Rund 8% der Bevölkerung in Deutschland leiden an chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD). Obwohl die Inzidenz weltweit zunimmt, gibt es seit Jahrzehnten keine nennenswerten Fortschritte in Diagnostik und Therapie. Ein unlängst in Lancet veröffentlichtes Positionspapier – zusammengestellt von internationalen COPD-Spezialistinnen und Spezialisten – will das ändern und liefert Vorschläge und Handlungsempfehlungen [1].
„Schon der Titel 'Elimination der COPD' weist darauf hin, dass es sich um ein ambitioniertes und forderndes Papier handelt. Es ist ein Aufruf und will zum Diskurs anregen“, kommentiert Prof. Dr. Wolfram Windisch, Chefarzt der Lungenklinik Köln-Merheim und stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) gegenüber Medscape die Publikation.
COPD ist eine enorme globale Gesundheitsbelastung: „Das ist ein Alarmsignal, wir müssen etwas tun. Es braucht ein Umdenken. Eine COPD muss früher diagnostiziert werden, bevor die Lunge endgültig geschädigt ist und wir müssen personalisierter behandeln. Denn COPD wäre in vielen Fällen vermeidbar“, sagt Windisch. Dazu braucht es aber auch - unterstützt er die Forderung der Autoren – höhere Investitionen in die COPD-Forschung.
Klassifizierung von 5 COPD-Typen
„COPD wird von vielen Menschen sehr stark mit Tabakrauchen assoziiert. Das ist auch ein wesentlicher Risikofaktor, aber es gibt eben auch nennenswerte andere Faktoren, die wir genau beobachten müssen. Deswegen haben wir eine neue Klassifizierung von 5 COPD-Typen entwickelt“, erklärt Prof. Dr. Daiana Stolz, Erstautorin des Positionspapiers und Ärztliche Direktorin der Klinik für Pneumologie des Universitätsklinikums Freiburg in einer Pressemitteilung der DGP [2].
Die Verfasser des Positionspapiers unterteilen COPD in diese 5 Typen:
genetische Risikofaktoren
Risikofaktoren aufgrund von frühkindlichen Ereignissen, wie zum Beispiel Frühgeburt
erhöhtes Risiko aufgrund von durchgemachten Infektionen
den Risikofaktor Rauchen
Umweltfaktoren, die das COPD-Risiko erhöhen – wie z.B. Luftverschmutzung
Die Neudefinition der COPD in die verschiedenen Krankheitstypen hält Windisch für einen notwendigen Schritt: „Bislang nehmen wir keine Rücksicht auf die unterschiedliche Genese der COPD.“ Damit sich aber tatsächlich etwas ändern kann, müssen Risikofaktoren wie Luftverschmutzung, vorgeburtliche Belastungen und frühkindliche Infektionen stärker berücksichtigt werden. Denn: „Je früher eine COPD erkannt wird, desto größer ist die Chance, eine Verschlechterung aufzuhalten.“
Dabei können Patienten auch mehreren Risikofaktoren gleichzeitig ausgesetzt sein – z.B. rauchen sie und haben eine genetische Prädisposition – was die Lungengesundheit noch mehr schädigen kann. In Abhängigkeit von diesen jeweiligen Risikofaktoren gilt es dann, auch die individuelle COPD-Therapie zu finden.
Empfindlichere Diagnostik-Tools sind nötig
„Seit Jahrzehnten beruht die COPD-Diagnostik fast ausschließlich auf der Spirometrie. Das Problem ist, dass dieser Lungenfunktionstest frühe COPD-Stadien nicht zuverlässig erkennen kann, sondern nur fortgeschrittene – und damit irreversible – Krankheitsstadien“, so Stolz. Die Autoren des Positionspapiers plädieren daher unter anderem für sensitivere Lungenfunktionstests, die Berücksichtigung von individuellen Risikofaktoren in der Anamnese und auch unterstützende bildgebende Verfahren in der Diagnostik.
Was die akute Verschlimmerung einer COPD, die sogenannte Exazerbation, angeht, schlagen die Experten eine neue Definition vor. Anhand von objektiven, messbaren Kriterien, wie zum Beispiel bestimmten Entzündungen, ließen sich Patienten viel gezielter behandeln als aktuell.
„COPD ist eine globale Erkrankung, die auch mit Armut korreliert: Länder mit geringerem Einkommen haben auch mehr Fälle. Deswegen sollten alle Gesellschaftsschichten Zugang zu Diagnostik und Behandlung haben“, fordert Stolz. Die Vision, COPD langfristig zu eliminieren, bedarf einer weltweiten Kraftanstrengung, bei der alle Beteiligten konsequent und koordiniert zusammenarbeiten müssen – nicht nur medizinische Fachkräfte, sondern auch staatliche Behörden, die Privatwirtschaft und die breite Öffentlichkeit.
In Deutschland ist Rauchen der Hauptrisikofaktor für COPD
Während in Deutschland 90% der COPD-Fälle durch Rauchen ausgelöst werden, spielen in anderen Ländern Umwelttoxine eine viel größere Rolle, etwa weil am offenen Feuer gekocht und geheizt werden muss. „Vor allem für die weltweite Betrachtung gilt – COPD ist häufig eine Erkrankung von armen Menschen, von benachteiligten und von vulnerablen Gruppen“, präzisiert Windisch. „Ein großer Risikofaktor für die Entwicklung einer späteren COPD sind beispielsweise Frühgeburten, die in armen Ländern deutlich verbreiteter sind als in hochindustrialisierten Ländern“.
Doch auch in Deutschland ist im Hinblick auf die Prävention noch einiges zu tun, erinnert Windisch. „Es gibt noch immer kein Tabakwerbeverbot. Dabei sterben jedes Jahr zwischen 130.000 und 140.000 Menschen an den Folgen des Rauchens.“ Man solle sich auch nicht der Illusion hingeben, eine Zigarette am Tag schade nicht. Jede Zigarette erhöhe das Gesundheitsrisiko. Nicht nachzuvollziehen ist aus seiner Sicht, dass die Kassen eine strukturierte Rauchentwöhnung nicht finanzieren. „Dabei wäre ein präventiver Ansatz so wichtig.“
Das Paper dürfte sich zukünftig auf die Leitlinien zur COPD-Therapie auswirken. „Zu COPD eine neue Perspektive einzunehmen, das ist ein Aufruf an die Wissenschaft. Das wird die Empfehlungen in den Leitlinien auch verändern“, meint Windisch.
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Credits:
Photographer: © Tom Wang
Lead image: Dreamstime.com
Medscape Nachrichten © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Die 5 Typen der COPD und wie sie behandelt werden sollten: So wollen Experten Diagnostik und Therapie endlich voranbringen - Medscape - 14. Okt 2022.
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