Chirurgie, Dermatologie, Gastroenterologie, Gynäkologie, Innere Medizin, Kardiologie, Neurologie, Onkologie und Orthopädie: Medizinische Fachgesellschaften haben dieses Jahr wieder etliche Leitlinien aktualisiert. Ein Überblick.
Onkologie
Bereits zu Beginn des Jahres hat das Leitlinienprogramm Onkologie unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) in Deutschland erstmals eine S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patienten mit monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) und für Betroffene mit Multiplem Myelom herausgegeben. Ziel der Leitlinie ist es, evidenzbasierte Behandlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und daraus Standards für die Diagnostik und Therapie von Betroffenen mit MGUS oder Multiplem Myelom in Deutschland zu etablieren. Zur Leitlinie…
Ebenfalls zu Jahresbeginn hat das Leitlinienprogramm Onkologie seine S3-Leitlinie zum exokrinen Pankreaskarzinom aktualisiert. Die überarbeitete Fassung enthält neben neuen Empfehlungen zur Diagnostik, zur kurativen und palliativen Therapie des Bauchspeicheldrüsenkrebses auch Empfehlungen zu Mindestmengen bei operativen Eingriffen. „Studien zeigen, dass Erkrankte, die an Kliniken oder Zentren mit höheren Fallzahlen operiert werden, eine bessere Prognose haben. Deshalb wird in der S3-Leitlinie erstmals eine Mindestfallzahl von 20 Pankreasresektionen pro Jahr für Krankenhäuser empfohlen“, fasst Leitlinienkoordinator Prof. Dr. Thomas Seufferlein vom Universitätsklinikum Ulm zusammen. Zur Leitlinie…
Darüber hinaus ist im Frühjahr von der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) die neue S1-Leitlinie Priorisierung und Ressourcenallokation im Kontext der Pandemie: Empfehlungen für die Krebsversorgung veröffentlicht worden. Die Leitlinie soll Onkologen im Kontext der Pandemie bei der Entscheidungsfindung über Prioritäten in der Versorgung unterstützen. Zur Leitlinie…
Gynäkologie
Um die Versorgung von Patientinnen mit vermehrten Fehlgeburten stetig zu verbessern und dem Stand der Wissenschaft anzupassen, wurde in diesem Jahr die aktualisierte Version der S2k-Leitlinie zu Diagnostik und Therapie von Frauen mit wiederholten Spontanaborten veröffentlicht. „Aufgrund der heterogenen Studienlage zu diesem Thema bestehen weit verbreitete Unsicherheiten bei der Behandlung von Frauen mit wiederholten Spontanaborten. Eine Erkenntnis: Alkoholkonsum erhöht die Abortwahrscheinlichkeit, mäßiger Kaffeekonsum hingegen nicht. Zur Leitlinie…
Mit der neuen S2k-Leitlinie zu rekonstruktiven und ästhetischen Operationen der weiblichen Genitale werden erstmalig Empfehlungen für die Beratung und Therapie gegeben, um behandelnden Ärzten zu ermöglichen, Maßnahmen fundiert nach aktuellem Stand besprechen und planen zu können. Ein eigenes Kapitel ist zudem den Formen von Genitalverstümmelung, Female Genital Mutilation (FGM), gewidmet. Zur Leitlinie…
Neue WHO-Leitlinien für STI, HIV, Virushepatitis und Empfehlungen für gefährdete Patientinnen und Patienten heben einen neuen Ansatz zur Prävention sexuell übertragbarer Infektionen hervor. Die konsolidierten Leitlinien unterstreichen die Notwendigkeit, Stigmatisierung und Diskriminierung abzubauen, wichtige Instrumente wie Strategien zur Schadensminderung, die Prä- und Postexpositionsprophylaxe, die Impfung sowie das Screening zur Förderung der Prävention von Infektionen mit HIV, STIs und Hepatitisviren bereitzustellen und bestehende Infektionen zu behandeln. Zu den Leitlinien…
