Intraorale Infektionen einschließlich retro- und parapharyngealer Abszesse stellen eine potenziell lebensbedrohliche Situation mit schwierigen Atemwegen dar. Die unmittelbare Nähe zu den oberen Atemwegen und das Potenzial für eine rasche Progredienz (selbst bei geringem Ödem oder nur leichter Deviation) können zu einer nahezu vollständigen oder kompletten Obstruktion führen, die eine sofortige Intervention und Atemwegssicherung erfordert.
Im Idealfall sollte die Anästhesie im OP einen endo- oder nasotrachealen Atemweg einrichten, wobei der HNO- oder der chirurgische Dienst sofort hinzugezogen werden, falls eine chirurgische Atemwegsanlage nötig wird. Wenn diese Dienste nicht sofort verfügbar sind, sollte eine Intubation im Wachzustand versucht werden. Darüber hinaus sollten Ärzte angesichts des unsicheren Zustandes der Betroffenen und der Möglichkeit einer raschen Progression (wie in diesem Fall) die Atemwege lieber früher als später sichern. Der betroffenen Person sollte das Nutzen-Risiko-Verhältnis einer frühzeitigen Intubation gegenüber den potenziellen Risiken eines späteren Notfalleingriffs im Falle einer Dekompensation erläutert werden.
Es gibt verschiedene Medikamente, mit denen sich die Atemwegskontrolle optimieren lässt, die endo- oder nasotracheal oder auf andere Weise gegeben werden. Das Ziel ist immer der First-Pass-Erfolg. Die besten Voraussetzungen für einen optimalen Erfolg bietet eine angemessene Sedierung der Person bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Atemarbeit und Hämodynamik. Der beste Ansatz ist die Erzeugung einer dissoziativen Anästhesie, d.h. einer kombinierten narkotischen und analgetischen Wirkung. Dies kann etwa durch Ketamin und Etomidat erreicht werden. Der Patient ist wie abgetrennt von seiner Umwelt und schläft oberflächlich, wobei gleichzeitig die respiratorischen und kardiopulmonalen Parameter stabil bleiben. Hinzu kommt der Einsatz von unterstützenden und lokalen Mitteln. Benzodiazepine, Fentanyl und Dexmedetomidin können ebenfalls eingesetzt werden, um eine angemessene Entspannung des Patienten zu ermöglichen. Dies muss allerdings mit großer Vorsicht erfolgen, da sie auch den Atemantrieb beeinträchtigen und den Blutdruck und die Herzfrequenz erhöhen können.
Anästhetika sind eine wichtige und oft nicht ausreichend genutzte Medikamentenklasse, die ebenfalls zur Maximierung des First-Pass-Erfolgs beitragen kann. Es stehen mehrere Verabreichungswege zur Verfügung, wie z.B.:
topisch (in den hinteren Oropharynx und/oder die Nasenlöcher)
vernebelte/zerstäubte Form
lokale Nervenblockaden (z.B. Glossopharyngeus, oberer Kehlkopf, rezidivierende Kehlkopfnerven).
Allein oder in Kombination helfen diese Maßnahmen dabei, die Intubation besser zu tolerieren. Schließlich gibt es bei Bedarf weitere Hilfsmittel für die Intubation. So helfen etwa Antisialagoga (z.B. Glycopyrrolat oder Atropin) gegen Hypersalivation und erlauben eine bessere Visualisierung. Kortikosteroide wie Dexamethason können das Atemwegsödem verringern.
Muskelrelaxantien sollten allenfalls mit großer Vorsicht eingesetzt werden, da ein ödematöser, funktionsgestörter Atemweg, der zusätzlich kollabiert, katastrophale Folgen haben kann. Wie bei allen Medikamenten muss sich die anwendende Person mit den im Einzelfall geeigneten Dosierungen befassen, die vom Grad der erforderlichen Sedierung, den möglichen Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoffen sowie von der Diagnose und den Grunderkrankungen der betroffenen Person abhängen.
Es stehen zahlreiche Methoden zur Verfügung, wie z.B. die direkte Laryngoskopie, die Glasfaseroptik und die Intubationsbronchoskopie. Man sollte sich für die Methode entscheiden, mit der man sich am wohlsten und am sichersten fühlt und sich über deren Verfügbarkeit informieren. Für den Fall, dass eine betroffene Person dekompensiert und es zu der gefährlichen Situation „keine Sauerstoffzufuhr, keine Beatmung, keine Intubation“ kommt, muss ein sofortiges chirurgisches Eingreifen möglich sein.
Bei dem Patienten in diesem Fall entschied man sich nach der HNO- und Anästhesie-Konsultation noch in der Notaufnahme zur Wachintubation durch die diensthabende Anästhesistin mithilfe der endotrachealen fiberoptischen Laryngoskopie. Dabei kam medikamentös eine Kombination aus racemisiertem Epinephrin, Dexamethason und Lidocain, lokalem Lidocain für den hinteren Oropharynx und einer kleinen Menge Midazolam mit Fentanyl zur Sedierung zur Anwendung.
Wenn die Atemwege gesichert sind, muss umgehend eine empirische Antibiotikatherapie eingeleitet werden. Infrage kommen Betalaktame, Fluorchinolone, Makrolide, Tetrazykline und Aminoglykoside. In jüngster Zeit sind jedoch mehrere Betalaktam-resistente Stämme aufgetaucht. Dafür stehen mehrere alternative Wirkstoffe zur Verfügung [9]. Bei schweren Verläufen, wie hier, wird natürlich die i.v.-Gabe bevorzugt.
H. influenzae ist besonders empfindlich gegenüber Cephalosporinen der dritten Generation. In Extremfällen, wie etwa bei Mehrfachallergien oder Nichtverfügbarkeit der genannten Antibiotika, kann Chloramphenicol in Betracht gezogen werden. Angesichts seines erheblichen Nebenwirkungsspektrums ist jedoch besondere Vorsicht angebracht. Steroide können ebenfalls gegeben werden. Sie können zwar die Entzündungsreaktionen des Körpers verstärken, haben sich aber dennoch als nützlich erwiesen und die Morbidität und Mortalität verbessert. Wenn sich ein Abszess entwickelt hat, bleiben die Inzision und die Drainage als Standardbehandlung. Im vorliegenden Fall drainierte der HNO-Arzt intraoperativ die Flüssigkeitsansammlung, doch es gab nur einen geringfügigen Abfluss.
Medscape © 2022 WebMD, LLC
Die dargestellte Meinung entspricht der des Autors und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten von WebMD oder Medscape wider.
Diesen Artikel so zitieren: Fall: Mundgeruch, Dyspnoe und Dysphagie können Hinweise auf bedrohliche Erkrankungen liefern – Ihr Verdacht? - Medscape - 27. Okt 2022.
Kommentar