Allergen-Immuntherapie kann Fortschreiten von Asthma und allergischer Rhinitis langfristig verhindern

Lorraine Janeczko

Interessenkonflikte

21. Oktober 2022

Forschende aus Deutschland und Polen kommen nach Literaturdurchsicht von Real-World-Studien zu dem Schluss, dass die allergenspezifische Immuntherapie (AIT) gegen allergische Rhinitis und Asthma auch langfristig wirkt[1].

„Die Real-World-Daten stützen die Ergebnisse aus randomisierten kontrollierten Studien. Die in dieser Übersichtsarbeit zusammengefassten Arbeiten belegen, dass ein Fortschreiten der allergischen Rhinitis und des Asthmas wirksam verhindert werden kann, ebenso wie der Ausbruch eines Asthmas für AIT mit verschiedenen Allergenen, unterschiedlichen AIT-Produkten und in verschiedenen Altersgruppen“, schreiben der Hauptautor Dr. Christian Vogelberg und sein Team von der Abteilung für Kinder-Pneumologie und Allergologie der Carl-Gustav-Carus-Uni in Dresden in der Zeitschrift Allergy.

Die AIT sei die einzige Behandlung, die sich gegen die allergische Pathologie richtet und krankheitsmodifizierend wirkt, fügen sie hinzu.

Um die Frage nach der langfristigen Wirksamkeit der AIT und der Therapietreue bei allergischer Rhinitis und Asthma beantworten zu können, durchsuchten die Forschenden PubMed nach retrospektiven Kohortenstudien über Medikamentenverschreibungen in europäischen Datenbanken bis zum 31. März 2022.

Zu den 13 Studien, die den Suchkriterien entsprachen, gehörten Arbeiten mit dem Fokus auf ein spezielles Allergen, wie z.B. Gräserpollen, Baumpollen oder Hausstaubmilben, sowie Untersuchungen, in denen nicht zwischen den Allergenen unterschieden wurde. 3 Berichte konzentrierten sich auf die Adhärenz. Einige der Analysen wurden von den Herstellern entsprechender Präparate finanziert. In all diesen Studien waren nationale Datenbanken aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden zu Medikamentenverordnungen mit Daten aus retrospektiven Kohorten analysiert worden.

 
Die in dieser Übersichtsarbeit zusammengefassten Arbeiten belegen, dass ein Fortschreiten der allergischen Rhinitis und des Asthmas wirksam verhindert werden kann. Dr. Christian Vogelberg
 

Die Forschenden fassten die Daten zur langfristigen Wirksamkeit einer AIT in Spritzen-, Tabletten- und Tropfenform für 4 Endpunkte zusammen und werteten sie aus: allergische Rhinitis, allergisches Asthma, Zeit bis zum Auftreten eines Asthmas und Adhärenz.

  • Im Hinblick auf das Fortschreiten der allergischen Rhinitis wurde die Anzahl der Verschreibungen zur symptomatischen Behandlung einer allergischen Rhinitis mit oder ohne allergische Konjunktivitis während der Nachbeobachtungsphase mit dem Prä-Index (vor der AIT-Anwendung) verglichen und mit einer Nicht-AIT-Gruppe, die nur eine rein symptomatische Behandlung erhalten hatte, verglichen.

  • Die AIT bremste das Fortschreiten der allergischen Rhinitis wirksamer als eine Kontrollgruppe ohne AIT, die bis zu 6 Jahre lang nur eine rein symptomatische Behandlung der allergischen Rhinitis erhalten hatte.

  • Im Hinblick auf die Entwicklung eines neuen Asthmas verglichen sie die Verschreibungen von Anti-Asthma-Medikamenten mit denen einer Kontrollgruppe ohne AIT. Wenn bereits ein Asthma vorlag, vergleichen sie die Menge und Häufigkeit der verordneten Asthmamedikamente in einer AIT-Gruppe mit den Verordnungen für Asthma-Patienten in einer Nicht-AIT-Kohorte.

  • Die Entwicklung und das Fortschreiten eines Asthmas wurden mit Blick auf die meisten Endpunkte unter den meisten Präparaten verbessert im Vergleich zu einer Nicht-AIT-Gruppe, in der lediglich die Anti-Asthma-Medikation beibehalten wurde.

  • Die Zeiträume zwischen dem Beginn einer AIT bis zum Auftreten eines Asthmas waren uneinheitlich.

