PARP-Hemmer in fortgeschrittenen Therapielinien beim Ovarial-Ca eher schädlich; Brusterhaltendes Vorgehen bei Frauen über 70

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

4. Oktober 2022

Im Onko-Blog dieser Woche geht es unter anderem um PARP-Hemmer beim Ovarialkarzinom: Subgruppenanalysen aus 3 Studien haben gezeigt, dass sie bei Frauen, die mindestens 3 Vortherapien erhalten haben, das Gesamtüberleben im Vergleich zu einer Chemotherapie-Kontrollgruppe verkürzen. Zum Mammakarzinom: Bei über 70 Jahre alten Frauen ist eine brusterhaltende Operation eine schonendere Alternative zur Mastektomie. Schonender ist auch die laparoskopische Operation bei tiefem Rektumkarzinom im Vergleich zum offenen Eingriff, und sie ist mit einem kürzeren Krankenhausaufenthalt assoziiert. Hoffnung für Patienten mit Smoldering Multiplem Myelom: Neue Verfahren zur Risikostratifizierung ersparen ihnen möglicherweise in absehbarer Zeit Patienten unangenehme Knochenmarksbiospien.

  • Ovarialkarzinom: Eventuell verkürztes Überleben durch PARP-Hemmer nach 3 Vortherapien

  • Mammakarzinom: Mastektomie oder brusterhaltendes Vorgehen bei Frauen über 70?

  • Rektumkarzinom: Laparoskopie versus offene Operation

  • Oropharynxkarzinom: Screening mit frühen HPV-16-Proteinen denkbar

  • Smoldering Multiples Myelom: Neue Methode zur Risiko-Stratifizierung ohne Biopsie

  • CLL: Angriff an CD20 und CD52 erreicht langanhaltende Effekte

Ovarialkarzinom: Eventuell verkürztes Überleben durch PARP-Hemmer nach 3 Vortherapien

Eine Post-hoc-Analyse der Überlebensdaten der SOLO3-Studie hat gezeigt, dass Olaparib bei Frauen mit BRCA-mutiertem, platinsensitivem rezidiviertem Ovarialkarzinom zu unterschiedlichen Ergebnissen im Gesamtüberleben (OS) führte, je nachdem ob sie zuvor mit 2 Therapielinien oder mit mindestens 3 Therapielinien behandelt worden waren.

„Diese Post-hoc-Subgruppenanalyse deutet auf einen Überlebensvorteil der Olaparib-Behandlung gegenüber Chemotherapie bei Patientinnen mit 2 vorangegangenen Chemotherapie-Linien und auf eine potenziell nachteilige Wirkung bei Frauen mit mindestens 3 vorangegangenen Chemotherapie-Linien hin“, so die Schlussfolgerung der Autoren auf der Jahrestagung der International Gynecologic Cancer Society.

In der Gesamtgruppe überlebten die Frauen im Olaparib-Arm im Median 34,9 Monate, im Vergleichsarm mit Chemotherapie 32,9 Monate (Hazard Ratio [HR] 1,07). Bei Vorbehandlung mit 2 Therapien betrug das mediane OS 37,9 Monate mit Olaparib und 28,8 Monate mit Chemotherapie.

Aber: Mit Olaparib behandelte Frauen, die mindestens 3 Vortherapien erhalten hatten, überlebten im Median 29,9 Monate, mit Chemotherapie behandelte Frauen 39,4 Monate (HR 1,33).

Ähnlich nachteilige Wirkungen von PARP-Hemmern auf das Gesamtüberleben waren auch in der Ariel4-Studie mit Rucaparib und in der ENGOT-OV16/NOVA-Studie mit Niraparib gesehen worden.

Die Hersteller der 3 PARP-Hemmer haben deshalb inzwischen in den USA die Indikation zur Behandlung von Patientinnen mit Ovarialkarzinom mit mindestens 3 Vortherapien zurückgezogen.

Diese aktuelle Datenlage ist zudem von der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in ihren im Journal of Clinical Oncology publizierten aktualisierten Empfehlungen zum Einsatz von PARP-Inhibitoren beim Ovarialkarzinom berücksichtigt.

Mammakarzinom: Mastektomie oder brusterhaltendes Vorgehen bei Frauen über 70?

Bei älteren Brustkrebspatientinnen waren der Effekt einer brusterhaltenden Operation (BCS) und einer Mastektomie auf das Gesamtüberleben vergleichbar. Die chinesischen Autoren dieser retrospektiven Studie empfehlen daher in Breast Cancer Research and Treatment , dass die brusterhaltende Operation für ältere Patientenpopulationen als gleichwertige und weniger aggressive Alternative zur Mastektomie betrachtet sollte.

