Mehr emotionale Erschöpfung von Ärzten und Pflegekräften nach COVID-19 – auch in Deutschland sind Ärzte am Limit

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

28. September 2022

Die außergewöhnliche Belastung durch COVID-19 hat sich negativ auf das Wohlbefinden von Ärzten und Pflegekräften ausgewirkt. Das ist das Ergebnis einer jetzt im JAMA erschienenen Studie mit über 100 000 Befragten in den USA [1]

Dr. Bryan Sexton vom Department of Psychiatry, Duke University School of Medicine in Durham, North Carolina, und Kollegen hatten im Zeitraum 2019 bis 2022 über 100.000 Beschäftigte des US-Gesundheitswesens befragt. Die Daten wurden in 3 Wellen mittels Fragebögen erhoben: Im September 2019, im September 2020 und von September 2021 bis Januar 2022. Zu den Teilnehmern gehörten Krankenhausmitarbeiter in klinischen und nicht-klinischen (etwa administrativen) Funktionen in 76 kommunalen Krankenhäusern in den USA.

Details der Umfrage 

Im September 2019 antworteten 37.187 Beschäftigte, 2020 antworteten 38.460 Beschäftigte und im Zeitraum 2021/2022 antworteten 31 475 Beschäftigte; was einer Rücklaufquote von jeweils 74,5%, 85% und 76,4 % entspricht. Die Gesamtstichprobe umfasste 107.122 ausgefüllte Umfragen. Am häufigsten waren Fachkräfte der Krankenpflege vertreten (n = 43.918; 40,9%).

Erhoben wurde der Prozentsatz der Befragten, die über emotionale Erschöpfung (%EE) bei sich selbst und ein Klima der emotionalen Erschöpfung (%EEclim) bei ihren Kollegen berichteten. Die Umfrageelemente wurden auf einer 5-Punkte-Skala von 1 (stimme überhaupt nicht zu) bis 5 (stimme voll und ganz zu) beantwortet; neutrale oder höhere Werte wurden als „prozentuale Betroffenheit" für Erschöpfung gezählt.

Von September 2019 bis September 2021 bis Januar 2022 stieg die emotionale Erschöpfung insgesamt von 31,8% (95%-KI: 30% bis 33,7%) auf 40,4% (95%-KI 38,1% bis42,8%). Bei den Ärzten sank der %EE von 31,8% im Jahr 2019 auf 28,3% im Jahr 2020, stieg aber im zweiten Jahr der Pandemie auf 37,8% an. Bei den Pflegekräften stieg der %EE im ersten Jahr der Pandemie von 40,6% im Jahr 2019 auf 46,5% im Jahr 2020 und im zweiten Jahr der Pandemie erneut auf 49,2%.

„Diese groß angelegte Erhebungsstudie über einen Zeitraum von 3 Jahren liefert deutliche Hinweise darauf, dass die emotionale Erschöpfung je nach Funktion variiert, aber seit Beginn der Pandemie insgesamt und bei den meisten Funktionen der Gesundheitskräfte zugenommen hat“, schreiben Sexton und Kollegen. 

Deutschland: Welche Rolle spielt die Gesundheit von Ärzten? 

Dass der Gesundheit von Ärzten im deutschen Gesundheitssystem keine große Wichtigkeit beigemessen wird – zu diesem ernüchternden Ergebnis kommt eine aktuelle Umfrage des Hartmannbundes unter 850 Assistenzärzten zur Salutogenese. Sie zeigt, dass die Befragten durch den Krankenhausalltag psychisch und physisch oft überlastet sind. 

„Ärztegesundheit gilt in unserem Gesundheitssystem offensichtlich als nachrangig“, so das Fazit der Umfrage. Die psychische und physische Überlastung sei vor allem das Ergebnis der zu hohen Arbeitsbelastung. 

 
Ärztegesundheit gilt in unserem Gesundheitssystem offensichtlich als nachrangig. Hartmannbund
 

In der Umfrage gaben 66% der Assistenzärzte an, dass ihre Abteilung praktisch dauerhaft am Limit arbeite. Die Erschöpfung durch die COVID-19-Pandemie dürfte die Umfrageergebnisse mit beeinflusst haben, sagt Andrea Reich, Sprecherin des Hartmannbundes, auf Nachfrage von Medscape. Nach den Auswirkungen der Pandemie sei in der Umfrage aber nicht explizit gefragt worden. 

Soziale Ansteckungseffekte der Erschöpfung

Sexton und Kollegen führen die Häufung von Erschöpfungswerten im Arbeitsumfeld auch auf einen „sozialen Ansteckungseffekt der Erschöpfung“ zurück. Sie mahnen, dass eine zunehmende emotionale Erschöpfung die Qualität der Pflege gefährde und zusätzliche Unterstützung für das Personal erfordere. 

In Zusammenhang mit den Umfrageergebnissen zur Salutogenese betont Dr. Moritz Völker, Vorsitzender des Arbeitskreises junger Ärztinnen und Ärzte im Hartmannbund: „Ohne Balance zwischen Belastung und Entspannung steigt das Gesundheitsrisiko unseres Berufes immer mehr. Hier muss dringend nachgebessert werden.“ Jeder 2. Befragte, so Völker, plane eine Reduzierung des Stellenanteils, um wieder auf eine gesundes Arbeitspensum zu kommen: „Das würde unser Gesundheitssystem völlig überlasten,“ warnt er.

 
Ohne Balance zwischen Belastung und Entspannung steigt das Gesundheitsrisiko unseres Berufes immer mehr. Dr. Moritz Völker
 

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Kommentar

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