Rhythmuskontrolle: Auch Patienten mit asymptomatischem Vorhofflimmern profitieren

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

7. Oktober 2022

Bonn – Vorhofflimmern (VHF) geht mit einem lebenslang erhöhten Risiko für frühzeitigen Tod, Schlaganfall, Demenz und Herzinsuffizienz einher. „Diese Risiken bestehen sehr sicher unabhängig davon, ob ein Patient symptomatisch ist oder nicht“, betonte Prof. Dr. Andreas Metzner auf der Online-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) im Rahmen der Herztage 2022 [1].

 
Wir wissen, dass asymptomatische Patienten bzw. Patienten, die wir für asymptomatisch halten, häufig ein angepasstes Belastungsprofil aufweisen. Prof. Dr. Andreas Metzner
 

Die aktuellen Leitlinien empfehlen die Rhythmus-kontrollierende Therapie für symptomatische Patienten. „Die asymptomatischen Patienten waren da immer etwas im Hintertreffen“, so Metzner, der am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) den Bereich Rhythmologie leitet. Neue Daten legen jetzt aber nahe, asymptomatische Patienten zu identifizieren und zu therapieren, so Metzner. Zumal die Prävalenz von asymptomatischem VHF zwischen 10% bis 40% liegt; höhere Anteile finden sich bei persistierendem VHF, bei Männern und in älteren Patientenkohorten.

Welches Risiko tragen asymptomatische Patienten?

„Wir wissen, dass asymptomatische Patienten bzw. Patienten, die wir für asymptomatisch halten, häufig ein angepasstes Belastungsprofil aufweisen. Das heißt, sie sind in ihrem Alltag weniger aktiv, als sie es früher gewesen sind: Sie nehmen z.B. nicht mehr das Fahrrad, sondern das E-Bike“, berichtete Metzner.

Der Fokus der Ärzte liege häufig auf den physischen Symptomen des Patienten, aber nicht so sehr auf den psychischen Symptomen. „Patienten mit der Diagnose VHF leiden häufig unter Depressionen, leiden unter Angstzuständen.“ Feststellen lasse sich: Bis zu 75% der Patienten, die als asymptomatisch eingestuft wurden und die dann eine Rhythmuskontrolle erfahren haben, z.B. durch elektrische Kardioversion, fühlen sich besser, wenn sie dann wieder im Sinusrhythmus sind.

 
Das zeigt, dass auch die asymptomatischen Patienten mit Vorhofflimmern ein hohes Risiko tragen, im Verlauf schwerwiegende Komplikationen zu erleiden. Prof. Dr. Andreas Metzner
 

Symptomatische Patienten mit VHF und asymptomatische Patienten mit VHF unterscheiden sich im Hinblick auf Komplikationen nicht – dies zeigen Daten des GARFIELD-AF Registers aus 2021. Eingeschlossen waren 52.032 Patienten mit VHF; 25,4% der Patienten waren asymptomatisch, 74,6% symptomatisch. Überwiegend handelt es sich um männliche Patienten: 64% Männer bei den asymptomatischen Patienten, 52,9% bei den symptomatischen Patienten. Die asymptomatischen Patienten sind etwas älter (72 Jahre) als die symptomatischen Patienten (70 Jahre) und leiden häufiger unter den fortgeschrittenen Formen des VHF, d.h. persistierendes VHF oder auch langanhaltend persistierendes VHF.

Über 2 Jahre wurde nachverfolgt, wie häufig bei diesen Patienten harte Endpunkte auftraten: allgemeine Sterblichkeit, nicht-hämorrhagische Schlaganfälle, systemische Embolien und schwere Blutungen. Verglichen wurden asymptomatische Patienten mit symptomatischen Patienten.

Sowohl bei der Rate der allgemeinen Sterblichkeit (3,70 vs. 3,86) als auch bei den Schlaganfällen (0,91 vs 1,03) und schweren Blutungen (1,03 vs 9,96) zeigte sich kein Unterschied zwischen asymptomatischen und symptomatischen Patienten.

„Das zeigt, dass auch die asymptomatischen Patienten mit Vorhofflimmern ein hohes Risiko tragen, im Verlauf schwerwiegende Komplikationen zu erleiden. Deswegen sind diese Patientenkohorten in unseren Fokus gerückt“, erklärte Metzner.