Ist eine schwangere Frau mit SARS-CoV-2 infiziert, sollte bei der Betreuung der Patientinnen nicht vom geburtshilflichen Standard und den Vorgaben der Mutterschaftsrichtlinien abgewichen werden. So lautet eine Empfehlung der neuen S2k-Leitlinie, die relevante wissenschaftliche Erkenntnisse zu einer SARS-CoV-2-Infektion während Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit bündelt. Eine stationäre Therapie wird erst dann empfohlen, wenn die Symptome den Allgemeinzustand deutlich beeinträchtigen oder ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf zusätzlich zur Schwangerschaft besteht. Zur Leitlinie…
Ganz aktuell wurde die S2k-Leitlinie zu geburtsbedingten Blutungen überarbeitet und aktualisiert. Darin werden Maßnahmen zur Behandlung in einem übersichtlichen Algorithmus „PPH 2022“ zusammengefasst. Die postpartale Blutung (PPH) zählt mit einer Prävalenz von 0,5 bis 1,9% zu den Hauptursachen der Müttersterblichkeit – auch in der westlichen Welt. Durch das Erkennen vorgeburtlicher Risikofaktoren können vorbeugend Maßnahmen eingeleitet werden. Zur Leitlinie…
Neurologie
Erst kürzlich wurde die neue S2k-Leitlinie zum Restless-Legs-Syndrom (RLS) von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) herausgegeben. Neu ist hier vor allen Dingen das Verständnis des RLS als ein Krankheitsbild, das aus genetischen und Umweltfaktoren entsteht und durch Komorbiditäten beeinflusst wird. Dies macht die bisherige Unterscheidung in ein idiopathisches sekundäres RLS infolge einer zugrundeliegenden Erkrankung obsolet. Zur Leitlinie…
Ein aktuelles Leitlinien-Update der europäischen Fachgesellschaften EAN und MDS war auch im Bereich der invasiven Parkinson-Therapie zu verzeichnen. Invasive Therapien werden bei der Parkinson-Erkrankung derzeit stärker denn je weiterentwickelt und in Studien evaluiert – allen voran die tiefe Hirnstimulation. Die Arbeitsgruppe gibt in ihrem Update insgesamt sechs evidenzbasierte Empfehlungen für invasive Therapien ab. Zur Leitlinie…
Ebenfalls in diesem Sommer haben die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) eine neue S2k-Leitlinie zur Sekundärprophylaxe des ischämischen Schlaganfalls und der transitorischen ischämischen Attacke publiziert. Der erste Teil der Leitlinie befasst sich dabei mit der medikamentösen Behandlung der „klassischen“ Risikofaktoren, während im zweiten Teil unter anderem Modifikationen des Lebensstils, die Therapie von Dissektionen der hirnversorgenden Arterien und die Behandlung intrakranieller Gefäßstenosen im Fokus stehen. Zur Leitlinie…
Kardiologie
In der Kardiologie haben ganz aktuell die European Society of Cardiology (ESC) und die European Respiratory Society (ERS) ihre Leitlinie zur pulmonalen Hypertonie aktualisiert. Das Autorenteam hat dabei ein besonderes Augenmerk auf eine frühe Diagnose der Erkrankung und eine rechtzeitige Behandlung gelegt. Die neuen Empfehlungen wurden kürzlich auf dem aktuellen Kongress der ESC vorgestellt. Zur Leitlinie…
Bereits im Frühjahr haben das American College of Cardiology (ACC) und die American Heart Association (AHA) ihre Leitlinie zur Herzinsuffizienz aktualisiert. Das Leitlinien-Update berücksichtigt nun auch die neueste Evidenz zu SGLT2-Inhibitoren und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Prävention bei Menschen mit erhöhtem Risiko für eine Herzinsuffizienz. Ziel der Leitlinie ist es, die Risikofaktoren für eine Herzinsuffizienz frühzeitig zu erfassen und eine Behandlung einzuleiten, noch bevor es zu strukturellen Veränderungen oder Anzeichen einer verschlechterten Herzfunktion kommt. Zur Leitlinie…
Chirurgie
Die Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie e.V. (DGH) und die Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie e.V. (DGNC) haben die S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms aktualisiert. Das nächtliche „Einschlafen der Hand“ gilt ein typisches Erstsymptom, als relevante Methode zum zuverlässigen Nachweis eines KTS soll die elektroneurographische Diagnostik durchgeführt werden. Zur Leitlinie…
