Medikamente zur Rauchentwöhnung verringerten in einer Studie den Alkoholkonsums – neue Strategie zur Abstinenz? 

Marcus A. Banks

Interessenkonflikte

29. September 2022

Forschende aus den USA und Russland haben herausgefunden, dass eine Reihe von Therapien zur Verringerung des Verlangens nach Nikotin (sog. Craving), wie etwa verschreibungspflichtige und rezeptfreie Medikamente das Rauchen und den Alkoholkonsum gleichzeitig reduzieren. Personen, die das Rauchen ganz aufgaben, senkten auch ihren Alkoholkonsum am stärksten [1]

„Wenn ein einziges Medikament gegen Rauchen und Alkohol helfen könnte, wäre das ein großer Fortschritt. Das ist ein Medikament weniger, das eine Person einnehmen muss“, sagte Dr. Hilary Tindle gegenüber Medscape. Sie ist Gründungsdirektorin des Vanderbilt Center for Tobacco, Addiction and Lifestyle am Vanderbilt University Medical Center in Nashville, Tennessee.

Ein Blick auf neuronale Strukturen 

Starkes Rauchen und starker Alkoholkonsum gingen oft Hand in Hand, so Tindle. Bekannt sei, dass Therapien zur Nikotinentwöhnung, die auf bestimmte Neuronen abzielten, bei Ratten den starken Alkoholkonsum senkten. Dies deute auf eine mögliche neuronale Verbindung zwischen Trinken und Rauchen hindeute.

Darüber hinaus förderten viele Anreize, die mit starkem Rauchen verbunden seien, auch zu starkem Trinken, so die Forscherin weiter. Solche Anreize unterscheiden sich individuell. Sie können etwa auch darin bestehen, andere Menschen beim Rauchen und Trinken in einer Bar zu beobachten oder Zigarettenrauch bzw. Alkohol zu riechen. Folglich könne eine Therapie, die sich mit einem Problem befasse, den psychologischen Weg zur Bewältigung des anderen Problems ebnen, erklärt Tindle.

Details der Studie

Alle 400 Teilnehmenden an der neuen Studie (263 Männer; Durchschnittsalter 39 Jahre) waren HIV-positiv und lebten in St. Petersburg. Zuvor rauchten die Teilnehmenden im Mittel 21 Zigaretten pro Tag und erlebten im Durchschnitt 9 schwere Trinktage pro Monat. Als starker Alkoholkonsum wurden für Männer mindestens 5 alkoholische Getränke und bei Frauen mindestens 4 pro Tag definiert.

Die Teilnehmenden wurden zufällig 4 Gruppen zugewiesen. Eine Gruppe erhielt Vareniclin (Chantix®) zur Rauchentwöhnung und eine Placeboform eines nikotinhaltigen Mundsprays. Eine 2. Gruppe bekam Placebo-Vareniclin und ein Nikotin-Mundspray, die 3. Gruppe Cytisin zur Rauchentwöhnung und ein Placebo-Mundspray und die 4. Gruppe schließlich Placebo-Cytisin und ein aktives Mundspray. Das primäre Outcome war der Rückgang an Tagen mit starkem Alkoholkonsum innerhalb der letzten 30 Tage gegenüber dem Ausgangswert nach 3 Monaten. 

In allen Gruppen sank der starke Alkoholkonsum unabhängig vom Ansatz zur Rauchentwöhnung auf durchschnittlich etwa 2-mal in 30 Tagen gegenüber den 9-mal zu Studienbeginn. Den Forschenden zufolge habe es bei keinem der Ansätze signifikante Unterschiede gegeben. 

Auch das Rauchen ging zurück, und zwar bis zu 12 Monate lang. Mitunter kam es zur völligen Entwöhnung. Nach 3 Monaten hatten 84 von 400 Teilnehmern (21%) ganz mit dem Trinken aufgehört, was durch Laborwertbestimmungen bestätigt werden konnte. Nach Eigenauskünften hatte dieses Niveau der Alkoholabstinenz auch nach 6 und 12 Monaten noch Bestand.

Überraschende Ergebnisse 

Die Forschenden hatten erwartet, dass Vareniclin und Cytisin die Zahl der Tage mit starkem Alkoholkonsum senken und bei der Alkoholabstinenz besser helfen würden als Nikotinersatzpräparate.

„Wir waren doch ziemlich überrascht, als wir feststellten, dass es für die Verringerung des Alkoholkonsums keine Rolle spielte, welchen Wirkstoff die Personen eingenommen hatten“, sagte Tindle. Das in der Studie verwendete Mundspray sei in den USA rezeptpflichtig, aber nicht verschreibungspflichtige Nikotinersatzpräparate gälten als wirksam und seien als Lutschtabletten, Pflaster oder Sprays verfügbar.

Post-hoc-Analysen der Studienergebnisse zeigten eine mögliche Aufwärtsdynamik: Personen, die das Rauchen ganz einstellten, schienen ihren Alkoholkonsum deutlicher zu reduzieren als diejenigen, die das Rauchen reduzierten, aber nicht ganz aufgaben.

„Die Studie ergänzt die Evidenz für den Nutzen einer medikamentösen Raucherentwöhnung. Man tut wirklich ein gutes Werk, wenn man Menschen dabei helfen kann, mit dem Rauchen aufzuhören“, sagte Dr. Stephanie O'Malley, Elizabeth Mears und House Jameson Professorin für Psychiatrie an der Universität von Yale in New Haven, Connecticut, die Vareniclin bei Alkoholproblemen untersucht hat.

Tindle wies darauf hin, dass Cytisin in Russland erhältlich sei, jedoch nicht in den USA. Sie hatten eine weitere Option zur Rauchentwöhnung prüfen wollen, und das sei der Grund für die Durchführung der Untersuchung in St. Petersburg gewesen. Ein weiterer Vorteil dieses Standorts sei es, dass die russischen Forschenden in gutem Kontakt zu den in der Suchtforschung oftmals übersehenen HIV-Patienten standen.

„Es gibt viele rauchende Menschen, die unter einer Reihe von Begleiterkrankungen leiden, und wahrscheinlich im Durchschnitt häufiger rauchen als die Allgemeinbevölkerung“, sagte O'Malley. „Menschen mit Begleiterkrankungen werden oft nicht für klinische Studien rekrutiert. Daher halte ich solch eine Studie aus dieser Perspektive für wirklich wichtig.“

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus https://www.medscape.com  übersetzt und adaptiert.

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Kommentar

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