Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.
Update vom 13. Oktober 2022
Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, 793,8 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 12. Oktober lag der Wert bei 799,9.
Unsere Themen heute:
Steigende Inzidenz: Krankenhausgesellschaft warnt vor Überlastung
Intranasaler Impfstoff überzeugt in Phase-1-Studie nicht
Marburger Bund für FFP-2-Pflicht in ÖPNV und öffentlichen Innenräumen
Belastungen durch Long-COVID: WHO-Generaldirektor fordert Maßnahmen
Psychische Gesundheit seit Pandemie verschlechtert
Steigende Inzidenz: Krankenhausgesellschaft warnt vor Überlastung
Vor einer Überlastung der Kliniken warnt die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG): „Wir haben erhebliche Zuwächse bei den COVID-positiven Patienten. Im Vergleich zur Vorwoche ist die Belegung um 50 Prozent gestiegen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Mit rund 19.000 positiv getesteten Patienten liege man aktuell so hoch wie zu Spitzenzeiten der Sommerwelle. „Wir laufen flächendeckend und nicht nur in Süddeutschland auf extrem schwierige Wochen zu“, so Gaß.
Er erinnerte auch daran, dass die deutliche Zunahme von COVID-positiven Patienten für die Kliniken „einen erhöhten Infektionsschutz und somit Mehrarbeit, also wieder eine höhere Belastung für das Personal“, bedeute. Gaß spricht von einem „verheerenden Dreiklang“ aus durch Corona und durch andere Atemwegserkrankungen bedingte Personalausfälle, wirtschaftlichem Druck durch die Inflation und Bürokratie. Alles zusammen werde dazu führen, dass Krankenhäuser Leistungen verschieben und Abteilungen zeitweise abmelden müssten.
Gaß rechnet nicht damit, dass sich die Personalsituation durch den angepassten Corona-Impfstoff entspannt, da dieser „vor allem vor schweren Verläufen, nicht aber vor einer Infektion“ schütze.
Intranasaler Impfstoff überzeugt in Phase-1-Studie nicht
Erste Ergebnisse mit dem intranasalen Impfstoffkandidaten von AstraZeneca konnten nicht überzeugen: In einer Phase-1-Studie zeigte der intranasal applizierte Vektorimpfstoff Vaxzevria in verschiedenen Dosierungen nur eine geringe Wirksamkeit. Weder die mukosale noch die systemische Immunantwort reichten aus, um effektiv vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu schützen. In der Studie wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit an 42 gesunden Erwachsenen untersucht.
30 der Probanden waren bislang noch nicht gegen COVID-19 geimpft und erhielten das Vakzin in unterschiedlichen Dosen: 5×109 Viruspartikel (n = 6), 2 × 1010 (n = 12) und 5x 1010 (n = 12). Bei 14 Probanden erfolgte eine 2. intranasale Impfung 28 Tage später. Weitere 12 Personen erhielten zwischen den Tagen 22 und 46 eine intramuskuläre Impfung mit einem mRNA-Vakzin.
In 2 weiteren Gruppen wurden 12 Menschen eingeschlossen, die zuvor 2 Dosen von Vaxzevria (n = 6) oder des mRNA-Impfstoffs Comirnaty (BioNTech/Pfizer, (n = 6) intramuskulär verabreicht bekommen hatten. Die 2. Impfung lag im Median 142 bzw. 109 Tage zurück. Um die Wirksamkeit des intranasalen Vakzins als Booster evaluieren zu können, erhielten sie diesen einmalig.
Lokale und systemische Impfreaktionen waren sowohl nach der 1. als auch der 2. nasalen Impfung meistens mild bis moderat. Antigenspezifische mukosale Antikörperreaktionen auf die intranasale Impfung waren nur bei wenigen Teilnehmern nachweisbar und überstiegen selten die nach einer SARS-CoV-2-Infektion beobachteten Werte.
Die systemischen Reaktionen auf die intranasale Impfung waren in der Regel schwächer als nach der intramuskulären Impfung mit Vaxzevria. Antigenspezifische Schleimhaut-Antikörper waren bei den Teilnehmern nachweisbar, die nach der intranasalen Impfung einen intramuskulären mRNA-Impfstoff erhielten. 7 Teilnehmer entwickelten eine symptomatische SARS-CoV-2-Infektion.
Der Impfstoffkandidat zeigte zwar ein akzeptables Verträglichkeitsprofil, löste aber weder eine konsistente mukosale Antikörperreaktion noch eine starke systemische Reaktion aus.
Marburger Bund für FFP-2-Pflicht in ÖPNV und öffentlichen Innenräumen
Vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen fordert der Marburger Bund die Länder zu raschem Handeln auf und rät zum Tragen von FFP2-Masken im ÖPNV und in öffentlichen Innenräumen. „Überall dort, wo die Inzidenzen jetzt durch die Decke gehen, müssen die Länder mit einer FFP2-Maskenpflicht im ÖPNV und in öffentlich zugänglichen Innenräumen reagieren“, sagte Dr. Susanne Johna, Vorsitzende des Marburger Bundes, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Länder müssten „auf der Basis eines verlässlichen Echtzeit-Monitorings entscheiden, wie das Infektionsgeschehen besser eingedämmt werden kann, um die Krankenhäuser nicht zu überlasten“.