Nur Verbesserung der Lebensqualität oder Verringerung der Endpunkte?

Dass Patienten mit VHF von einer frühen Rhythmuskontrolle profitieren, konnte in der 2020 publizierten EAST-AFNET 4-Studie gezeigt werden. Darin wurde bei Patienten mit VHF (n=2.789) eine frühe Rhythmuskontrolle verglichen mit herkömmlicher Versorgung. Diese war definiert als Frequenzkontrolle, und nur wenn die Patienten im weiteren Verlauf symptomatisch waren, erfolgte auch eine Rhythmuskontrolle. Der 2. Arm hingegen wurde direkt Rhythmus-kontrolliert.

Das mittlere Follow-up lag bei 5 Jahren. Der primäre Endpunkt war ein harter Endpunkt – bestehend aus kardiovaskulärem Tod, Schlaganfall, Hospitalisierung bei Herzinsuffizienz oder akutes Koronarsyndrom. Im Ergebnis zeigte sich bei den Patienten, die direkt Rhythmus-kontrolliert wurden, eine 21%ige Risikoreduktion bezüglich der harten Endpunkte. „Wir können also durch die frühe Rhythmus-erhaltende Therapie einen prognostischen Effekt für unsere Patienten erreichen“, betonte Metzner.

 
Asymptomatische Patienten profitieren genauso von einer frühen, Rhythmus-erhaltenden Therapie wie symptomatische Patienten. Prof. Dr. Andreas Metzner
 

Die Ergebnisse einer Subgruppenanalyse lieferten Hinweise darauf, dass asymptomatische Patienten genauso von einer frühen Rhythmuskontrolle profitieren wie symptomatische Patienten. Dazu wurden Patienten aus der EAST-AFNET 4-Studie auf ihren EHRA-Score stratifiziert. 400 dieser Patienten sowohl im Rhythmus-kontrollierten Arm (n=395 mit EHRA I) als auch in der Gruppe mit herkömmlicher Versorgung (n=406 mit EHRA I) wiesen ein asymptomatisches VHF auf.

Die Ergebnisse zeigen keine Unterschiede einer frühen, systematischen Rhythmuskontrolle im klinischen Nutzen für asymptomatische und symptomatische Patienten. „Asymptomatische Patienten profitieren genauso von einer frühen, Rhythmus-erhaltenden Therapie wie symptomatische Patienten. Deswegen sollte das bei uns ein Umdenken bewirken, und auch die asymptomatischen Patienten sollten in den Fokus unserer Therapie und Diagnostik rücken“, betonte Metzner.

Ablation effektiver als Medikamente

Ein anhaltender Sinusrhythmus scheint der wichtigste Mediator dafür zu sein, wenn Patienten prognostisch profitieren. Um das zu gewährleisten, kommen Medikamente oder die Ablation infrage.

Metzner wies darauf hin, dass spätestens seit Veröffentlichung der CABANA-Studie 2019 bekannt sei, dass die Ablation sehr viel effektiver ist, um Patienten in einem stabilen Sinusrhythmus zu halten, als die medikamentöse Therapie. „Relevant ist das auch deshalb, weil wir wissen, dass Patienten mit paroxysmalem VHF, also in einem frühen Stadium, nach Ablation ein geringeres Risiko haben, in ein persistierendes VHF überzugehen, als Patienten unter medikamentöser Therapie“, erklärte Metzner.

In den Leitlinien ist ein opportunistisches Screening auf VHF ab 65 Jahren empfohlen. Um mehr asymptomatische Patienten zu detektieren, plädiert Metzner dafür, „Smart Tools“ zu nutzen, zumal mehr und mehr Patienten Smartwatches tragen oder ein Smartphone nutzen. „Wir haben noch andere Methoden, auf VHF zu screenen.“

Die Geräte würden auch stetig besser: Smartphones liefern die Möglichkeit, über die Photoplethysmografie (PPG) Hinweise auf VHF zu erhalten; von Smartwatches lassen sich Ein-Kanal-EKGs ableiten. „Diese Geräte sind wichtig, sie werden in naher Zukunft auch immer wichtiger werden. In welchem Umfang wir sie einsetzen sollten – das ist noch nicht ganz klar und darüber muss beraten werden“, so Metzner.

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Kommentar

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