Außerdem wurde von der Deutschen Gesellschaft für Mund, Kiefer- und Gesichtschirurgie e.V. (DGMKG) die S3-Leitlinie Kiefergelenkluxation aktualisiert. In Anbetracht künftig steigender Zahlen von Patientinnen und Patienten mit Kiefergelenkluxationen möchte die Leitlinie angesichts mit dem Krankheitsbild einhergehender Einschränkungen der Lebensqualität und langfristiger Folgeschäden im Kiefergelenk ein neues Bewusstsein für die Erkrankung schaffen. Zur Leitlinie…
Urologie
Im Frühjahr hat die Europäische Gesellschaft für Urologie ihre Leitlinien zum Nierenzellkarzinom (RCC) auf Grundlage einer neuen Literaturrecherche in den Datenbanken Medline, EMBASE und Cochrane aktualisiert. Neben zahlreichen weiteren Punkten wurden die Empfehlungen zur diagnostischen und genetischen Beurteilung aktualisiert. Zur Leitlinie…
Pädiatrie
Funktionelle (nicht-organische) Obstipation und Stuhlinkontinenz (Enkopresis) sind häufige Störungen des Kindes- und Jugendalters. Wirksame spezifische Therapien sind vorhanden, allerdings ist müssen auch komorbide somatische und psychische Störungen berücksichtigt werden. Auch unterscheiden sich die funktionelle Obstipation und Stuhlinkontinenz bei Kindern erheblich von denen der Erwachsenen. Daher wurde die interdisziplinäre Leitlinie für diese Altersgruppe auf das S2k-Niveau gehoben. In der Leitlinie werden, neben einer zielgerichteten, wenig belastenden Diagnostik und Therapie, auch unnötige und nicht evidenzbasierte Untersuchungs- und Behandlungsverfahren benannt. Zur Leitlinie…
Ebenfalls ein Upgrade hat die neue S2k-Leitlinie Immunglobin-A-Vaskulitis (IgA; vormals: Purpura Schönlein-Henoch-Vaskulitis) erfahren. Es wurden dabei die Indikationen für die Steroidgaben präzisiert (ZNS Beteiligung, Orchitis, pulmonale Hämorrhagie, schwere Organ- oder lebensbedrohliche Erkrankungen). Zudem konnten – anhand der Einteilung in milde, mäßige und schwere Nephritis – die Therapievorschläge präzisiert und aktualisiert werden. Insgesamt sind 7 neue Empfehlungsgruppen entstanden. Zur Leitlinie…
Bereits Ende 2021 hat die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) eine neue S3-Leitlinie zu Rückenschmerzen bei Kindern und Jugendlichen vorgelegt. Zuvor fehlte es an evidenzbasierten Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie. Nun wurde die Leitlinie speziell für Kinder und Jugendliche als Patientenleitlinie neu aufgelegt – und zwar so, dass Kinder und Jugendliche anschaulich verstehen können, was zur Diagnose und Behandlung ihrer Schmerzen empfohlen wird. Zur Patientenleitlinie…
Dermatologie
Rund 20% der Erwachsenen sind von chronischem Pruritus aufgrund verschiedener Grunderkrankungen betroffen. Die aktualisierte S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus soll Ärztinnen und Ärzten fachübergreifender Disziplinen dabei unterstützen, ihren Patientinnen und Patienten mit länger als sechs Wochen andauerndem Juckreiz eine effiziente Therapie anbieten zu können. Zur Leitlinie…
Die aktualisierte S3-Leitlinie zur Klassifikation, Diagnostik und Therapie der Urtikaria soll Ärztinnen und Ärzte in der Praxis und Klinik einen Überblick über evidenzbasierte diagnostische und therapeutische Ansätze für die verschiedenen Unterformen der Urtikaria bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen bieten. Zur Leitlinie…
Künstlich erzeugte „kalte“ Plasmen haben vor allem bei der Therapie chronischer Wunden an Bedeutung gewonnen. Im Frühjahr wurde die erste S2k-Leitlinie zum Einsatz von kaltem physikalischem Plasma veröffentlicht. Die Leitlinie soll dabei helfen, das Potenzial dieser neuen Technologie besser zu nutzen und Behandlungsfehler zu vermeiden. Zur Leitlinie…
Orthopädie
