Herbst- und Winterwelle hat begonnen; neues Institut für Long-COVID gegründet; viele neurologische Therapien ohne Evidenz

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

4. Oktober 2022

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 4. Oktober 2022

Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 374 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 3. Oktober lag der Wert bei 471; Meldeverzögerungen durch das verlängerte Wochenende gelten als recht wahrscheinlich. 

Unsere Themen heute:

  • Pressekonferenz: Lauterbach warnt vor „Beginn einer Herbst- und Winterwelle“, Wieler rät zur Viertimpfung

  • Neues Institut für Long-COVID gegründet

  • Aktualisierung der Leitlinie zu neurologischen Manifestationen bei COVID-19

  • Wissenschaftler bestätigen: Nach COVID-19 haben Kinder nur ein geringes ME/CFS-Risiko unklar

  • Indonesien lässt chinesisches mRNA-Vakzin zu – die Wirksamkeit ist unklar

Pressekonferenz: Lauterbach warnt vor „Beginn einer Herbst- und Winterwelle“, Wieler rät zur Viertimpfung

Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) und RKI-Chef Prof. Dr. Lothar H. Wieler haben am 30. September die aktuelle Corona-Situation bewertet. „Wir befinden uns am Beginn einer Herbst- und Winterwelle“, so Lauterbach vor der Bundespressekonferenz. „Diese Welle wird sich so schnell nicht von alleine begrenzen.“ Der Minister warnte davor, die Pandemie zu verharmlosen. Corona stehe nicht mehr so sehr im Brennpunkt der Berichterstattung, sagte er. Die Fallzahlen könnten aber bald wieder vierstellig werden. 

Auch Wieler betonte, die Pandemie sei noch nicht vorüber. Momentan beobachte man eine verstärkte Zunahme an akuten Atemwegsinfektionen (ARE) – durch unterschiedliche Viren, nicht nur durch SARS-CoV-2. Im RKI-Wochenbericht nennen Epidemiologen für Woche 38 ca. 7,7 Millionen Patienten mit ARE und ca. 1,2 Millionen Arztkonsultationen: deutlich höhere Werte als zu den Vorjahreszeiträumen. 

Der RKI-Präsident forderte alle Über-60-Jährigen auf, sich ein 4. Mal impfen zu lassen: „Es macht für ältere Menschen einen Riesenunterschied, ob man 3-mal geimpft ist oder ob man 4-mal geimpft ist.“ Nur 25% in dieser Altersgruppe hätten aktuell eine Viertimpfung. 

Neues Institut für Long-COVID gegründet

Wer sich nicht impfen lässt, muss auch mit langfristigen Folgen rechnen: Rund 10% aller COVID-19-Patienten sind von Long-COVID betroffen, selbst wenn ihre akute Erkrankung mild verlaufen ist. Dies hat weitreichende gesundheitliche, aber auch ökonomische Folgen. 

Hier setzt das neu gegründete Institut Long Covid mit Sitz in Rostock an. Direktorin ist die Pneumologin Dr. Jördis Frommhold, Expertin zum Thema Long-COVID. Sie hat an der Median-Reha-Klinik in Heiligendamm schon mehr als 5.500 Patienten betreut.

Ihr Ziel: Menschen mit Long-COVID sollen besser über den Umgang mit der Erkrankung und über mögliche Behandlungen informiert werden. Eine Kassenzulassung hat das Institut bislang nicht. Das Angebot richten sich derzeit an Privatpatienten und an Selbstzahler. 

Aktualisierung der Leitlinie zu neurologischen Manifestationen bei COVID-19

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) hat zusammen mit anderen Fachgesellschaften eine überarbeitete Fassung der Leitlinie „Neurologische Manifestationen bei COVID-19“ publiziert, und zwar erstmal als S2k-Leitlinie.

Die Autoren haben aktuelle Themen rund um Heilversprechen aufgegriffen. Im Fokus des öffentlichen Interesses rückten Apheresebehandlungen, allen voran die Lipidapherese. Bei Hinweisen auf einen autoimmunologischen Erkrankungsmechanismus können eine immunmodulatorische Therapie als individueller Heilversuch begonnen werden – so lautet die Empfehlung der Leitlinie. Dazu würden Verfahren zur Immunadsorption zählen, etwa die Lipidapherese.