Retrospektiv hatten sie nach einem Propensity Score Matching die Daten von je 7.222 Patientinnen aus der SEER-Datenbank analysiert, die sich einer BCS oder einer Mastektomie unterzogen hatten. Das Gesamtüberleben unterschied sich in den beiden Gruppen nicht mit einer OS-Rate von 85,8% in der BCS-Gruppe und 85,0% in der Mastektomie-Gruppe (p=0,135).

In einer Subgruppenanalyse ergab sich bei Frauen mit postoperativer Strahlentherapie und Chemotherapie ein OS-Vorteil für die BCS im Vergleich zur Mastektomie (p<0,05). Allerdings könnte dies durch einen Selektionsbias bedingt sein, diese Ergebnisse sollten deshalb – so die Autoren – mit Vorsicht interpretiert werden.

Rektumkarzinom: Laparoskopie versus offene Operation

Bei Patienten mit tief liegendem Rektumkarzinom ist eine von erfahrenen Chirurgen durchgeführte laparoskopische Operation im pathologischen Ergebnis mit einer offenen Operation vergleichbar. Nach dem laparoskopischen Eingriff kann der Schließmuskel häufiger erhalten werden, und die Patienten sind kürzer im Krankenhaus. Dies ergab eine Studie mit 1.039 Patienten in China, deren Ergebnisse in JAMA Oncology erschienen sind.

In der multizentrischen, randomisierten Nichtunterlegenheitsstudie in 22 chinesischen Krankenhäusern wurden 685 Patienten laparoskopisch und 354 Patienten offen operiert. Eine vollständige mesorektale Exzision wurde bei 85,3% in der laparoskopischen Gruppe und 85,8% in der offenen Gruppe erreicht.

Die laparoskopische Gruppe hatte mit 71,7% eine höhere Sphinkter-Erhaltungsrate als die Gruppe mit offener Operation mit 65,0%. Außerdem war die Verweildauer im Krankenhaus mit 8,0 vs. 9,0 Tagen kürzer.

Die postoperative Komplikationsrate unterschied sich nicht zwischen den beiden Gruppen.

Oropharynxkarzinom: Screening mit frühen HPV-16-Proteinen denkbar

Patienten mit HPV-bedingten Oropharynx-Karzinomen bilden nicht nur Antikörper gegen HPV16, sondern auch gegen andere HPV-Proteine, die während der Frühphase der Infektion gebildet werden, vor allem E1, E2 und E7. Eine Forschergruppe des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg konnte zeigen, dass mit einem kombinierten Nachweis von Antikörpern gegen HPV16-E6 und mindestens einem weiteren frühen HPV16-Protein die Vorhersagekraft einer Screening-Untersuchung deutlich verbessert wird. Die Ergebnisse ihrer Proof-of-Concept-Studie sind in eClinicalMedicine erschienen.

Von 4.424 Teilnehmern an der Hamburg City Health Study, einer der größten deutschen Gesundheitsstudien, wurden Blutproben auf die Antikörperkombination getestet. Bei 35 Personen (0,8%) fanden sich Antikörper gegen HPV16-E6, doch nur 11 Personen (0,3%) waren seropositiv für HPV16-E6 plus ein weiteres frühes HPV16-Protein.

Diese 11 Hochrisiko-Personen wurden anschließend im sechsmonatigen Abstand zu regelmäßigen Untersuchungen in die Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf eingeladen. 9 Teilnehmer nahmen diese Untersuchungen wahr. Dabei wurden in den folgenden 1,3 Jahren bei 3 symptomlosen Teilnehmern HPV-bedingte Oropharynx-Karzinome im Stadium 1 entdeckt; sie konnten erfolgreich behandelt werden.

Die Autoren betonen in einer Pressemitteilung, dass es sich bei der aktuellen Arbeit um eine Machbarkeitsuntersuchung handelt. „Vielfach bestand die Erwartung, dass ein Screening auf Oropharynx-Krebs auf Grund der Seltenheit der Erkrankung unweigerlich zu einer inakzeptabel hohen Rate von falsch-positiven Ergebnissen führen würde. Diese Befürchtung konnten wir durch die kombinierte Antikörper-Analyse ausräumen.“

Als nächstes wollen die Heidelberger Wissenschaftler weitere Biomarker und klinische Untersuchungen sowie bildgebende Verfahren in die Untersuchung mit aufnehmen, um die optimalen Bedingungen für ein Screening auf HPV-bedingten Oropharynx-Krebs zu definieren. Erst dann wird sich abschätzen lassen, ob ein bevölkerungsweiter Einsatz einer solchen Früherkennungsuntersuchung unter medizinischen und auch ökonomischen Aspekten sinnvoll sein könnte.

