Neue Varianten im Anmarsch – Grund zur Sorge? EMA empfiehlt Impfung ab 6 Monate

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

20. Oktober 2022

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 20. Oktober 2022

Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 661,3 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 19. Oktober lag der Wert bei 670,5.

Unsere Themen heute:

  • Subvarianten BQ1, BQ1.1 und XBB – Grund zur Sorge?

  • EMA empfiehlt Impfung für Kinder ab 6 Monaten

  • Mehrere COVID-19-Infektionen erhöhen Schutz

  • Long-COVID: Über 5% haben dauerhaft Symptome

  • Kopfschmerzen mit höherem Überleben assoziiert

  • Schutzmaßnahmen senken Kawasaki-Inzidenz

BQ1, BQ1.1 und XBB – besteht Grund zur Sorge?

Die Omikron-Subvariante XXB treibt aktuell die Corona-Inzidenz in Singapur an und ist dort inzwischen dominant. Nach Ansicht von Experten ist XXB – die 7 Mutationen auf dem Spike-Protein aufweist – die bisher ansteckendste Variante.

Die Subvariante BQ.1.1 weist 5 neue Mutationen auf, die mit Antikörper-Escape assoziiert werden.

Die jüngsten Daten der CDC zeigen, dass BQ.1 und BQ.1.1-Subvarianten auf etwa 12% der in den USA zirkulierenden Virusstämme angewachsen sind und sich in der letzten Woche verdoppelt haben, verglichen mit nur 1% noch vor einem Monat.

„Ich denke nicht, dass wir in Panik geraten sollten, aber ich bin ein wenig besorgt“, sagt Dr. Hannah Newman, Leiterin der Infektionsprävention am Lenox Hill Hospital in New York City. „Es würde mich nicht überraschen, wenn wir mit Beginn der Atemwegssaison und angesichts des Auftretens neuer Subvarianten einen Anstieg der Infektionen erleben würden. Wir beobachten bereits einen Anstieg von COVID-19 in einigen europäischen Ländern, der zum Teil auf diese zirkulierenden Subvarianten zurückzuführen ist“, so Newman.

Das Auftreten von BQ.1 und BQ1.1 in den USA und von XBB weltweit komme nicht völlig unerwartet, sagt Dr. Amesh Adalja vom Johns Hopkins Center for Health Security in Baltimore. „Es handelt sich um ein Virus, das sich weiterentwickeln wird, um uns immer besser infizieren zu können, daher sollten diese Varianten uns nicht überraschen.“

Die XBB-Subvariante, derzeit in Singapur auf dem Vormarsch, könnte ein mahnendes Beispiel für die USA sein, sagt Dr. Eric Topol, Direktor des Scripps Research Translational Institute in La Jolla, Kalifornien, und Chefredakteur von Medscape. Bevor XBB aufkam, lag die COVID-Reinfektionsrate in Singapur bei 5 %. Jetzt liegt sie bei 17%.

„Das bedeutet, dass viele Menschen, die eine Infektion hatten, erneut betroffen sein werden", sagt Topol. Außerdem sind in Singapur 92% der Bevölkerung geimpft und die Auffrischungsrate ist doppelt so hoch wie in den USA. „Und trotzdem gibt es dort eine sehr große Welle, die größer sein wird als alles andere, außer dem ursprünglichen Omikron“, sagt er.

In Deutschland dominiert mit 96% die BA.5 (Stand 14.10 2022). Zusätzlich wurden in den letzten Wochen auch die BA.5-Sublinien BQ.1 und BQ.1.1, zwar noch selten aber zunehmend, nachgewiesen: In KW 38/2022 wurden 35 und in KW 39/2022 46 BQ.1 und BQ.1.1 Genomsequenzen in der Stichprobe an das RKI übermittelt.

Ob sich in Deutschland XXB oder BQ.1.1 durchsetzen wird, ist unklar. „In den nächsten Monaten könnte es ein enges Rennen zwischen den Sars-CoV-2 Varianten BQ.1.1 und XBB.1 geben“, twittert Prof. Dr. Moritz Gerstung, Genetiker am DKFZ.

