Tschüss Globuli! Lauterbach will Homöopathie als Satzungsleistung auf den Prüfstand stellen – Widerstand formiert sich

Christian Beneker

Interessenkonflikte

12. Oktober 2022

Dieses Thema hat das Zeug zum Grabenkampf: die Erstattungsfähigkeit der Homöopathie durch die Krankenkassen. Aktuell hat Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) in einem Interview mit dem Spiegel angekündigt, die Homöopathie als Satzungsleistung auf den Prüfstand zu stellen. „Obwohl die Homöopathie vom Ausgabenvolumen nicht bedeutsam ist, hat sie in einer wissenschaftsbasierten Gesundheitspolitik keinen Platz“, sagte der Minister dem Spiegel. „Deshalb werden wir prüfen, ob die Homöopathie als Satzungsleistung gestrichen werden kann.“

Seit 2004 werden alle nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel und damit auch Homöopathika nicht mehr von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstattet. 2012 wurde den Krankenkassen jedoch ein Erstattungsweg eröffnet: Sie können auf dem Wege der sogenannten Satzungsleistungen selbst entscheiden, ob sie die homöopathischen Konsultationen und Präparate erstatten.

 
Obwohl die Homöopathie vom Ausgabenvolumen nicht bedeutsam ist, hat sie in einer wissenschaftsbasierten Gesundheitspolitik keinen Platz. Prof. Dr. Karl Lauterbach
 

Seither ist die Erstattung von homöopathischen Arzneimitteln und Behandlungen zum Marketing-Instrument der Krankenkassen geworden. Eine vom Bundesverband pharmazeutischer Industrie (bpi) 2017 in Auftrag gegebene Forsa-Studie zeigt, dass die Bevölkerung offenbar hinter Globuli und Co. stehen: „Über 70% der Versicherten finden es wichtig, dass Krankenkassen die Kosten für ausgewählte Leistungen aus dem Bereich der homöopathischen Medizin erstatten“, so der bpi.

Tatsächlich werden Homöopathika aber vergleichsweise selten durch die Krankenkassen erstattet, wahrscheinlich auch wegen der Corona-Pandemie. Nach Angaben des bpi sank die Nachfrage sogar: 2019 gaben die Kassen noch 9 Millionen Euro für homöopathische Arzneimittel aus, 2020 waren es nur noch 6,7 Millionen Euro. Verglichen mit den GKV-Gesamt-Jahresausgaben für Arzneimittel im Jahr 2020 in Höhe von 40,9 Milliarden Euro ist das nichts. Trotzdem will Lauterbach den Kassen das Instrument der Satzungsleistungen aus der Hand nehmen.

126. Ärztetag: Zusatzbezeichnung Homöopathie gestrichen

Damit segelt der Bundesgesundheitsminister ganz den Kurs des 126. Deutschen Ärztetages 2022 in Bremen: Die Delegierten beschlossen im Mai dieses Jahres, die Zusatzbezeichnung Homöopathie aus der Muster-Weiterbildungsordnung zu streichen ( Medscape berichtete). Der Grund: Es fehle der Homöopathie an wissenschaftlicher Evidenz. Der Präsident der Bremer Ärztekammer, Dr. Johannes Grundmann, wies in der Debatte in Bremen darauf hin, dass es nicht darum gehe, Menschen zu verbieten, homöopathische Mittel einzusetzen. „Es ist aber Aufgabe der Ärztekammern, definierte und überprüfbare Lernziele festzulegen und abzuprüfen“, sagte Grundmann.

 
Wenn die Muster-Weiterbildungsordnung für die Vergabe der Zusatzbezeichnung ‚Homöopathie‘ den Erwerb einer ‚fachlichen Kompetenz in Homöopathie‘ fordert, dann fordert sie nichts anderes als eine ‚Kompetenz‘ im Umgang mit geistartigen Kräften. Dr. Sabine Schöne-Seifert
 

Inzwischen sind fast alle Landesärztekammern der Bundesärztekammer (BÄK) auf ihrem Weg gefolgt. Nur noch die Kammern in Westfalen-Lippe, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen bieten noch die Zusatzweiterbildung.

Kritiker und Befürworter der Homöopathie melden sich zu Wort

Schützenhilfe erhalten die Homöopathie-kritischen Kammern von der Medizinethikerin Dr. Sabine Schöne-Seifert und dem Münsteraner Memorandum Homöopathie, das sie mitunterzeichnet hat. Darin heißt es: „Wenn die Muster-Weiterbildungsordnung für die Vergabe der Zusatzbezeichnung ‚Homöopathie‘ den Erwerb einer ‚fachlichen Kompetenz in Homöopathie‘ fordert, dann fordert sie nichts anderes als eine ‚Kompetenz‘ im Umgang mit geistartigen Kräften.“ Das Memorandum vergleicht die Weiterbildung in Homöopathie mit einer Kompetenz im Gesundbeten. Tief sind also die Gräben zwischen Kritikern und Befürwortern der Homöopathie.

 
Erstrebenswert ist die Medizin, in der Pluralismus und Therapiefreiheit selbstverständlich sind.“ Dr. Michaela Geiger
 

Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) will die Luft aus der Debatte lassen. Man sehe in der Homöopathie keine Konkurrenzveranstaltung zu anderen Arten der Medizin, sondern eine Ergänzung. „In der Medizin sollten alle Therapiemethoden selbstverständlich enthalten sein“, sagt Dr. Michaela Geiger, 1. Vorsitzende des DZVhÄ in einem Interview, „sei es konventionell, wie auch komplementär, und man müsste nicht mehr von integrativ sprechen. Erstrebenswert ist die Medizin, in der Pluralismus und Therapiefreiheit selbstverständlich sind.“

Bei solchen Beteuerungen bleiben aber die Befürworter der Homöopathie nicht. Derzeit verbinden sie sich quer zu den gesundheitspolitischen Zugehörigkeiten zur Liste integrativer Medizin (LiMed) unter dem Dach der Hufelandgesellschaft e.V., die die Interessen komplementär arbeitender Ärztinnen und Ärzte vertritt.

Zum Beispiel in Bremen: Dort beginnt am 12. Oktober die Wahl zur KV-Vertreterversammlung. 4 Kandidaten der LIMed stellen sich an der Weser zur Wahl. In ihrer Vorstellung heißt es: „Wir haben uns zusammengeschlossen, um den konstruktiven Dialog innerhalb der Ärzteschaft zu fördern und die Methodenvielfalt für unsere PatientInnen zu erhalten.“

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Kommentar

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