Smoldering multiples Myelom: Neue Methode zur Risiko-Stratifizierung ohne Biopsie

Eine internationale Arbeitsgruppe hat in Clinical Cancer Research eine neue Methode zur Risikostratifizierung von Patienten mit schwelendem multiplem Myelom (SMM) publiziert, bei der im peripheren Blut zirkulierende Tumorzellen und Immunbiomarker bestimmt werden. Sollte sich der Nutzen dieses Vorgehens in weiteren Studien bestätigen, könnte damit eine für die Patienten angenehmere Methode als die Knochenmarksbiospie zur Verfügung stehen.

Eine optimale Risikostratifizierung vermeidet bei Patienten mit SMM eine Über- oder Untertherapie. Die seit 2020 zur Risikobeurteilung eingesetzte 2/20/20-Regel verwendet M-Protein >2 g/dl, Plasmazellanteil im Knochenmark von >20% und einen Quotienten aus involvierter und nichtinvolvierter freier Leichtkette im Serum von >20. Die Arbeitsgruppe untersuchte seriell alle 6 Monate an 150 SMM-Patienten aus der iMMunocell-Studie Tumor- und Immunzellen im Blut über insgesamt 3 Jahre.

Patienten mit zirkulierenden Tumorzellen (CTC) über 0,015% vs. ≤0,015% zu Studienbeginn hatten eine mediane Zeit bis zur Progression von 17 Monaten vs. bislang nicht erreicht (HR 4,9; p<0,001). Modelle, in denen der Anteil von 20% Plasmazellen im Knochenmark durch den CTC-Anteil von 0,015% ersetzt wurde, ergaben eine ähnliche Risikostratifizierung wie die klassische 2/20/20-Regel.

Wurde das 2/20/0,015-Modell mit einem Immun-Risikoscore kombiniert, der auf dem prozentualen Anteil von SLAN+ und SLAN--Monozyten, CD69+ HLADR+ zytotoxischen NK-Zellen und CD4+ CXCR3+ Gedächtnis-T-Zellen basierte, konnten die Patienten in 4 Risikoklassen stratifiziert werden:

  • Niedrig-Risiko-Gruppe mit einem Progressionsrisiko von 0%,

  • Intermediär-niedrig-Risiko-Gruppe mit einem Progressionsrisiko von 20%,

  • Intermediär-hoch-Risiko-Gruppe mit einem Progressionsrisiko von 39%,

  • Hochrisiko-Gruppe mit einem Progressionsrisiko von 73% jeweils nach 2 Jahren.

CLL: Angriff an CD20 und CD52 erreicht langanhaltende Effekte

Auf eine Erstlinientherapie mit dem CD52-Antikörper Alemtuzumab und dem CD20-Antikörper Ofatumumab über eine kurze Dauer sprachen 98% der Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) an. Ein komplettes Ansprechen erreichten 48%, wovon bei 60% im Knochenmark keine minimale Resterkrankung mehr nachweisbar war. Eine schwedisch-amerikanische Arbeitsgruppe hat dieses Ergebnis einer Phase-2-Studie in Leukemia Research publiziert.

Sie hatten 52 Patienten mit nicht vorbehandelter CLL im medianen Alter von 65 Jahren in die Studie aufgenommen und mit Alemtuzumab (subkutan 30 mg dreimal in der Woche über 18 Wochen) und Ofatumumab (i.v. 300 bis 2.000 mg ab Woche 3 alle 2 Wochen, insgesamt 8 Gaben) behandelt.

Nach einem medianen Follow-up von 68 Monaten betrug das mediane progressionsfreie Überleben 31 Monate, das Ansprechen dauerte 30 Monate und das Gesamtüberleben war noch nicht erreicht.

Fazit der Autoren: „Unsere Studie hat gezeigt, dass das duale Targeting von CD20 und CD52 ein früh erfolgreiches Beispiel für eine zeitlich begrenzte (4 bis 5 Monate) Chemotherapie-freie gezielte Therapie für eine zuvor unbehandelte CLL darstellt.“

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