Gerstung schreibt, dass es über die Wachstumsrate von Omikron XXB noch eine große Ungewissheit gebe. Er hält es für wahrscheinlicher, dass Omikron BQ.1.1 in Zukunft einen höheren Anteil haben wird als Omikron XXB. Bereits jetzt sei die Subvariante BQ.1.1 in Europa und Nordamerika weit verbreitet. Von Omikron XXB hingegen gibt es bisher in Europa kaum Fälle.

Wie gut wirken die neuen bivalenten mRNA-Impfstoff-Booster gegen die spezifischen Subvarianten? Newman sagt: „Eine gute Nachricht ist, dass die bivalente COVID-Auffrischung einen gewissen Schutz gegen diese Stämme bietet, und wir müssen nur noch die Ärmel hochkrempeln und sie verabreichen.“

Nach Einschätzung von Adalja wird Paxlovid weiterhin eine wichtige Rolle bei der Verhinderung schwerer COVID-Fälle spielen. Das liege daran, dass „Paxlovid auf einen ganz anderen Bereich des Virus wirkt, der sich von den Mutationen unterscheidet, die die Immunität umgehen“.

Im Gegensatz dazu deuten die bisherigen Erkenntnisse darauf hin, dass monoklonale Antikörper gegen diese neuen Subvarianten nicht wirksam sein werden. „Die Fähigkeit der neuen Varianten, monoklonale Antikörpertherapien zu umgehen, bereitet mir Sorgen, denn dadurch könnten die am stärksten gefährdeten Personen schwerere Folgen erleiden“, sagt Newman. Insbesondere der monoklonale Antikörper Bebtelovimab und die monoklonale Kombination Evusheld® könnten weniger wirksam gegen die neuen Subvarianten sein, so Adalja.

EMA empfiehlt Impfung gegen COVID-19 für Kinder ab 6 Monaten

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der europäischen Arzneimittelagentur EMA hat empfohlen, die Impfung gegen COVID-19 auf Kinder ab 6 Monaten bis 5 Jahren auszuweiten. Der CHMP empfiehlt dafür die beiden mRNA-basierten Vakzine Comirnaty® (BioNtech/Pfizer) und Spikevax® (Moderna) in einer niedrigeren Dosis. Comirnaty® und Spikevax® sind bereits für Erwachsene und Kinder im Alter von 5 bzw. 6 Jahren zugelassen.

Für Kinder ab 6 Monaten soll die Grundimmunisierung mit Comirnaty® in 3 Dosen zu je 3 µg erfolgen. Die ersten beiden Impfungen werden im Abstand von 3 Wochen verabreicht, die 3. Dosis sollte mindestens 8 Wochen nach der 2. Dosis erfolgen. Für die Grundimmunisierung mit Spikevax® sind 2 Impfungen im Abstand von 4 Wochen mit jeweils 25 µg vorgesehen. Bei Kindern in diesen Altersgruppen werden beide Impfstoffe als Injektion in die Muskeln des Oberarms oder des Oberschenkels verabreicht.

Für Comirnaty hatte eine Studie an Kindern im Alter von 6 Monaten bis 4 Jahren gezeigt, dass die Immunreaktion auf die niedrigere Dosis von Comirnaty® (3 µg) mit derjenigen vergleichbar war, die bei 16- bis 25-Jährigen mit der höheren Dosis (30 µg) beobachtet wurde.

Für Spikevax® konnte eine Studie an Kindern im Alter von 6 Monaten bis 5 Jahren zeigen, dass die Immunreaktion auf die niedrigere Dosis von Spikevax (25 µg) mit derjenigen auf die höhere Dosis (100 µg) bei 18- bis 25-Jährigen vergleichbar war. In beiden Studien wurde die durch die Impfstoffe ausgelöste Immunreaktion durch Messung der Menge an Antikörpern gegen SARS-CoV-2 bewertet.

Die häufigsten Nebenwirkungen waren mit denen vergleichbar, die in älteren Altersgruppen beobachtet wurden. Reizbarkeit, Schläfrigkeit, Appetitlosigkeit, Hautausschlag und Schmerzempfindlichkeit an der Injektionsstelle waren häufige Nebenwirkungen mit Comirnaty®, während Reizbarkeit, Weinen, Appetitlosigkeit und Schläfrigkeit häufige Nebenwirkungen bei Spikevax® waren.

