Paxlovid®-Abgabe verdreifacht; Schnelltests: Nasen- und Rachen-Abstriche kombinieren; Durchbruchsinfekte erhöhen Immunität

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

27. September 2022

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 27. September 2021

Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 334,9 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 26. September lag der Wert bei 293,6.

Unsere Themen heute:

  • Epidemiologische Lage in Deutschland: ARE prägen das Geschehen

  • Paxlovid®-Abgabe durch ärztliches Dispensierrecht verdreifacht

  • Schnelltests: Kombinierter Nasen-Rachen-Abstrich verbessert die Aussagekraft

  • Durchbruchsinfektionen erhöhen die Immunität

  • Schützt eine erworbene Immunität gegen Lebensmittelallergene vor COVID-19?

  • Mehr Sprachstörungen bei Kindern – eine Folge der Pandemie? 

Epidemiologische Lage in Deutschland: ARE prägen das Geschehen

Zur aktuellen Situation schreibt das RKI im Wochenbericht: „Entsprechend der Jahreszeit ist die Zahl der akuten Atemwegserkrankungen (ARE) in der Bevölkerung … im Vergleich zur Vorwoche deutlich gestiegen.“ Sie liege in Kalenderwoche (KW) 37 mit ca. 5,6 Millionen im oberen Wertebereich der Jahre vor der Pandemie. 

Rhinoviren, aber auch Parainfluenzaviren und SARS-CoV-2 seien die vorherrschenden Erreger. Bei SARS-CoV-2 sei weiterhin ein Anstieg zu verzeichnen, vor allem bei 50- bis 84-Jährigen.

Bundesweit hat die Omikron-Sublinie BA.5 andere Varianten fast vollständig verdrängt. Ihr Gesamtanteil lag in Woche 36 bei 96%. 

Paxlovid®-Abgabe durch ärztliches Dispensierrecht verdreifacht

Trotz zahlreicher Appelle von Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) und trotz vielversprechender Daten haben Ärzte monatelang recht selten Paxlovid® (Nirmatrelvir + Ritonavir) verordnet. Zuletzt versuchte der Bundesgesundheitsminister, mit Änderungen an der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung (AMVersV) gegenzusteuern. Hausärzte haben seither die Möglichkeit, Paxlovid® direkt an Patienten abzugeben – wohl eine erfolgreiche Strategie. 

Laut BMG soll sich die Zahl der ausgelieferten Packungen zwischen Woche 33 und Woche 34 mehr als verdreifacht haben – von rund 3.500 auf 11.600 Packungen. In Woche 35 waren es sogar 11.683 Packungen, in Woche 36 dann wieder 8.900. Die Einführung des ärztlichen Dispensierrechts sehe man als Hauptgrund für diesen Anstieg, wird das Ministerium in Medienberichten zitiert

Schnelltests: Kombinierter Nasen-Rachen-Abstrich verbessert die Aussagekraft

Nach wie vor wieder diskutieren Ärzte die Aussagekraft von Antigen-basierten Schnelltests. Im BMJ haben Forscher aus den Niederlanden neue Daten zusammengetragen

Ergebnisse, die auf 3 weit verbreiteten Antigen-Schnelltests basieren, zeigen, dass sich die Leistung zwar verbesserte, wenn sowohl Nasen- als auch Rachenabstriche angefertigt wurden – im Vergleich zu Nasenabstrichen allein. Allerdings erfüllte nur 1 Test Standards der Weltgesundheitsorganisation (WHO): eine Sensitivität von mindestens 80% und eine Spezifität von mindestens 97% bei Personen mit Symptomen.

Die Forscher untersuchten 3 im Handel erhältlichen Antigen-Schnelltests: Flowflex (Acon Laboratories), MPBio (MP Biomedicals) und Clinitest (Siemens-Healthineers) während der Omikron-Welle. Ihre Analyse basiert auf 6.497 Personen mit COVID-19-Symptomen im Alter von mindestens 16 Jahren, die sich zwischen 21. Dezember 2021 und 10. Februar 2022 in 3 niederländischen öffentlichen COVID-19-Testzentren vorgestellt hatten. Bei allen Teilnehmern wurde von einem Mitarbeiter ein Referenztest (PCR) durchgeführt. 

