Bessere Lebensqualität und einen positiven Einfluss auf Herz-Kreislauf-Risikofaktoren bei Schichtarbeitern – das könnte Intervallfasten bewirken. Zu diesem Schluss kommt eine in Cell Metabolism veröffentlichte randomisiert-kontrollierte Studie.[1 ]
Ein deutscher Experte äußert nach einem kritischen Blick auf die Ergebnisse allerdings Zweifel: „Die Studie bringt wenig neue Erkenntnisse“, so der Ernährungsmediziner Dr. Stefan Kabisch von der Charité-Universitätsmedizin in Berlin.
Die Wissenschaftler haben zum 1. Mal eine bestimmte Form des Intervallfastens bei Schichtarbeitern untersucht. Dabei wird ein festes Zeitfenster für die Nahrungsaufnahme definiert, das in der Regel zwischen 6 und 10 Stunden lang sein kann. Häufig wird die Methode auch als time-restricted-eating oder als 16:8-Intervallfasten bezeichnet, weil täglich beispielsweise 16 Stunden gefastet und nur innerhalb der verbleibenden 8 Stunden gegessen wird.
In der vorliegenden Studie sollten US-Feuerwehrleute, die in 24h-Schichten arbeiten, ihr Essfenster 12 Wochen lang auf jeweils 10 Stunden am Tag begrenzen.
Schichtarbeiter haben erhöhtes Gesundheitsrisiko
Der Hintergrund: Es gibt Hinweise, dass Schichtarbeit das Risiko für Übergewicht oder für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Die Gründe dafür seien allerdings vielfältig, erklärt Kabisch: „Man weiß nicht, welcher Aspekt der Schichtarbeit das Ungesunde ist, ob es am Schlaf liegt, an der Ernährung oder an anderen Faktoren.” Wie groß der Einfluss der Essenszeiten auf das Krankheitsrisiko ist, bleibe unklar.
Dr. Emiliy N.C. Manoogian hat daher zusammen mit anderen Wissenschaftlern des kalifornischen Salk-Institutes und der Universität San Diego getestet, ob ein festes Zeitfenster für die Nahrungsaufnahme bei Schichtarbeit einerseits machbar und andererseits gesundheitlich wünschenswerte Effekte hat.
Details der Studie
Dazu sollten 137 Feuerwehrleute sich grundsätzlich gesünder ernähren – Versuchs- und Kontrollgruppe bekamen Ratschläge zu mediterraner Kost. Die Versuchsgruppe bestimmte zusätzlich ein festes Zeitfenster für Mahlzeiten. In der Regel frühstückten die Teilnehmer dabei um 9 Uhr morgens und sollten abends nach 19 Uhr nichts mehr essen. Mithilfe einer App protokollierten die Teilnehmer ihre Mahlzeiten und Snacks.
Die Feuerwehrleute schafften es zwar nicht ganz, ihr 10-stündiges Essfenster einzuhalten – aber immerhin reduzierten sie die Zeit, innerhalb der täglich gegessen wurde, von rund 14 auf etwa 11 Stunden. Leistungseinbußen bemerkten die Teilnehmer dabei nicht. Das Intervallfasten sei also durchführbar, zumindest für Schichtarbeiter mit ähnlichen Arbeitsbedingungen wie die untersuchten Feuerwehrleute, folgern die Autoren.
Außerdem wurden bei den Teilnehmern vor und nach der Versuchsperiode Körpergewicht, Körperzusammensetzung und verschiedene Blutwerte kontrolliert, die körperliche Aktivität gemessen sowie Fragen zur Lebens- und Schlafqualität gestellt. So sollte klar werden, wie sich das verkürzte Essfenster auf die Gesundheit auswirkte.
Wenig klare Vorteile des Ernährungsplans
Wirkliche Unterschiede zwischen den Gruppen ließen sich kaum feststellen. Bei den Blutwerten sei ein Lipidwert der einzige Faktor, der sich so verändert habe, dass ein signifikanter Unterschied zwischen Fastengruppe und Kontrollgruppe erkennbar worden sei, erklärt Kabisch. „Es gibt metabolisch einen einzigen Unterschied. Das ist die VLDL-Partikelgröße. Das ist etwas, was in der Routine überhaupt nicht gemessen wird, wo also die Relevanz noch völlig unklar ist.” Ein möglicher Grund für die unklaren Ergebnisse: „Die Menschen sind überwiegend zu gesund, um überhaupt einen Nutzen sehen zu können“, so Kabisch.
Deshalb sahen sich die Studienautoren gezielt Daten von Teilnehmern an, die schon zu Beginn der Studie gesundheitlich auffällige Werte aufwiesen, etwa einen hohen Blutdruck oder Blutzucker. Ihr Fazit: Teilnehmer mit bereits erhöhtem kardiovaskulärem Risiko könnten womöglich durch Intervallfasten den diastolischen Blutdruck und den für den Zuckerstoffwechsel relevanten HbA1c-Wert im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant senken.
Kabisch weist allerdings darauf hin, dass solche möglichen Vorteile nur bei wenigen der zahlreichen untersuchten Werte erkennbar gewesen seien: „Was die Autoren nicht schreiben in der Zusammenfassung, ist, dass für Menschen, die einen erhöhten Entzündungswert oder einen erhöhten systolischen Blutdruck hatten, die Kontrolldiät signifikant besser war.”
Offene Fragen
Ob ein spezieller Essensrhythmus tatsächlich in der Lage ist, bei Schichtarbeit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken, bleibt daher wohl weiter eine offene Frage. Grundsätzlich bräuchte man zum Intervallfasten mehr Untersuchungen an Risikopatienten, findet Kabisch. Bei ihnen könne man eventuelle Effekte in der Regel deutlicher erkennen als bei Gesunden.
Denn nicht nur bei Schichtarbeitern, auch bei anderen Personengruppen sind die gesundheitlichen Auswirkungen des Intervallfastens nach wie vor umstritten. Während Befürworter spezielle gesundheitliche Vorteile sehen, ist Kabisch zurückhaltend: „Es gibt ein paar Metaanalysen, die versucht haben, die Studien dazu zu bündeln, und die kommen zu der Aussage, dass Intervallfasten nicht besser ist als andere kalorienreduzierte Ernährung.”
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Credits:
Photographer: © Sasithorn Phuapankasemsuk
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Diesen Artikel so zitieren: Intervallfasten: Kaum Effekte bei Feuerwehrleuten im Schichtdienst – war die Studienpopulation einfach zu gesund? - Medscape - 10. Okt 2022.
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