dass 1 Woche MTX-Pause ausreichend sei, wenn die letzte MTX-Gabe 1-3 Tage vor der Impfung erfolge.
Omikron-Subvariante BA.4.6: Hinweise auf Immune Escape häufen sich
Derzeit dominiert die Omikron-Subvariante BA.5 weltweit das Krankheitsgeschehen bei COVID-19; zahlreiche neue, besorgniserregende Varianten sind jedoch identifiziert worden, teils mit starker Immunflucht aufgrund von Mutationen.
BA.4.6 ist eine Sublinie von BA.4 mit 2 zusätzlichen Mutationen im Spike-Protein (R346T und N658S). Ihre Prävalenz ist in letzter Zeit in bestimmten Regionen, die derzeit von BA.5 dominiert werden stark angestiegen. Der Anteil von BA.4.6 ist in den USA auf 12,2 % gestiegen, in Europa ist BA.4.6 ebenfalls aufgetreten. Für Deutschland geht man im Moment von 1.5% aus. Doch welche Relevanz hat diese Beobachtung für Impfungen?
Forscher haben jetzt neutralisierende Antikörpertiter gegen den Wildtyp (WA1/2020) und gegen die Omikron-Subvarianten BA.1, BA.2, BA.4-BA.5 und BA.4.6 bei 19 Probanden untersucht. Alle Teilnehmer hatten sich kurz vor Studienbeginn mit BA.1 oder BA.2 infiziert. Außerdem wurden 16 Teilnehmer, die mit dem ursprünglichen mRNA-1273-Impfstoff (Moderna) geimpft und geboostet worden waren, eingeschlossen.
In dieser Kohorte betrug der mediane Titer neutralisierender Pseudovirus-Antikörper 42.067 gegen WA1/2020, 6.352 gegen BA.1, 3.854 gegen BA.2, 1.673 gegen BA.4/BA.5 und 630 gegen BA.4.6. Die medianen neutralisierenden Antikörpertiter gegen BA.4.6 waren um einen Faktor 67 niedriger als die medianen Titer gegen WA1/2020, gegen BA.1 um einen Faktor 10, gegen BA.2 um einen Faktor 6 und gegen BA.4-BA.5 um einen Faktor 2,7.
6 Monate nach den ersten beiden mRNA-1273-Immunisierungen betrug der mediane Titer der neutralisierenden Antikörper 951 gegen WA1/2020, 28 gegen BA.2, 30 gegen BA.4/BA.5 und 23 gegen BA.4.6. Im Median 17 Tage nach der 1. Auffrischungsdosis lag der Median des neutralisierenden Antikörpertiters bei 16.011 gegen WA1/2020, bei 802 gegen BA.2, bei 449 gegen BA.4/BA.5 und bei 225 gegen BA.4.6. Der Titer der neutralisierenden Antikörper gegen BA.4.6 war um einen Faktor 71 niedriger als der gegen WA1/2020, gegen BA.2 um einen Faktor 4 und gegen BA.4-BA.5 um einen Faktor 2.
Auf Twitter kommentiert Lauterbach die Ergebnisse: „[Die] SARS-CoV-2-Omikron Subvarianten entwickeln sich weiter. Die neue BA 4.6 Variante in den USA überwindet frühere Infektion und Impfung leicht. Eine Omikron-Varianten-Impfung ist die bessere Alternative zur Omikron Infektion, schon wegen dem Restrisiko von Long-COVID.“
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Diesen Artikel so zitieren: Mehr positive Tests – hohe Dunkelziffer; Immunflucht von Variante BA.4.6; Impf-Myokarditiden bei Teenagern selten und harmlos - Medscape - 24. Okt 2022.
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