Immer mehr Menschen erkranken in Uganda am Sudan-Ebolavirus (SUDV). Gegen den Sudan-Stamm, eine relativ seltene Variante des Ebola-Virus, sind bislang keine Impfstoffe oder Therapeutika zugelassen. 29 Menschen, darunter 4 Angestellte des Gesundheitswesens, sind seit Beginn des Ebola-Ausbruchs am 20. September gestorben. Die Zahlen bestätigte WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die Gesamtzahl der gemeldeten Fälle liegt bei 63 in 5 Unterbezirken (Stand 7. Oktober). Mit 69% habe der Ebola-Ausbruch in Zentral-Uganda eine „sehr hohe“ Sterblichkeitsrate, so Ahmed Ogwell, Direktor des afrikanischen CDC.
Ugandas Staatspräsident Yoweri Museveni erklärte, er sehe „keinen Grund für Angst, Panik, Bewegungseinschränkungen oder unnötige Schließungen öffentlicher Einrichtungen“. Und weiter: „Die Regierung ist in der Lage, diesen Ausbruch unter Kontrolle zu bringen, wie wir es schon früher getan haben“, sagte er in einer TV-Ansprache. Schulen, Märkte und Gebetshäuser müssten nicht geschlossen werden, so Museveni. Beruhigt hat er die Menschen damit allerdings kaum: Vielerorts bleiben die Klassenzimmer mittlerweile leer.
Ärzte ohne Grenzen bewertet die Lage als sehr ernst
Musevenis Einschätzung teilt Dr. Christopher Mambula, Leiter des Programms von Ärzten ohne Grenzen in Uganda, nicht. Gegenüber The Guardian bezeichnet er die Lage als „sehr ernst". Die Zahl der Fälle steige täglich. Es sei immer noch unklar, wie weit sich das Virus ausgebreitet habe. Und das Fehlen eines Impfstoffs zur Behandlung des für den Ausbruch verantwortlichen Ebola-Stamms – des Sudan-Virus – gebe Anlass zur Sorge.
Am 26. September hatten Ärzte ohne Grenzen (MSF) mit dem Aufbau eines Isolations- und Behandlungszentrums im Distrikt Mubende begonnen. Wie Lena Langbein, Sprecherin von Ärzten ohne Grenzen mitteilt, hätten Teams im Krankenhaus von Mubende eine Ebola-Station mit 36 Betten für Verdachtsfälle und bestätigte Fälle eingerichtet. In Kürze solle diese um 20 bis 40 Betten erweitert werden. Im Ort Madudu, dem Epizentrum des Ausbruchs, wurde mit der Einrichtung einer weiteren Station begonnen. Dasugandische Gesundheitsministerium habe MSF auch gebeten, zu prüfen, ob es möglich sei, ein Ebola-Behandlungszentrum speziell für erkrankte Mitarbeiter des Gesundheitswesens einzurichten.
MSF setzt in Uganda auf kleine Zentren und Isoliereinheiten – so nahe wie möglich am Wohnort der Patienten. Der Hintergrund: Bei früheren Ausbrüchen wurden Patienten oft direkt in große Case-Management-Zentren außerhalb ihrer Gemeinden gebracht. Das hatte in vielen Fällen zu Gerüchten innerhalb der Gemeinde, zu Feindseligkeit gegenüber Ärzten und Pflegern und zur Ablehnung der Maßnahmen geführt.
Das Rote Kreuz warnt vor einem überlasteten Gesundheitssystem
Ogwell sagte, dass Ärzte und Pflegekräfte zu Beginn des Ausbruchs mit Ebola in Berührung gekommen seien, „als wir noch nicht wussten, womit wir es zu tun hatten“. Er wies die Vermutung zurück, dass die Infektionen darauf hindeuteten, dass der Ausbruch außer Kontrolle geraten sei. Laut Ogwell seien mehr als 860 aktive Kontakte aufgelistet worden, mindestens 78% von ihnen würden überwacht.
Seit Beginn des Ausbruchs sind 4 Mitarbeiter des Gesundheitswesens an Ebola gestorben, darunter Dr. Mohammed Ali, ein 37-jähriger Arzt aus Tansania. Er arbeitete im Krankenhaus von Mubende und hatte einen Patienten operiert, der später positiv auf das Virus getestet worden war.
Irene Nakasiita, Sprecherin des Roten Kreuzes in Uganda, betont, dass das Gesundheitssystem überlastet sei. „Die jetzigen Anforderungen und Erwartungen übersteigen unsere Kapazitäten. Wir müssen auch unsere eigene Gesundheit schützen und uns um Schutzausrüstung kümmern. Gleichzeitig müssen wir aber schon in den Gemeinden helfen, weil die Menschen auf uns zählen“, sagte Nakasiita. Gesundheitsministerin Jane Ruth Aceng rief zu mehr internationaler Unterstützung auf. „Die bisher unternommenen Anstrengungen sind wichtig, müssen aber noch intensiviert werden, wenn wir die Epidemie heute beenden wollen.“
Das Gesundheitspersonal äußerte auch die Befürchtung, dass Ebola auf Flüchtlingslager übergreifen könnte. Mubende, etwa 3 Autostunden von der Hauptstadt Kampala entfernt, liegt an einer Fernstraße in den Kongo. Entlang dieser Strecke befinden sich mehrere Flüchtlingssiedlungen, in denen mindestens 200.000 der 1,5 Millionen ugandischen Flüchtlinge leben.
Ist der Ausbruch wirklich unter Kontrolle?
