Impf-mRNA in Muttermilch nachgewiesen; Pandemietreiber Oktoberfest?; BA.2.75 ante portas: Schützen die Vakzine?

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

29. September 2022

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 29. September 2021

Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 409,9 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 28. September lag der Wert bei 379,6

Unsere Themen heute:

  • Forscher weisen erstmals mRNA von COVID-19-Impfstoffen in Muttermilch nach

  • Das Münchener Oktoberfest – ein möglicher Pandemietreiber

  • Bringt die Winterwelle BA.2.75 – und schützen Vakzine davor?

  • Neue Daten: COVID-19 als möglicher Risikofaktor für Typ-1-Diabetes

  • Intensivmedizin: Die High-Flow-Sauerstofftherapie verringert die COVID-19-Mortalität nicht

Forscher weisen erstmals mRNA von COVID-19-Impfstoffen in Muttermilch nach

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt ungeimpften Schwangeren, sich mit mRNA-Vakzinen gegen COVID-19 zu schützen. Ähnliche Ratschläge kommen von den US Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Ob mRNAs in die Muttermilch übergehen, konnten Forscher nicht ausschließen; eine ältere, jedoch methodisch anfechtbare Studie fand keine Hinweise darauf. 

Jetzt liefert eine Kohortenstudie gänzlich andere Resultate. Forscher schlossen 11 gesunde, stillende Frauen ein, die innerhalb von 6 Monaten nach der Entbindung entweder Moderna mRNA-1273-Impfstoff (n = 5) oder Pfizer BNT162b2 (n = 6) erhalten hatten. Die Teilnehmerinnen wurden gebeten, Proben der Muttermilch zu Hause zu sammeln und sofort einzufrieren, bis sie ins Labor transportiert wurden. Proben wurden vor der Impfung (Kontrolle) und 5 Tage lang nach der Impfung entnommen und untersucht. Die Nachweisgrenze lag bei 1 pg mRNA/ml Muttermilch. 

In 7 Proben von 5 verschiedenen Frauen fanden die Forschenden Spuren von BNT162b2 und mRNA-1273. Dies galt für ein Zeitfenster von maximal 45 Stunden nach der Impfung. 48 Stunden nach der Impfung ließen sich keine mRNAs des Vakzins mehr nachweisen. 

„Wir spekulieren, dass nach der Verabreichung des Impfstoffs Lipid-Nanopartikel mit Impfstoff-mRNA über hämatogene und/oder lymphatische Wege in die Brustdrüsen gelangen“, schreiben die Autoren. Stillen sei nach COVID-19-Impfungen sicher, insbesondere nach 48 Stunden. 

Zu den Einschränkungen dieser Studie gehören die relativ kleine Stichprobengröße. Offen bleibt auch die Frage, ob mRNA-Moleküle in der Muttermilch noch biologisch aktiv sind, sprich ob durch Translation im Körper der Babys Proteine von SARS-CoV-2 gebildet werden. „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass stillende Personen in künftige Impfstudien einbezogen werden, um die Auswirkungen von mRNA-Impfstoffen auf die Stillzeit besser beurteilen zu können“, fordern die Wissenschaftler. 

Das Münchener Oktoberfest – ein möglicher Pandemietreiber

Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt berichtet München von einer besonders hohen 7-Tage-Inzidenz von 547 (28. September). Vor einer Woche lag der Wert bei 240. Zum Vergleich: In Bayern ist der Wert zeitgleich von 335 auf 503 und bundesweit von 264 auf 380 angestiegen. Die Dunkelziffer dürfte – wie überall – deutlich höher liegen, da bei Weitem nicht alle Infizierten einen offiziellen PCR-Test durchführen lassen. Das Oktoberfest hat am 17. September begonnen; für COVID-19 nennt das RKI rund 6 Tage als Inkubationszeit. 

Quellen: RKI, muenchen.de 

Bringt die Winterwelle BA.2.75 – und schützen Vakzine davor?

Vor mehr als 4 Monaten haben Molekularbiologen in Indien erstmals die Coronavirus-Variante BA.2.75 identifiziert. Seitdem ist sie in mindestens 35 Ländern und in etlichen US-Bundesstaaten nachgewiesen worden. In Deutschland und in den angrenzenden Ländern spielt sie – noch – keine Rolle. 

„Die Variante BA.2.75 ist erfolgreich in der Übertragung und könnte sich daher gut ausbreiten“, erklärte Dr. Christine Dahlke vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) gegenüber dem Science Media Center Germany. BA.2.75 habe Aminosäuresubstitutionen in dem Spike-Protein, verglichen mit BA.2. Deshalb stelle sich die Frage, ob Impfstoff-induzierte Antikörper gegen Spike neutralisierend gegen BA.2.75 wirken würden. 

„Neue Studien beschreiben die Fähigkeit von Antikörpern die SARS-CoV-2-Variante BA.2.75 zu neutralisieren und somit die Bindung der Viren an die Zellen und das Eintreten zu verhindern“, sagt Dahlke. „Hier gibt es Daten von einer Zusammenarbeit der Uniklinik Köln und der Charité oder aus dem Labor von David Montefiori.“

Hier seien geimpften Menschen, die zuvor eine Booster-Immunisierung erhalten hätten, eingeschlossen worden. „Beide Studien zeigen, dass es keine schwächere Antwort im Vergleich zu BA.5 gibt, was ich als positiv einschätze“, so die Expertin. „Zusätzlich hat im Vergleich zu BA.2 und BA.4/5 eine größere Breite an monoklonalen Antikörpern bei BA.2.75 reagiert.“ 

Dahlke bewertet die Labordaten als „vielversprechend“, betont jedoch, es gebe noch keine Informationen zu T-Zell-Antworten. Hinzu kommt: „Die Bevölkerung hat unterschiedliche Impfungen und Infektionen mit verschiedenen Varianten erhalten und durchlebt, sodass der Immunschutz in der Bevölkerung sehr unterschiedlich ist.“

Ihr Rat: BA.2.75 solle „nicht als harmlos angesehen werden, da eine geschwächte Immunantwort bei einer Infektion mit BA.2.75 auch zu schwereren Verläufen führen könnte“. 

