Chirurgie-Fehler verdreifachen die postoperative Morbidität - erstmals hochwertige Daten verfügbar

Maria Weiß

Interessenkonflikte

12. Oktober 2022

Komplikationen können bei jeder Operation auftreten – vermeidbare Fehler sollten aber eigentlich nicht passieren. Katherine M. Marsh und ihr Team von der Abteilung für Chirurgie an der University of Virginia Charlottesville haben solche Fehler und ihre Auswirkungen auf die Patienten ausgewertet [1]

Bisher keine genauen Daten

Die Angaben, wie viele chirurgische Komplikationen auf Fehlern beruhen, schwanken in der Literatur zwischen weniger als 10% bis zu über 60%. Daher erscheint es erforderlich, den Zusammenhang zwischen Fehlern und Komplikationen in der Chirurgie genauer zu untersuchen.

7 Kategorien von Fehlern

Dies haben die Forschenden aus den USA jetzt im Rahmen einer nach Art des Eingriffs, Alter und Geschlecht gematchten Fall-Kontrollstudie getan. Als Fälle galten in dieser Studie 170 Patienten mit relevanter Morbidität oder Mortalität im Zusammenhang mit einer Operation – als Kontrollgruppe 329 Operierte ohne diese Komplikationen. 

2 unabhängige Chirurgen überprüften die Krankenblätter der Teilnehmenden auf verschiedene Sorten von Fehlern. Dabei wurden 7 Kategorien von Fehlern unterschieden:

  • Technische Fehler (z.B. Verletzungen von Organen, fehlerhafte Anastomosen oder mangelnde Blutstillung)

  • Falsche Beurteilung (z.B. unnötige oder nicht angemessene Operationen, zu frühe Entlassungen, Unterschätzung präoperativer Risiken)

  • Diagnostische Fehler (z.B. Fehldiagnosen oder verpasste bzw. verzögerte Diagnosen)

  • Unterlassungsfehler (z.B. Nicht-Behandlung von Harnwegsinfektionen, fehlende Thromboseprophylaxe, keine Nachsorgetermine)

  • Medikationsfehler (z.B. fehlende postoperative Blutdruckkontrolle, notwendige Wiederaufnahme wegen nicht ausreichender Schmerzkontrolle, Opioidüberdosierung)

  • Systemfehler (z.B. unzureichende Operationsräume und -instrumente, keine postoperativen Kontrollen durch den Chirurgen, Kommunikationsprobleme zwischen den Abteilungen)

  • Sonstige Fehler (z.B. unzureichende Dokumentation)

Technische Fehler am häufigsten

Bei den meisten Fällen mit Morbidität und Mortalität war mindestens 1 Fehler nachweisbar (n=93, 55%) – in der Kontrollgruppe bei 34%. Technische Fehler traten in beiden Gruppen am häufigsten auf (40% bzw. 23%), am zweithäufigsten waren Beurteilungsfehler (17% in der Fallgruppe, 5% in der Kontrollgruppe). Die Fehler in der Fallgruppe beeinflussten nach Beurteilung der Chirurgen häufig die weitere Pflege, während das in der Kontrollgruppe nicht der Fall war. Bei 18% der Patienten in der Fallgruppe wurde mehr als 1 Fehler nachgewiesen, dagegen nur bei 5% der Kontrollpersonen. Bei den 14 verstorbenen Patienten lag in 28% der Fälle mehr als 1 Fehler vor.

In der logistischen Regressionsanalyse erwies sich das Auftreten von Fehlern als unabhängiger Risikofaktor für die postoperative Morbidität (OR 2,67). Die häufigsten Komplikationen waren dabei Sepsis, Notwendigkeit von Bluttransfusionen und Organinfektionen. Ein direkter Zusammenhang zwischen Fehlern und Mortalität konnte nicht festgestellt werden – allerdings starben auch nur 14 Patienten.  

Limitationen der Studie

Als Limitationen geben die Autoren u.a. an, dass es sich bei den Reviewern nur um Männer einer einzigen Institution handelte. Außerdem wurden Fehler und Komplikationen, die am gleichen Tag auftraten, ohne genauere Prüfung dem Fehler zugeschrieben. Zudem ist es nicht immer einfach einen Fehler nur einer Kategorie zuzuordnen – die Entfernung eines gesunden Blinddarms gehört z.B. zu den Kategorien 2 und 3.

Trotzdem kommen die Autoren zu dem Schluss, dass Fehler in der Chirurgie mit einer erhöhten postoperativen Morbidität verbunden sind. Um Fehler zukünftig zu vermeiden, sollten sie frühzeitig erkannt und dokumentiert werden.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Coliquio.de.

 

Kommentar

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