Die Adhärenz zur AIT nahm zwar insgesamt innerhalb des empfohlenen 3-jährigen Behandlungszeitraumes ab, doch zeigten die meisten Studien bessere Werte bei einer subkutanen Applikation gegenüber der sublingualen Gabe.

Ergebnisse bestätigen Beobachtungen von Klinik-Allergologen

Dr. Samuel Friedlander von der Case Western Reserve University School of Medicine in Cleveland, Ohio, sagte gegenüber Medscape, dass diese Studie bestätige, was Allergologen in ihrer klinischen Praxis erlebten.

„Die Allergiespritzen verbessern die Nasen- und Augensymptome sowie das Asthma. Diese Verbesserung des Immunsystems verhindert in der Praxis auch die Entwicklung eines Asthmas“, sagte Friedlander, der nicht an der Studie beteiligt war.

 
Die Allergiespritzen verbessern die Nasen- und Augensymptome sowie das Asthma. Diese Verbesserung des Immunsystems verhindert in der Praxis auch die Entwicklung eines Asthmas. Dr. Samuel Friedlander
 

„In den USA sind Allergiespritzen am weitesten verbreitet, aber in dieser europäischen Studie war auch die sublinguale Anwendung erfolgreich“, fügte er hinzu.

Dr. Patricia Lynne Lugar, Lungen-, Allergie- und Intensivmedizinerin an der Duke University School of Medicine in Durham, North Carolina, erklärte in einer E-Mail, dass die Allergologie den Nutzen einer AIT bereits seit Jahrzehnten kenne.

Dr. Patricia Lynne Lugar

„Eine AIT kann in geschulten Händen nicht nur die Allergiesymptomatik lindern, sondern auch das Phänomen aufhalten, bei dem sich der allergische Krankheitszustand weiterentwickelt und der Körper auf eine zunehmende Zahl von Allergenen reagiert und ein Asthma entstehen lässt (atopic march)“, erklärte sie.

„Dass randomisierte, kontrollierte klinische Studien in die Studie einbezogen wurden, ist ganz klar eine Stärke der Arbeit. Andererseits ist die Verwendung allein von verschreibungspflichtigen Medikamenten als Indikator für den Symptomverlauf eine Schwäche“, bemerkte Lugar, die ebenfalls nicht an der Studie beteiligt war.

„In den USA sind die meisten Allergiemedikamente frei verkäuflich. Daher ließe sich eine ähnliche Studie in den USA zwar für Asthma, nicht aber für Allergien durchführen“, sagte sie. „Man sollte zudem daran erinnern, dass in diesen Studien nicht die Symptome der Patienten erfasst wurden, sondern nur indirekt infolge eines Rückganges der Medikation und damit der Kontrolle der Krankheit darauf geschlossen wurde.“

Zahlen für Asthma und allergische Rhinitis weltweit auf dem Vormarsch

„Die Fallzahlen für Asthma und allergische Rhinitis steigen global an. Immer mehr Menschen leiden unter diesen Erkrankungen“, warnte Lugar. „Es gibt viele Faktoren, die einen Anteil daran haben, wie z.B. der Klimawandel und die abnehmende Luftqualität infolge der Umweltverschmutzung. Es ist nicht zu erwarten, dass sich dieser Trend verlangsamt oder gar umkehrt, sondern weltweit weiter zunimmt.“

 
Die Fallzahlen für Asthma und allergische Rhinitis steigen global an. Immer mehr Menschen leiden unter diesen Erkrankungen. Dr. Patricia Lynne Lugar
 

Da immer mehr rezeptfreie Antiallergika zur Verfügung stehen, riet Lugar den Behandelnden, sich noch einmal zu verdeutlichen, dass diese Medikamente rein symptomatisch wirken.

„Um Krankheitszustände zu kontrollieren und ihre Verschlechterung zu verhindern, kann die AIT ein langanhaltendes Symptommanagement bieten und für viele Betroffenen sogar eine heilende Wirkung entfalten“, sagte sie.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

Fanden Sie unsere Informationen interessant? Dann melden Sie sich doch für einen Newsletter aus unserer Redaktion Medscape Deutschland an, damit Sie keine Nachrichten, Meinungen und andere spannende Wissensformate aus der Medizin verpassen. Hier ist der  Link  zu unseren kostenlosen Angeboten.
 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....