Mit Blick auf die Situation in den Kliniken sagte Johna: „Das Personal geht jetzt schon wieder auf dem Zahnfleisch, ich mag mir nicht ausmalen, wie die Situation ist, wenn der Belegungsdruck auch durch viele COVID-19-Fälle weiter zunimmt oder sich gar eine zusätzliche Influenzawelle aufbaut.“
Belastungen durch Long-COVID: WHO-Generaldirektor fordert Maßnahmen
In einem Gastbeitrag im Guardian fordert WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, die Auswirkungen von Long-COVID nicht länger zu unterschätzen. „Aus all den Gesprächen, die die WHO mit Betroffenen, Betreuern und Experten geführt hat, geht eindeutig hervor, dass Long-COVID das Leben und die Lebensgrundlage der Menschen zerstört“, schreibt Tedros. Aktuelle Schätzungen gingen davon aus, dass mehrere 10 Millionen Menschen an Long-COVID erkrankt sind. Die Auswirkungen von Long-COVID seien für alle Länder sehr ernst und erforderten sofortige und nachhaltige Maßnahmen:
Patientengruppen, Forschern, Ärzten und Pflegern, die mit Long-COVID zu tun hätten, müsse zugehört werden. Behörden und Regierungen sollten dieses Wissen aus erster Hand nutzen, um Maßnahmen für eine schnelle Diagnose und Behandlung zu entwickeln. Von entscheidender Bedeutung sei auch, dass Ärzte und Pflegekräfte vermitteln, dass der Weg zur Genesung zwar lang und manchmal frustrierend sein kann, die Menschen aber wieder gesund werden.
Die beste Möglichkeit, Long-COVID zu verhindern, besteht darin, eine Infektion zu vermeiden. Der Schweregrad der Erkrankung lasse sich durch einen gerechten Zugang zu Tests, Therapien und Impfstoffen verringern. Während in Ländern mit hohem Einkommen fast 70% der Menschen einen Impfstoff erhalten haben, sind in Ländern mit niedrigem Einkommen nur 22% geimpft. Diese Ungleichheit mache Millionen Menschen anfällig für Infektionen, was zu einem Anstieg der Zahl von Long-COVID-Patienten führen werde.
Notwendig ist eine systematische Datenerhebung über Patienten mit Long-COVID. Derzeit stammen die meisten Daten aus Ländern mit hohem Einkommen, so dass die Auswirkungen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen nicht gesehen werden. Die Unkenntnis über das tatsächliche Ausmaß erschwere angemessene Reaktionen, das Verständnis von Long-COVID und die bestmögliche Behandlung. Die WHO verfügt über eine klinische Datenplattform, die anonymisierte Informationen über Patienten mit Long-COVID sammelt. Tedros fordert die Länder dringend dazu auf, Daten auszutauschen, um Wissenslücken schnell zu schließen.
Um Long-COVID besser zu verstehen und bessere Behandlungen zu entwickeln, müsse nachhaltig investiert werden. Die WHO werde die Leitlinien für das klinische Management von Long-COVID, die auch Empfehlungen für die Rehabilitation enthalten, weiter aktualisieren, um so weltweit Zugang zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen bereitzustellen.
Eine multidisziplinäre Versorgung von Long-COVID-Patienten muss in die Gesundheitssysteme integriert werden. Dazu gehört unter anderem Gesundheits- und Pflegepersonal mit Fachkenntnissen in den Bereichen Neurologie, Rehabilitation, Psychologie, Sprachtherapie und Atemtherapie. Eine verzögerte klinische Versorgung von Patienten mit Long-COVID habe nicht nur Auswirkungen auf ihre Lebensqualität, sondern auch auf die Dauer der Symptome.
Psychische Gesundheit seit Pandemie verschlechtert
Im Verlauf der COVID-19-Pandemie hat sich die psychische Gesundheit der Menschen in Deutschland deutlich verschlechtert. Das zeigen erste Ergebnisse einer Studie des Robert Koch-Instituts (RKI), die jetzt als Preprint veröffentlicht wurde. Wissenschaftler des RKI analysierten dazu repräsentative Daten aus Telefoninterviews mit monatlich ca. 1.000 Erwachsenen (2019-2021) und aktuell mit monatlich ca. 3.000 Erwachsenen (2022).
Wie die Ergebnisse zeigen, haben Depressionen und Ängste seit Ende 2020 deutlich zugenommen, das gilt auch für die von den Befragten selbsteingeschätzte psychische Gesundheit. Besonders betroffen waren Frauen, junge Erwachsene und Ältere über 65 Jahren.
Zunächst waren depressive Symptome zu Beginn der ersten COVID-19-Welle und im Sommer 2020 gegenüber demselben Zeitraum 2019 zurückgegangen. Ab Herbst 2020 bis Frühjahr 2021 und von Ende 2021 bis Frühjahr 2022 nahmen sie deutlich zu. Die Belastung durch depressive Symptome lag zwischen März und September 2019 bei 11% der Bevölkerung, zwischen März und September 2020 sank sie auf 9%. Im gleichen Zeitraum 2021 stieg die Belastung auf 13% und im März bis Juni dieses Jahres auf 17%.
Auch Angstsymptome nahmen zu: Im Zeitraum März bis September 2021 gaben 7% der Bevölkerung eine auffällige Belastung durch Angstsymptome an, im Zeitraum März bis Juni 2022 waren es 11%. Zeitgleich sank der Anteil derjenigen, die ihre allgemeine psychische Gesundheit als „sehr gut“ oder „ausgezeichnet“ einschätzen, von 44% auf 40%. Diese Entwicklungen zeigen den Bedarf nach weiterer Beobachtung, auch um eine mögliche Reversibilität der Trends einschätzen zu können. „Durch die RKI-Daten lassen sich Trends frühzeitig erkennen und Handlungsbedarf für Forschung, Praxis und Politik identifizieren“, sagt RKI-Präsident Prof. Dr. Lothar Wieler in einer Pressemitteilung des RKI.
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Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: DKG warnt vor Klinik-Überlastungen; intranasale Vakzine floppt in Phase 1; MB für FFP-2-Pflicht in ÖPNV und Innenräumen - Medscape - 13. Okt 2022.
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