Aus mehreren Studien und Umfragen ist bekannt, dass hohe Arbeitsbelastung und Bürokratie die Zufriedenheit und auch Gesundheit von Hausärzten erheblich beeinträchtigen. Weniger im Fokus stünden „jedoch Faktoren, die zur Bewältigung von Arbeitsbelastungen beitragen und die Gesundheit fördern können (Konzept der Salutogenese)“, erklären Dr. Lena Werdecker und Prof. Dr. Tobias Esch von der Universität Witten/Herdecke. Das Wissen darüber könnte ihnen zufolge jedoch genutzt werden, um Interventionen zu gestalten, die Schutzfaktoren von Beschäftigten im Gesundheitswesen stärken.
Interviews mit Hausärzten
Werdecker und Esch haben in einer Studie untersucht, „was zum Glücksempfinden bei Hausärztinnen und -ärzten sowie ihren Mitarbeitenden im Arbeitskontext beiträgt“. Dazu führten sie von April bis Oktober 2018 Beobachtungen in Hausarztpraxen und Interviews mit Hausärzten und nicht-ärztlichen Mitarbeitern in Nordrhein-Westfalen durch.
In 5 Praxen sei offen beobachtet worden, schreiben die Autoren. 11 Ärzte sowie 15 Mitarbeitende seien interviewt worden. Das Durchschnittsalter betrug rund 50 Jahre (Median: 51 Jahre; 29 bis 72 Jahre). In vier Fällen habe es sich um Praxen in einer Großstadt (über 100.000 Einwohner) gehandelt, eine Praxis habe sich in einer Mittelstadt (30.000 Einwohner) befunden. In einer Praxis sei ein großer Anteil von Privatpatienten versorgt worden. Hier die wichtigsten Ergebnisse:
Zusammenarbeit im Team
In den Interviews und Beobachtungen wurde laut Werdecker und Esch deutlich, „dass die Teamarbeit und das kollegiale Miteinander den Mitarbeiterinnen und Ärztinnen und Ärzten in Hausarztpraxen hinsichtlich ihrer Zufriedenheit und der Freude an der Arbeit sehr wichtig waren“. Mitarbeiterinnen einer Einzelpraxis hätten etwa das „gemeinsame Lachen“ als ein Beispiel für die gute Stimmung im Team beschrieben, die auch von den Patientinnen und Patienten wertgeschätzt worden sei.
Das entgegengebrachte Vertrauen für die Gestaltung des eigenen Arbeitsbereichs im nicht-ärztlichen Team (z.B. Anmeldung) sei als Wertschätzung wahrgenommen worden und habe zum Glücksempfinden beigetragen. Zugleich habe das selbstständige Arbeiten auch eine Entlastung für weitere Praxisabläufe bewirkt. Deutlich sei zudem geworden, „dass Teamzusammenkünfte als wertvolles Instrument zur Stärkung des kollegialen Miteinanders wahrgenommen wurden“.
Das Gespräch in Team
Ein wichtiger Faktor ist auch der Austausch im Team, etwa über emotional belastende Ereignisse (schwerwiegende Diagnosen, gestorbene Patienten). In einer der teilnehmenden Hausarztpraxen sei der Austausch unter Ärztinnen zu einem Ritual geworden, berichten die Autoren weiter.
So hätten sich die Kollegen zu einem „Kaffee“ in der Küche getroffen, um sich durch Gespräche über Patienten zu informieren oder das eigene Handeln zu überdenken und zu diskutieren. Einen wesentlichen Baustein für Glück und Zufriedenheit in der hausärztlichen Praxis machte der Studie zufolge auch die Beziehung zu den oft seit vielen Jahren bekannten Patienten aus.
Lokale Verbundenheit
Ein wesentlicher Faktor für das Wohlbefinden sei darüber hinaus die Verbundenheit mit dem Ort, in dem die Praxis liege. Das Kennen der Menschen vor Ort mit ihren Besonderheiten und das gemeinsame Wohnen und Leben seien von den Interviewten für die kontinuierliche Begleitung über einen langen Zeitraum als wertvoll beschrieben worden. Die Zuschreibung der Rolle als „Hausarzt im Dorf“ habe zur Zufriedenheit mit der ärztlichen Tätigkeit beigetragen:
„Passung der Patienten“
Von Bedeutung für Glück und Zufriedenheit sei zudem, dass die Patienten zur Praxis passten: „Passen das Team der hausärztlichen Praxis und Patienten zusammen, schien dies zur Harmonie in der täglichen Arbeit beizutragen. Störungen hinsichtlich der Passung wurden immer dann sehr deutlich, wenn Vertretungszeiten für andere Praxen anstanden oder ein Wechsel im ärztlichen Bereich erfolgte“, erklären die Autoren weiter.
Wirksamkeit des eigenen Tuns, Erfolg und Anerkennung
Außerdem sei deutlich geworden, dass die Wirksamkeit des eigenen Handelns einen wichtigen Beitrag zu Glück und Zufriedenheit in der hausärztlichen Tätigkeit ausmachte. Das eigene Handeln in der Hausarztpraxis sei charakterisiert worden durch ein freundliches Wort oder Gespräch, das Zuhören bei Sorgen und Nöten, eine medizinische Behandlung oder Therapie sowie eine erfolgreiche Diagnostik. Solche „Glücksmomente“ seien zum Teil auch im Team geteilt worden, und das habe alle bestärkt, die einen Beitrag zu diesem Ergebnis geleistet hätten.
Glückstraining für mehr psychosoziale Gesundheit
Die Ergebnisse der Untersuchung könnten zum einen „für die Gestaltung von glücksstiftenden Rahmenbedingungen genutzt werden“, erklären Lena Werdecker und Tobias Esch. Zum anderen könnten die Ergebnisse „bei der Entwicklung von verhaltensbezogenen Maßnahmen zur Gesundheitsförderung von Hausärztinnen und -ärzten und ihren Teams hilfreich sein“. Glückstraining im Sinne der Positiven Psychologie könne helfen, um belastende Arbeitssituation besser zu bewältigen und die psychosoziale Gesundheit zu stärken.
Der Beitrag ist ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Glücksempfinden von Hausärzten: Was gute Gefühle fördert – und was sie hemmt - Medscape - 5. Okt 2022.
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