Fall: Müdigkeit und Rückenschmerzen haben viele Gründe – nicht alle sind harmlos. Wie helfen Sie diesem 42-Jährigen? 

Ankit Raiyani, Vikramjit Kanwar

Interessenkonflikte

6. Oktober 2022

Bei diesem Patienten wurden verschiedene Differenzialdiagnosen in Betracht gezogen. Nichtsteroidale Antirheumatika und Analgetika können eine akute Nierenschädigung oder eine akute interstitielle Nephritis verursachen. Dies gilt vor allem bei langfristiger Einnahme oder bei Personen mit vorbestehender Nierenfunktionsstörung, bei denen das Risiko für eine solche Schädigung bis zu 20% betragen kann [10]. Im vorliegenden Fall würde diese Diagnose jedoch nicht die signifikanten und zunehmenden Kreuzschmerzen, die Hyperkalzämie und die deutlich erhöhten BSG-Werte erklären. Darüber hinaus wären in einem solchen Fall wahrscheinlich Leukozyten im Urin anzutreffen.

In Deutschland gab es nach einem vorübergehenden Anstieg an Tuberkulosefällen Mitte der 2010er-Jahre wieder einen Rückgang auf rund 4.500 Erkrankungen im Jahr 2020. In etwa 3% bis 5% (bei HIV-negativen Personen und ansonsten normalem Immunstatus) entwickelt sich auch eine tuberkulöse Spondylitis. Es werden dabei nur minimale lokale Befunde beobachtet, bis sie fortschreitet und sich eine Wirbelsäulendeformität entwickelt. Obwohl die erhöhten BSG-Werte und eine leichte Anämie häufige Merkmale sind, würde diese Diagnose nicht die erhöhten Serumkreatinin- und Kalziumwerte dieses Patienten erklären können.

Die Pyomyositis oder Myositis purulenta tropica ist eine seltene Erkrankung. Im Gegensatz zur Tuberkulose handelt es sich um eine akute Infektion mit anhaltendem Fieber und lokalen paraspinalen Ödemen, Wärme und Druckschmerzhaftigkeit, die sich über mehrere Wochen hinzieht. Neben erhöhten BSG-Werten sieht man auch eine neutrophile Leukozytose mit toxischer Granulation [12]. Eine Anämie und eine Hyperkalzämie sind für diese Erkrankung nicht typisch. Darüber hinaus passten die MRT-Befunde der Wirbelsäule zu keiner der 3 Differenzialdiagnosen. Eine Rückenmarkskompression und eine paraspinale Masse wurden auf diesem Weg ebenfalls ausgeschlossen.

Das multiple Myelom ist eine maligne Erkrankung der Plasmazellen und wird zu den B-Zell-Lymphomen gerechnet. Die Erstbeschreibung geht auf das Jahr 1848 zurück. In Deutschland erkrankten etwa 2017 rund 7.000 Männer und Frauen an einem MM [3]. Es ist das häufigste Malignom von Knochen bzw. Knochenmark. Das klinische Spektrum des MM reicht von der monoklonalen Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) bis zur Plasmazellleukämie.

Die MGUS bedeutet das Vorhandensein monoklonaler Immunglobuline im SPEP, ohne dass ein MM nachgewiesen werden kann. Der Begriff entstand, weil es sich häufig um einen Zufallsbefund handelt und die Erkrankung über viele Jahre hinweg gutartig bleiben kann [13]. Die MGUS betrifft 3% der scheinbar gesunden Patienten über 50 Jahre [13]. Folgende Laborbefunde sollten bei einer MGUS Anlass zu einer erhöhten Wachsamkeit geben:

  • M-Gradient > 3 g/dl oder steigend

  • Beteiligung von Milz und Leber

  • Plasmazellen im Knochenmark > 10%

  • Vorhandensein von Leichtketten im Serum oder Urin.

Innerhalb von 20 Jahren entwickelt sich bei einem Viertel dieser Personen ein Malignom [13]. Ist einer der genannten Faktoren vorhanden, erhöht das die Wahrscheinlichkeit für eine bösartige Erkrankung deutlich. Die seltene primäre Amyloid-Leichtketten-Amyloidose oder AL-Amyloidose tritt bei 15% bis 20% der Patienten mit MM auf [14]. Dabei lagern sich unlösliche monoklonale Immunglobulin-Leichtketten oder Fragmente im Gewebe ab. Die klinischen Manifestationen sind vielfältig. Häufig führen vor allem Herz- oder Nierenversagen (nephrotisches Syndrom) zu einem frühen Tod.

Die Darstellung knöcherner Läsionen ist ein wichtiger Teil der Diagnose. In diesem Fall führte jedoch die Röntgenaufnahme in die Irre. Das Ganzkörper-Röntgen bei MM erbringt in 30% bis 70% der Fälle falsch-negative Resultate. Zudem schließt das Fehlen von Knochenläsionen die Diagnose auch nicht aus [15]. Durch dieses Röntgenverfahren lässt sich auch keine diffuse Knochenmarksbeteiligung erkennen, und eine Osteopenie aufgrund eines MM kann nicht von einer senilen und postmenopausalen Osteoporose abgegrenzt werden. Daher empfiehlt die IMWG bei Verdacht auf ein MM für die Suche nach Skelettläsionen das Niedrigdosis-CT, das Ganzkörper-PET/CT oder das MRT [16]. Die 99mTc-Skelettszintigrafie ist beim MM nicht hilfreich, da die osteoblastische Reparaturaktivität minimal ist.

Klinisch gesehen besteht bei den Patienten ein erhöhtes Risiko für pathologische Frakturen und sie können neurologische Komplikationen oder auch eine symptomatische Hyperkalzämie entwickeln. Wenn ein Zusammensintern eines oder mehrerer Wirbel oder klinische Anzeichen für eine Rückenmarkskompression festgestellt werden, ist ein MRT der Wirbelsäule dringend erforderlich [10].

Für die Stadieneinteilung spielt die Bildgebung aktuell keine Rolle. Das 3-stufige International Staging System (ISS) wertet einen niedrigen Beta2-Mikroglobulinspiegel und einen normalen Albuminwert i.S. als günstige Faktoren [17]. Etwa die Hälfte der MM-Patienten weist Translokationen auf, die den Immunglobulin-Schwerketten-Lokus auf Chromosom 14q32 betreffen. Bei der revidierten ISS-Einteilung (Revised-ISS) werden ungünstige zytogenetische Merkmale zur Definition eines hohen Risikos herangezogen, darunter del(17p), t(4;14) und t(14;16) sowie ein erhöhter LDH-Wert i.S. [4,17]. Im vorliegenden Fall wurde der Patient nach ISS als Stadium II eingestuft. Er wies keine genetischen Marker auf, die ihn zu einem Hochrisikopatienten gemacht hätten und auch keinen erhöhten LDH-Wert. Daher erfolgt seine Einstufung in die Kategorie eines mittleren Risikos.

Kommentar

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