Eine effektive Therapie gegen die trockene – und häufigste – Form der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) existiert bislang nicht. Neue Studienergebnisse mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Komplement-Inhibitoren lassen jedoch hoffen – denn sie scheinen geeignet, im Spätstadium der Erkrankung das Fortschreiten des Sehverlusts zu bremsen.
Über das Wirkprinzip der Substanzen und den Stand ihrer klinischen Entwicklung berichtete Prof. Dr. Frank Holz vom Universitätsklinikum Bonn beim diesjährigen Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) in Berlin [1].
Spätstadium mit Untergang von Photorezeptoren
In den Industrieländern ist die fortgeschrittene AMD die häufigste Ursache für schweren Sehverlust und Erblindung im Alter über 65 Jahre. Ihren beiden Formen trockene und feuchte AMD liegt ein gestörter Stoffwechsel in der Netzhaut zugrunde.

Prof. Dr. Frank Holz
„Während sich der Verlauf der feuchten (exsudativen, neovaskulären) Form bereits seit rund 15 Jahren gut durch Injektionen von VEGF-Inhibitoren abmildern lässt, stellt die trockene AMD bislang ein ungelöstes Problem dar“, erklärte Holz. Ihre Progression ist langsamer als bei der exsudativen AMD, sie führt im Spätstadium zu einem fortschreitenden Untergang von Photorezeptoren in der Netzhautmitte, kann aber auch bereits vorher in eine feuchte AMD übergehen.
Die Spätform der trockenen AMD wird auch als geographische Atrophie bezeichnet, die meist eine Folge progredienter Ablagerungen (Drusen) unterhalb der Netzhaut ist.
Verlangsamung des Atrophie-Prozesses
Die mit dem C3-Inhibitor Pegcetacoplan durchgeführten und jetzt auf dem DOG-Kongress präsentierten Phase-3-Studien (mit 24-Monatsdaten) konnten dem Bonner Ophthalmologen zufolge zeigen, dass der monatlich oder zweimonatlich ins Auge injizierte Wirkstoff die Progression der atrophischen Areale zwar nicht aufhalten kann, jedoch merklich verlangsamt.
Die Effektgröße gab er mit einer jährlichen Progressionsverlangsamung von 16% bis 22% an. „Auch wenn dies auf den ersten Blick nicht sehr viel erscheint, kann es für den einzelnen Patienten klinisch hoch relevant sein.“
Dies sei vor allem dann der Fall, wenn die Erkrankung zunächst noch auf die Netzhaut außerhalb der Stelle des schärfsten Sehens (Fovea centralis im Zentrum der Makula) beschränkt ist. „Denn dann lässt sich das Fortschreiten des Sinneszellenuntergangs in Richtung Makulazentrum hinauszögern und damit der Erhalt der zentralen Sehschärfe verlängern, was für Fähigkeiten wie Lesen oder Gesichter-Erkennung und damit die Lebensqualität der Patienten von großer Bedeutung sein kann.“
Bereits in diesem Jahr wurde die Zulassung des C3-Inhibitors in den USA beantragt, in der EU sei der Antrag für das kommende Jahr geplant, so Holz.
Daneben nannte er als weiteren Komplement-Inhibitor den C5-Inhibitor Avacincaptad pegol, bei dem aktuelle Phase-3-Studienergebnisse ebenfalls positive Therapieeffekte gezeigt hätten.
Gentherapie als weniger aufwändige Alternative?
Als „Wermutstropfen“ einer AMD-Therapie mit diesen Komplement-Inhibitoren bezeichnete Holz die regelmäßige und damit aufwändige Spritzenapplikation mit ein- oder zweimonatlicher Injektion des Wirkstoffs.
Deshalb werde aktuell auch an gentherapeutischen Ansätzen gearbeitet mit dem Ziel, nur eine einmalige Behandlung durchführen zu müssen, welche dann lebenslang wirken könnte. „Auch hierbei wird das Komplementsystem adressiert, indem durch einen mikrochirurgischen Eingriff ein Vektor – in diesem Fall eine therapeutische Nukleinsäure – in die betroffene Netzhautregion injiziert wird", erläuterte Holz.
In der Horizon-Phase-2-Studie wird der Wirkstoff GT005 auf diese Weise bei Patienten mit geographischer Atrophie verabreicht. Der Behandlungsansatz führt zu einem erhöhten Spiegel an Komplementfaktor I (CFI) und drosselt so die Aktivität des Komplementsystems im Bereich der Makula.
„Sollten diese Behandlungsansätze eine Zulassung für die atrophische Spätform der AMD erhalten, kämen sie prinzipiell auch für eine Prüfung der Anwendung in frühen Erkrankungsstadien infrage – in der frühen und intermediären Form der AMD“, erklärte Holz. „Ziel wäre hier eine Prävention, damit die Spätform sowohl der trockenen als auch der feuchten Form verhindert werden könnte.“
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Credits:
Photographer: © Sarah2
Lead image: Dreamstime.com
Foto Prof. Holz ohne Arztkittel: Copyright Universitätsklinikum Bonn
Foto Prof. Holz mit Arztkittel: Intuitive Fotografie Köln
Medscape © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Erblindung stoppen: Sind Komplement-Inhibitoren die erhoffte Lösung bei der trockenen altersabhängigen Makuladegeneration? - Medscape - 28. Okt 2022.
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