Obwohl der Ausbruch offiziell am 20. September gemeldet wurde, haben Behörden in der betroffenen Region bereits im August mutmaßliche Todesfälle registriert. „Was die Kontakte und die Ausbreitung angeht, so stellt sich bei einer Ausbreitung in 5 [Regionen] oder mehr als einem Ort die Frage, wie die Übertragungskette zwischen diesen verschiedenen Fällen aussieht, ob es eine Person war, die andere Menschen angesteckt hat, oder ob es so etwas wie einen Super-Spreader gab, etwa eine Beerdigung, bei der nicht nur eine Person, sondern mehrere angesteckt wurden“, sagt Christopher Mambula.
„Solange wir keine anderen Hinweise erhalten, würde ich sagen, dass es sich um eine sehr ernste Situation handelt", sagte er. „Wenn man sich die Inkubationszeit ansieht, die in der Regel bis zu 3 Wochen beträgt, ist es möglich, dass eine Woche lang kein Fall auftritt und dann plötzlich 50 Fälle an einem Tag auftauchen. Es ist noch sehr früh, und es sieht so aus, als ob die Zahl der Fälle zunimmt und nicht abnimmt. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Krankheit unter Kontrolle ist“, sagte Mambula. Wie es zu Beginn eines Ebola-Ausbruchs häufig der Fall ist, hinken die Fallfindung und die Ermittlung von Kontaktpersonen der Ausbreitung der Epidemie hinterher.
Impfstoffe gegen den sudanesischen Stamm sind in der Entwicklung
Ebola-Ausbrüche im benachbarten Kongo waren zuletzt immer wieder unter Kontrolle gebracht worden. So zeigen klinische Versuche mit den monoklonalen Antikörpern Mab114 und regn-eb3 eine signifikante Verbesserung der Überlebenschancen der Patienten. Allerdings sind die Antikörper nicht gegen den aktuell grassierenden Sudan-Stamm wirksam.
Das gilt auch für die beiden Impfstoffe, mit denen zuletzt Ebola-Ausbrüche im Kongo erfolgreich eingedämmt wurden: Den seit Herbst 2019 verfügbaren Vektorimpfstoff von MSD und das seit Mai 2020 verfügbare heterologe Impfstoffschema von Janssen-Cilag. Beide richten sich gegen das Ebola-Zaire-Virus (EBOV), das nicht nur für eine Reihe von Ausbrüchen im Kongo sondern auch für den bislang größten Ebola-Ausbruch in Westafrika 2014 bis 2016 verantwortlich war.
Bei SUDV und EBOV handele es sich nicht um unterschiedlichen Varianten oder Stämme, sondern um unterschiedliche Viren, sagt Dr. Nancy Sullivan vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) in Bethesda gegenüber dem Wissenschaftsjournal Science. Es seien 2 der insgesamt 5 Spezies aus der Gattung Ebolavirus, die zu der Familie Filoviridae gehöre.
Laut WHO befänden sich seien neue Vakzine gegen Ebola in der Entwicklung. 2 davon seien wahrscheinlich so weit, dass sie in den kommenden Wochen in Uganda testweise eingesetzt werden könnten. Am weitesten fortgeschritten ist der Vektorimpfstoff ChAd3-SUDV. Das Vakzin basiert auf einem Schimpansen-Adenovirus Typ 3. Ursprünglich von GSK entwickelt, hat der Hersteller die Lizenz der Non-Profit-Organisation Sabin Vaccine Institute übertragen. Der Impfstoffkandidat hat sich in Tierstudien und kleinen klinischen Versuchen, die vom NIAID Vaccine Research Center durchgeführt wurden, bewährt. Die ugandischen Gesundheitsbehörden prüfen derzeit den Entwurf eines Vorschlags für diese Studie. Läuft alles nach Plan, könnte die Studie laut Ana Maria Henao-Restrepo, Impfstoffexpertin der WHO, noch vor Ende Oktober beginnen.
Eine weitere Option könnte ChAdOx1 biEBOV sein. Als Vektor wird das Schimpansen-Adenovirus Typ 1 verwendet. Das Vakzin soll gegen SUDV und EBOV wirksam sein. Eine Phase-I-Studie läuft seit Oktober vergangenen Jahres.
Dr. Yonas Tegegn Woldemariam, Vertreter der WHO in Uganda, sagte, dass derzeit 2 Prüfpräparate untersucht würden, deren Sicherheitsdaten für den Stamm vorliegen. Das Land werde den Impfstoff erhalten, der sich in einem fortgeschritteneren Stadium befindet. Es gebe aber nur 100 Dosen des Impfstoffs vom Sabin Vaccine Insitute, so Tegegn Woldemariam „Diese Hersteller wollen mehr produzieren“, sagte er. „Wir haben keine ausreichenden Daten, um den Impfstoff in einer großen Bevölkerung einzusetzen, und das Angebot ist nicht vorhanden. Derzeit einigen sich die Wissenschaftler auf ein wissenschaftliches Protokoll für die Studie, und sobald das Protokoll vereinbart ist (…), denke ich, dass der Impfstoff nach Uganda eingeführt werden wird. Hoffentlich innerhalb von weniger als einer Woche“, so Tegegn Woldemariam.
Uganda ist Gastgeber eines Ministertreffens mit Nachbarstaaten und anderen afrikanischen Ländern. Alle Beteiligten wollen in Gesprächen erörtern, wie es zu Ebola-Ausbrüchen gekommen sein könnte, um gemeinsam Möglichkeiten für deren Bewältigung auszuloten.
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Diesen Artikel so zitieren: „Eine sehr ernste Situation“: Gegen das Ebola-Virus beim Ausbruch im Sudan sollen bald Impfstoffe getestet werden - Medscape - 10. Okt 2022.
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