Neue Daten: COVID-19 als möglicher Risikofaktor für Typ-1-Diabetes

Die Inzidenz von Neuerkrankungen mit Typ-1-Diabetes (T1D) ist während der COVID-19-Pandemie angestiegen. Bislang gab es nur Daten aus Studien mit geringen Fallzahlen; teilweise wurde auch nicht zwischen Typ-1- und Typ-2 Diabetes unterschieden. Mit einer neuen Kohortenstudie wollten Forscher nun klären, ob es bei pädiatrischen Patienten nach COVID-19 tatsächlich zu einem Anstieg der Neudiagnosen von T1D kam.

Grundlage ihrer Arbeit waren anonymisierten elektronischen Gesundheitsdaten von mehr als 90 Millionen US-amerikanischen Patienten. Die Studienpopulation umfasste 2 Kohorten: 

  • Patienten im Alter von maximal 18 Jahren oder jünger mit einer SARS-CoV-2-Infektion zwischen März 2020 und Dezember 2021

  • Patienten im Alter von maximal 18 Jahren ohne SARS-CoV-2-Infektion, aber mit einer Nicht-SARS-CoV-2-Infektion der Atemwege im gleichen Zeitraum. 

Die Kohorten wurden hinsichtlich der demografischen Daten und der familiären Vorbelastung mit Diabetes zusammengestellt. Nach einer statistischen Abgleichung wurden Daten von 285.628 mit COVID-19 und 285.628 mit anderen Infektionen der Atemwege in die Analyse einbezogen. 

Bis 6 Monate nach COVID-19 hatten 123 Patienten (0,043%) eine neue T1D-Diagnose erhalten, aber nur 72 (0,025%) in der Gruppe mit sonstigen Infektionen. 1, 3 und 6 Monate nach der Infektion war das Risiko einer T1D-Diagnose nach SARS-CoV-2 höher als nach sonstigen Infektionen (1 Monat: HR, 1,96 [95%-KI 1,26-3,06]; 3 Monate: HR 2,10 [95%-KI 1,48-3,00]; 6 Monate: HR 1,83 [95%-KI 1,36-2,44]). 

Zu den Einschränkungen der Studie gehören potenzielle Verzerrungen aufgrund des retrospektiven Designs einschließlich der Möglichkeit einer falschen Klassifizierung von Diabetes sowie die Möglichkeit, dass unbekannte Risikofaktoren eine Rolle spielen. 

„Die Ergebnisse sollten in anderen Populationen bestätigt werden“, schreiben die Autoren. „Das erhöhte Risiko des Auftretens von T1D nach COVID-19 ist ein wichtiger Aspekt bei der Nutzen-Risiko-Abwägung für die Prävention und Behandlung von SARS-CoV-2-Infektionen bei Kindern und Jugendlichen.“ 

Intensivmedizin: Die High-Flow-Sauerstofftherapie verringert die COVID-19-Mortalität nicht

Der Nutzen von High-Flow-Sauerstoff über eine Nasenkanüle bei Patienten mit Atemversagen aufgrund von COVID-19 ist umstritten. Deshalb haben Intensivmediziner jetzt untersucht, ob eine High-Flow-Sauerstofftherapie im Vergleich zur normalen Sauerstofftherapie die Mortalität verringert.  

Ihre randomisierte klinische Studie wurde auf 34 Intensivstationen in Frankreich durchgeführt. Die Forscher haben 711 Patienten mit Atemversagen aufgrund von COVID-19 eingeschlossen. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip entweder mit High-Flow-Sauerstoff (n = 357) oder mit einer Maske ohne Rückatmung mit mindestens 10 l/min (n = 354) versorgt. 

Von 782 randomisierten Patienten wurden 711 Patienten mit Ateminsuffizienz aufgrund von COVID-19 in die Analyse einbezogen (mittleres Alter 61 Jahre; 214 Frauen [30 %]). Die Sterblichkeitsrate am Tag 28 betrug 10 % (36/357) mit High-Flow-Sauerstoff und 11 % (40/354) mit Standardsauerstoff (absolute Differenz -1,2 % [95%-KI -5,8 % bis 3,4 %]; p = 0,60). 

Von 13 vordefinierten sekundären Endpunkten zeigten 12 keinen signifikanten Unterschied, darunter die Dauer des Aufenthalts und die Sterblichkeit auf der Intensivstation sowie die Sterblichkeit bis zum 90. Tag. 

Die Intubationsrate war mit High-Flow-Sauerstoff signifikant niedriger als mit Standardsauerstoff (45% [160/357] gegenüber 53% [186/354]; absolute Differenz -7,7% [95%-KI -14,9% bis -0,4 %]; p = 0,04). Die Anzahl der beatmungsfreien Tage bis Tag 28 unterschied sich nicht signifikant zwischen den Gruppen. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren Lungenentzündungen, die bei 58% (93/160) in der High-Flow-Sauerstoffgruppe und 53% (99/186) in der Standardsauerstoffgruppe auftraten. 

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