Diskussion
Männer mittleren Alters mit Kreuzschmerzen sind in der Praxis sehr häufig. Mindestens 20% dieser Altersgruppe sind davon betroffen [1]. Doch bei nicht einmal 1% dieser Patienten gibt es eine bösartige Ursache [2]. Zu den Warnsignalen in diesem Fall gehörten die anhaltenden und sich verschlimmernden Rückenschmerzen, die den Patienten auch nachts erwachen ließen, Allgemeinsymptome wie Müdigkeit und gelegentliches Fieber sowie hämatologische und biochemische Anomalien bei den Screening-Untersuchungen.
Der Verdacht auf ein multiples Myelom (MM) ergab sich aus einer Befundkonstellation, die mit dem Akronym CRAB zusammengefasst wird: Hyperkalzämie (calcium), Niereninsuffizienz (renal insufficiency), Anämie (anaemia) und Knochenläsionen (bone lesions) [3]. Es müssen nicht alle 4 Kriterien erfüllt sein, um die Diagnose zu stellen [4]. Das Durchschnittsalter bei der Diagnose liegt bei 68 Jahren, sie wird jedoch auch bei jüngeren Erwachsenen gestellt [5]. Das unspezifische klinische Erscheinungsbild führt oft dazu, dass die Erkrankung erst mit erheblicher Verzögerung diagnostiziert wird [6].
Das später angefertigte MRT der Wirbelsäule ließ mehrere Läsionen erkennen, die über 5 mm groß waren und mehrere Wirbelkörper betrafen. Dies trug zur Bestätigung der Diagnose bei. Auch der deutlich erhöhte BSG-Wert von > 100 mm/h wird beim MM und bei anderen Krebsarten, Autoimmunerkrankungen und Infektionen oft gesehen. Die Geldrollenbildung (Rouleaux-Bildung) durch Verklumpung der Erythrozyten im peripheren Blutausstrich unterstützt die Diagnose, wenngleich sie auch bei systemischen Entzündungen oder bei vorhandenen Erythrozyten-Antikörpern auftreten kann.
Plasmazellen produzieren normalerweise Immunglobuline. Beim MM sondert ein bösartiger Plasmazellklon große Mengen an abnormen schwer- und/oder leichtkettigen Proteinen ab, die im Blut oder Urin nachweisbar sind [3]. In der Mehrzahl handelt es sich um schwere Ketten, und in der Serumelektrophorese (SPEP) kann ein monoklonales Protein (M-Protein) nachgewiesen werden. Dies ist jedoch nicht spezifisch und wird manchmal auch bei lymphoiden Krebsarten gefunden (z.B. Waldenström-Makroglobulinämie, chronische lymphatische Leukämie) [7]. Der SPEP-Befund war bei diesem Patienten negativ. Ein MRT der Wirbelsäule zeigte jedoch mehrere knöcherne Läsionen. Es wurden keine Weichteilschwellungen festgestellt. Die Auswertung der Knochenmarkbiopsie ergab einen Plasmazellanteil von 22%. Der Test auf freie Leichtketten im Serum erwies sich später als positiv. Von den Betroffenen scheiden lediglich 20% nur Leichtketten aus [8]. Leichtketten können auch im Urin nachgewiesen werden, wo sie als „Bence-Jones-Proteine“ bekannt sind, wie es bei diesem Patienten der Fall war.
Die Kriterien der International Myeloma Working Group (IMWG) für das multiple Myelom fordern für die Diagnose mindestens 10% klonale Plasmazellen im Knochenmarkaspirat oder ein durch Biopsie nachgewiesenes knöchernes oder extramedulläres Plasmozytom [4,9]. Außerdem müssen eine oder mehrere der folgenden Bedingungen erfüllt sein:
Nachweis von Endorganschäden, die auf die zugrunde liegende Plasmazellvermehrungsstörung zurückgeführt werden können, insbesondere:
Hyperkalzämie: Serumkalziumspiegel > 0,25 mmol/l (> 1 mg/dl) über der oberen Grenze der Norm oder > 2,75 mmol/l (> 11 mg/dl)
Niereninsuffizienz: Kreatinin-Clearance < 40 ml/min oder Kreatin i.S. > 177 µmol/l (> 2 mg/dl)
Anämie: Hb > 2 g/dl unter der unteren Grenze der Norm oder < 10 g/dl
Knochenläsionen: eine oder mehrere osteolytische Läsionen in der Skelettröntgenaufnahme, CT oder PET-CT
Einer oder mehrere der folgenden Biomarker für Krebs:
60% klonale Plasmazellen im Knochenmark
Verhältnis beteiligte/unbeteiligte serumfreie Leichtketten > 100
eine oder mehrere fokale Läsionen im MRT (jede fokale Läsion muss > 5 mm sein).
Medscape © 2022 WebMD, LLC
Die dargestellte Meinung entspricht der des Autors und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten von WebMD oder Medscape wider.
Diesen Artikel so zitieren: Fall: Müdigkeit und Rückenschmerzen haben viele Gründe – nicht alle sind harmlos. Wie helfen Sie diesem 42-Jährigen? - Medscape - 6. Okt 2022.
Kommentar