Bei beiden Vakzinen waren die Nebenwirkungen in der Regel leicht oder mäßig ausgeprägt und besserten sich innerhalb weniger Tage nach der Impfung. Der CHMP kam daher zu dem Schluss, dass der Nutzen von Comirnaty® und Spikevax® bei Kindern im Alter von 6 Monaten bis 4 bzw. 5 Jahren die Risiken überwiegt.

Kein Immun-Imprinting – mehrere COVID-19-Infektionen erhöhen Schutz

Neue Erkenntnisse sprechen gegen eine Prägung nach Infektionen mit COVID-19. Personen, die doppelt infiziert wurden, waren während der BA.4/5-Welle in Katar um 50% weniger anfällig für Reinfektionen als Personen, die nur eine einzige vorherige Infektion mit Omikron BA.1/2 aufwiesen.

Das sind die Ergebnisse einer retrospektiven Kohortenstudie. Es zeigte sich, dass eine zusätzliche, frühere Infektion mit nicht-omikron Varianten von SARS-CoV-2 den Schutz gegen eine nachfolgende Omikron-Infektion verstärkt. „Dieses Ergebnis ist sehr beruhigend, da Bedenken geäußert wurden, dass die erste Exposition mit dem #SARSCoV2-Stamm die Fähigkeit, auf nachfolgende neue Stämme zu reagieren, beeinträchtigen könnte“, twittert Dr. Eric Topol dazu.

Untersucht wurde die Häufigkeit einer erneuten Infektion in einer nationalen Kohorte von Personen in Katar, die nach einer Primärinfektion mit einer Nicht-Omikron-Variante eine dokumentierte Reinfektion mit Omikron BA.1 oder BA.2 hatten (die „double-primed"-Kohorte, n = 7873), im Vergleich zur Häufigkeit der Reinfektion bei Personen, die eine dokumentierte Primärinfektion mit BA.1 oder BA.2 hatten (die „omikron-primed"-Kohorte, n = 22.349).

Während der Nachbeobachtungszeit traten in der double-primed Kohorte 63 Reinfektionen und in der omikron-primed Kohorte 343 Reinfektionen auf. Keine der Infektionen entwickelte sich zu einem schweren, kritischen oder tödlichen Verlauf. 135 Tage nach Beginn der Nachbeobachtung betrug die kumulative Inzidenz von Reinfektionen 1,1% (95%-Konfidenzintervall: 0,8–1,4) in der double-primed Kohorte und 2,1% in der omikron-primed Kohorte. Beim Vergleich der gesamten double-primed-Kohorte mit der omikron-primed-Kohorte betrug die bereinigte HR für eine Reinfektion 0,52 (95% KI: 0,40–0,68).

Long-COVID-Studie aus Schottland: Über 5% haben dauerhaft Symptome

Eine in Nature veröffentlichte Kohortenstudie zu Long-COVID aus Schottland hat gezeigt, dass über 5% der Patienten 6 bis 18 Monate nach Infektion keine Genesung und 42% nur eine teilweise Genesung und eine schlechtere Lebensqualität sowie weitreichende Beeinträchtigungen im Alltag aufwiesen.

Dr. Claire E. Hastie von der University of Glasgow und Kollegen verfolgten 33.281 Personen mit bestätigter SARS-CoV-2-Infektion und 62.957 nie infizierte Personen mittels Fragebögen nach 6, 12 und 18 Monaten nach und verknüpften die Daten mit Krankenhausaufenthalts- und Sterbedaten. Von den 31.486 Personen mit symptomatischen Infektionen hatten sich 1.856 (6%) nicht und 13.350 (42%) nur teilweise erholt.

Keine Genesung wurde mit einer Krankenhausinfektion, Alter, weiblichem Geschlecht, Deprivation, Atemwegserkrankungen, Depression und Multimorbidität in Verbindung gebracht. 

