Neues Gesetz will Praxis-IT-Hersteller an die Kandare nehmen – und bestimmte Gebühren verbieten

Christian Beneker

Interessenkonflikte

12. Oktober 2022

Der Kabinettsentwurf des Krankenhauspflege-Entlastungsgesetzes (KHPflEG) hat es in sich: Es regelt eine Reihe von Bestimmungen zur Praxis-IT. Praxis-Chefinnen und -Chefs dürften über die Neurungen erleichtert sein – denn der Entwurf könnte den Stress und manches ständige Ärgernis mit der Praxis-IT beenden. So will es der Gesetzgeber den Herstellern von Praxisverwaltungssystemen verbieten, bestimmte zusätzliche Gebühren zu erheben. Die Hersteller wehren sich.

Hintergrund der geplanten Neuregelung sind zum Beispiel die Gebühren, die die Praxen an manche Hersteller zahlen müssen, wenn die Ärzte etwa den Anbieter ihres Praxisverwaltungssystems (PVS) wechseln wollen, oder Schnittstellengebühren, die je nach Hersteller sehr unterschiedlich hoch sind. Zum Teil belaufen sich die Zahlungen, die die Niedergelassenen entrichten müssen, auf 20 oder 40 Euro pro Quartal oder gar pro Monat.

Bei manchem Hersteller werden nur einmal Gebühren fällig, wenn 3 Ärzte in einer Praxis sich an die Telematik-Infrastruktur anbinden wollen. Andere Anbieter erheben in so einem Fall für jeden Arzt einzeln eine Gebühr.

Schnittstellengebühren machen den Niedergelassenen das Leben schwer

Dies stehe im Gegensatz zur Absicht des Gesetzgebers, eine möglichst hohe Interoperabilität zu gewährleisten. „Hierdurch soll trotz der heterogenen Anbieterstruktur von Komponenten und Diensten über verbindliche technische Normen ein funktionierendes Gesamtsystem erreicht werden“, heißt es in dem Kabinettsentwurf.

Es zeige sich aber bei den Anbietern die Tendenz, „ihre eigenen Systeme geschlossen zu halten“ und nur mit bestimmten anderen Anbietern zusammenzuarbeiten und andere auszuschließen, so das Gesetz. Hinzu kämen oft hohe Wartungs- und einmalige Anschlussgebühren.

In der Folge hätten Leistungserbringer „kaum die Möglichkeit, Primärsysteme sowie Komponenten und Dienste von unterschiedlichen Herstellern nach eigenen Entscheidungsmaßstäben und Bedürfnissen frei miteinander zu kombinieren“, so der Gesetzestext zu den neu eingeführten Paragrafen 332 a-c SGBV.

Die Praxis-Chefinnen und -Chefs würden so in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt, wenn sie etwa die Produkte verschiedener Anbieter kombinieren wollen. Dadurch würde die Einführung der Telematik-Infrastruktur (TI) in den Praxen verzögert. Mehr noch: Die Praxen könnten somit die gesetzlichen Fristen etwa bei der elektronischen Patientenakte (ePA) oder der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) reißen und „ihren gesetzlichen Vorgaben unverschuldet nicht nachkommen“, heißt es in den Erläuterungen zu dem Gesetz.

Die Folge wären Strafzahlungen. Deshalb verpflichtet das Gesetz die Hersteller von Primärsystemen, „Dienste und Komponenten aller Hersteller“ in ihr System mit einzubeziehen, ohne dafür Gebühren zu erheben. 

Außerdem will das Gesetz die Verhandlungsmacht der Niedergelassenen stärken, indem es der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ermöglicht, mit den Herstellern Rahmenvorgaben für die Verträge mit der Industrie zu vereinbaren. Bisher steht hier jede Praxis, die ihr Praxisverwaltungssystem wechseln will, allein auf weiter Flur und muss sich mit zum Teil überlangen Kündigungsfristen der Hersteller abfinden, was erneut zu „nicht hinnehmbaren Verzögerungen bei der digitalen Transformation“ in den Praxen führe, heißt es in den Erklärungen zum KHPflEG.

Industrie sieht verfassungsrechtliche Probleme

Kritik an dem Entwurf kommt vom Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg). Komponenten anderer Anbieter ohne weitere Gebühren einzubinden, „halten wir für höchst bedenklich, da de facto ein Verbot von Berechnung erbrachter Leistungen vorgesehen wird“, so der bvitg in einer Stellungnahme. Die Regelung greife damit in den Markt ein und gefährde den Bestand vieler Unternehmen.

Für „verfassungsrechtlich hoch bedenklich“ hält der Verband die gesetzliche Erlaubnis, dass die KBV Rahmenerträge abschließen kann. „Rahmenverträge durch Körperschaften des öffentlichen Rechts und (teil)staatliche Institutionen“ führten unweigerlich zu „Wettbewerbsverzerrung und Kartellbildung“, so der bvitg. „Hier werden die wirtschaftlichen Interessen einer (teil-)staatlichen Institution etabliert und führen zu einer willkürlichen staatlichen Kontrolle des freien Marktes.“

Weitere Neuerungen des Gesetzentwurfes

Das KHPflEG umfasst neben den Regeln zur Praxis-IT auch andere weitreichende Neuerungen. Es gibt dem Bundesfinanzminister das Recht, am Bundesrat vorbei per Verordnung direkt in die Personalausstattung von Krankenhäusern einzugreifen. Auch sollen die regionalen Budgetverhandlungen der Krankenhäuser gestrafft werden, um den Verhandlungsstau aufzulösen. Außerdem sollen die Prüfungen der Krankenhausabrechnungen erleichtert werden.

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