Die eingeschränkte aktive und passive Beweglichkeit des Schultergelenks wird unabhängig von der zugrunde liegenden Ursache als Schultersteife bezeichnet. Die Schultersteife ist zwar in der Orthopädie und Schulterchirurgie ein häufiges Krankheitsbild, das aber in anderen Facharztgruppen nur einen geringen Bekanntheitsgrad aufweist. Die aktualisierte S2e-Leitlinie Schultersteife möchte den derzeitigen Wissenstand vermitteln. Zur Leitlinie…
Innere Medizin/Gastroenterologie
Aktuell arbeiten Delegierte der DGIM-Kommission „Leitlinien“ an über 60 Leitlinien der internistischen Schwerpunktgesellschaften mit. Die S2k-Leitlinie Zöliakie ist eine davon. Mit einer Häufigkeit von etwa 1% ist die Zöliakie in Deutschland keine seltene Erkrankung, dennoch wird die Diagnose oft erst deutlich verzögert oder gar nicht gestellt. Auch deshalb wird sie auch als das „Chamäleon der Gastroenterologie“ bezeichnet. Zur Leitlinie…
Mit einer globalen Prävalenz von etwa 25%, ist die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung oder Non-Alcoholic Fatty Liver Disease (NAFLD) heute die führende Ursache für chronische Lebererkrankungen weltweit und eine wachsende Herausforderung für das öffentliche Gesundheitswesen. Die aktuelle Überarbeitung wurde praxisrelevant gestaltet und soll klar einen Ausweg aus dem derzeitigen medikamentösen „therapeutischen Nihilismus“ aufzeigen. Die aktualisierte S2k-Leitlinie Nicht-alkoholische Fettlebererkrankungen soll einen Handlungskorridor für häufige Entscheidungen liefern und in der hausärztlichen, internistischen, ernährungsmedizinischen, chirurgischen, radiologischen, kardiologischen, pädiatrischen und gastroenterologischen Praxis einfach anwendbar zu sein. Zur Leitlinie…
Außerdem wurde in diesem Jahr die S2k-Leitlinie Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit aktualisiert. Erstmals im Vergleich zur Vorgängerversion haben die Expertinnen und Experten darin festgelegt: Sobald eine Infektion erkannt ist, sollte behandelt werden, egal ob die Betroffenen Symptome haben oder nicht. Aus der Diagnostik ist so stets eine Konsequenz abzuleiten, wie Leitlinienkoordinator PD Dr. Christian Schulz zusammenfasst. Zur Leitlinie…
Klimawandel und Gesundheit
Die neue S2k-Leitlinie Arbeiten unter klimatischen Belastungen der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (DGAUM) ersetzt die 3 vorausgegangene S1-Leitlinien „Arbeit unter klimatischer Belastung: Hitze“, „Arbeit unter klimatischer Belastung: Kälte“ und „Arbeit unter klimatischer Belastung: Isolierende Schutzbekleidung als Sonderfall einer Hitzebelastung“. Ist die Wärmebilanz des menschlichen Körpers beeinträchtigt, kann dies neben Leistungseinbußen auch gesundheitliche Gefährdungen zur Folge haben. Durch den Klimawandel betrifft dies, neben „klassischen Hitzeberufen“, zunehmend Beschäftigte in Berufen mit hoher physischer Belastung, wie etwa in Straßenbau und Baugewerbe. Zur Leitlinie…
Ebenfalls Bezug auf das Klima nimmt die neue Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) zur klimabewussten Verordnung inhalativer Arzneimittel. Da das Gesundheitswesen in Deutschland für circa 5% der Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich ist, hat sich die Leitlinie das Ziel gesetzt, eine Veränderung des Verordnungsverhaltens von inhalativen Arzneimitteln zu ermöglichen und dadurch den CO2-Fußabdruck des Gesundheitswesens zu reduzieren. Sie richtet sich an alle, die an der Verordnung sowie der Beratung von Betroffenen beteiligt sind. Zur Leitlinie …
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Coliquio.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Leitlinien-Updates aus 2022: Alle wichtigen Änderungen auf einen Blick - Medscape - 30. Sep 2022.
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