Eine frühere symptomatische Infektion war mit einer schlechteren Lebensqualität, einer Beeinträchtigung bei allen täglichen Aktivitäten und 24 anhaltenden Symptomen verbunden, darunter Atemnot (Odds Ratio: 3,43; 95%-KI: 3,29-3,58), Herzklopfen (OR 2,51; 95%-KI: 2,36-2,66), Brustschmerzen (OR: 2,09; 95%-KI:1,96-2,23) und Verwirrung (OR: 2,92; 95%-KI: 2,78-3,07).

Eine asymptomatische Infektion war nicht mit nachteiligen Folgen verbunden. Die Impfung war mit einem geringeren Risiko für 7 Symptome verbunden.

„Erneut zeigt eine gut gemachte große Studie, dass über 5% der COVID-19-Patienten dauerhafte Symptome haben, die sie stark schwächen. Dieses Risiko wird sich auf unseren Arbeitsmarkt und die Kosten des Gesundheitssystems auswirken. Spezialambulanzen und Forschung werden wir ausbauen“, twittert Gesundheitsminister Karl Lauterbach.

Schwer erkrankt: Kopfschmerzen mit höherem Überleben assoziiert

Kopfschmerzen als Symptom von COVID-19 könnten dazu beitragen, die Überlebenschancen von schwer erkrankten Patienten zu prognostizieren – so eine kürzlich in der Zeitschrift Headache veröffentlichte Metaanalyse.

Dr. Víctor J. Gallardo vom Vall d'Hebron Research Institute der Universitat Autònoma de Barcelona und Kollegen analysierten 48 Studien mit 43.169 stationären COVID-19-Patienten. Davon überlebten 35.132 Patienten (81,4%), während 8.037 Patienten (18,6%) an COVID-19 starben.

Die Forscher fanden heraus, dass stationäre Patienten mit COVID-19 und Kopfschmerzsymptomen eine signifikant höhere Überlebensrate aufwiesen als stationäre Patienten mit COVID-19 ohne Kopfschmerzsymptome (Risikoverhältnis: 1,90; 95%-KI: 1,46-2,47; p < 0,0001). Die gepoolte Gesamtprävalenz von Kopfschmerzen als COVID-19-Symptom lag bei 10,4% der stationären Patienten.

Andere COVID-19-Symptome, die zu einer verbesserten Überlebensrate führten, waren Anosmie, Myalgie sowie Übelkeit oder Erbrechen, während Symptome wie Dyspnoe, Diabetes, chronische Lebererkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen und chronische Nierenerkrankungen eher das Risiko erhöhten, an COVID-19 zu sterben.

Schutzmaßnahmen gegen COVID-19 senken Kawasaki-Inzidenz

Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie haben offenbar die Inzidenz des Kawasaki-Syndroms in Japan gesenkt. Das zeigen die Ergebnisse einer Kohortenstudie aus Japan, in der die Inzidenz des Kawasaki-Syndroms vor der Pandemie und die Inzidenz im ersten Jahr der Pandemie verglichen wurde.

Dr. Ryusuke Ae von der Jichi Medical University in Tochigi, Japan, und Kollegen schlossen 28.520 Patienten (16.236 Jungen, 56,9%, medianes Alter 26 Monate) in ihre Studie ein. Die Ergebnisse zeigen, dass 2019 bei 17.347 Patienten ein Kawasaki-Syndrom diagnostiziert wurde, im Jahr 2020 bei 11.173 Patienten. Das entspricht einem Rückgang um 35,6% gegenüber dem Vorjahr. Der Anteil der Patienten, bei denen ein Kawasaki-Syndrom diagnostiziert wurde und die jünger als 12 Monate waren, war im Jahr 2020 deutlich höher als im Jahr 2019 (21,6% gegenüber 19,4%; p < 0,001).

Dabei war die Verteilung der Krankheitstage beim ersten Krankenhausbesuch 2019 und 2020 fast identisch. Das deutet daraufhin, dass der Rückgang der Inzidenz wahrscheinlich nicht mit pandemiebedingten Verzögerungen bei der Inanspruchnahme der Behandlung zusammenhängt. Die Autoren, schreiben, dass die Studienergebnisse die Hypothese einer Pathogenese stützen, die eine Übertragung des Kawasaki-Syndrom unter Kindern, insbesondere unter älteren Kindern, beinhaltet.

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