Nur gebe es derzeit keine kausale Therapie für Post-COVID mit den typischen neurologischen Beschwerden wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Fatigue, Kopfschmerzen, Myalgien und Neuropathien, heißt es in der Meldung. Und es fehle derzeit die Evidenz, um extrakorporale Verfahren zu empfehlen. 

„Die Aufgabe der Medizin ist es nun, Studien aufzulegen, um Wirkung und Sicherheit dieser Therapie zu untersuchen“, schreibt die DGN. „Erste Studien wurden bereits in interdisziplinärer Zusammenarbeit an verschiedenen Universitätskliniken aufgelegt.“ 

Nach COVID-19 haben Kinder nur ein geringes ME/CFS-Risiko

Ist eine SARS-CoV-2-Infektion mit Symptomen einer myalgischen Enzephalomyelitis und/oder eines chronischen Erschöpfungssyndroms (ME/CFS) bei Kindern und Jugendlichen verbunden? Dieser Fragegingen Wissenschaftler aus Deutschland jetzt nach. Bislang gab es dazu kaum Anhaltspunkte. 

Daten kamen aus der Querschnittserhebungen zur SARS-CoV-2-Seroprävalenz in Deutschland (SARS-CoV-2 KIDS), und zwar vom 1. Mai bis 31. Oktober 2021. Pädiatrische Patienten wurden während eines stationären oder ambulanten Besuchs rekrutiert, unabhängig von der Indikation. Die Forscher haben Daten über Fragebögen erfasst und Blutproben der Kinder untersucht. 

Von 634 Teilnehmern (294 männlich [46,4%] und 340 weiblich [53,6]; mittleres Alter 11,5 Jahre) berichteten 198 (31,2%) über ME/CFS-Symptome, darunter 40 von 100 SARS-CoV-2-seropositiven (40,0%) und 158 von 534 SARS-CoV-2-seronegativen (29,6%) Kindern und Jugendlichen. 

Nach Adjustierung für Geschlecht, Altersgruppe und Vorerkrankungen sank das Risikoverhältnis für ME/CFS-Symptome von 1,35 (95%-KI 1,03-1,78) auf 1,18 (95%-KI 0,90-1,53) und für starke Müdigkeit von 2,45 (95%-KI 1,24-4,84) auf 2,08 (95%-KI 1,05-4,13). 

Diese Ergebnisse deuteten darauf hin, dass das Risiko einer ME/CFS-Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen aufgrund einer SARS-CoV-2-Infektion gering sei, heißt es im Artikel. 

Indonesien lässt chinesisches mRNA-Vakzin zu – die Wirksamkeit ist unklar

Indonesien hat weltweit als 1. Land und noch vor China eine Notfallzulassung für einen chinesischen mRNA-Impfstoff gegen COVID-19 erteilt. Das hat Medscape.com berichtet.

Die indonesische Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde (BPOM) gab grünes Licht für den Einsatz des mRNA-Impfstoffs von Walvax Biotechnology Co Ltd., der sich seit mehr als 2 Jahren in der Entwicklung befindet und gegen den ursprünglichen Stamm des Coronavirus gerichtet ist.

Die Zulassung kommt etwas überraschend, da Walvax zwar große Studien durchgeführt hat, aber noch keine Daten veröffentlicht hat, die zeigen, wie gut der Impfstoff das Risiko von COVID-Fällen und Todesfällen verringern kann.

Die Leiterin der indonesischen Behörde, Penny Lukito, erklärte, dass der Impfstoff, der jetzt unter dem Namen AWcorna® vertrieben werde, zu 83,58% gegen Wildtyp-Coronavirus-Stämme wirksam sei. Bei Omikron sinke die Wirksamkeit auf 71,17%. Nachprüfbar sind solche Zahlen jedoch nicht. 

Indonesien hat bereits anderen chinesischen COVID-Impfstoffen eine Notfallzulassung erteilt, bevor detaillierte Wirksamkeitsdaten vorlagen, allerdings zu einem früheren Zeitpunkt der Pandemie, als westliche Produkte Mangelware waren.

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Kommentar

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