Die Forscher stellten fest, dass die Empfindlichkeit der 3 Tests rein mit Nasenabstrichen während des Aufkommens von Omikron abnahm: von 87% auf 81% für Flowflex, von 83% auf 76% für MPBio und von 80% auf 67% für Clinitest. Der beobachtete Rückgang war jedoch nur für Clinitest statistisch signifikant. 

Falls ein Nasenabstrich mit einen Rachenabstrich ergänzt wurde, verbesserte sich die Sensitivität des MPBio-Tests von 70% auf 83% und des Clinitests von 70 % auf 77 %. Bei Flowflex wurde dieser Aspekt nicht untersucht. Nur der MPBio-Test mit kombinierter Rachen- und Nasen-Selbstentnahme erfüllte WHO-Standards für Antigen-Schnelltests bei Personen mit Symptomen.

„Wir haben gezeigt, dass die Leistung von Antigen-Schnelltests verbessert werden kann, wenn die nasale Selbstbeprobung durch oropharyngeale Abstriche ergänzt wird“, kommentieren die Autoren. „Daher sollten Hersteller von Antigen-Schnelltests nach einer angemessenen Evaluierung in Erwägung ziehen, Gebrauchsanweisungen um kombinierte oropharyngeale und nasale Abstriche zu erweitern.“ 

Es handelt sich um Beobachtungsergebnisse, und die Forscher weisen auf einige Einschränkungen hin. So wurden beispielsweise die nasale und die kombinierte Rachen- und Nasen-Selbstbeprobung zu unterschiedlichen Zeiträumen durchgeführt, und der Anteil der Omikron-Infektionen könnte unterschiedlich gewesen sein. Außerdem gab es leichte Unterschiede bei der Probenahme für den PCR-Referenztest. 

Durchbruchsinfektionen erhöhen die Immunität

Laut einer neuen Studie, über die Medscape.com berichtet hat, führen nicht nur Auffrischungsimpfungen, sondern auch Durchbruchsinfektionen nach der Impfung zu einer stärkeren Immunität gegen COVID-19, auch bei Menschen ab 65 Jahren, schreiben die Autoren.

Sie analysierten Blutproben von 99 Mitarbeitern einer Universität nach der Impfung, darunter auch einige mit Durchbruchsinfektion. Untersucht wurden verschiedene Aspekte der Immunantwort, etwa neutralisierende Antikörper und Antikörper, die sich gegen das Spike-Protein des Coronavirus richten.

Insgesamt stellten die Wissenschaftler fest, dass das Ausmaß, die Stärke und die Breite der Immunreaktion bei Personen, deren Blut 3 Monate nach einer 3. Auffrischungsdosis abgenommen wurde, ähnlich war wie bei denjenigen, deren Blut 1 Monat nach einer Durchbruchsinfektion abgenommen wurde.

Die Immunreaktion war auch gegen die Variante BA.2 stark, die zum Zeitpunkt der Studie im Umlauf war. Die Forscher erklärten, dass sie eine noch stärkere Immunreaktion bei Personen erwarten würden, welche den neuen bivalenten Impfstoff COVID-19 erhielten, der auf die Varianten BA.4 und BA.5 abziele. 

Im Gegensatz zum Beginn der Pandemie sei SARS-CoV-2 für das menschliche Immunsystem nicht mehr „neu“, so die Studienautoren. „Die meisten Menschen auf der Welt sind inzwischen geimpft, infiziert oder beides, was bedeutet, dass die Menschen eine effektivere Immunantwort haben als früher.“

„Booster und natürliche Infektionen verstärken die Immunreaktion erheblich“, schlussfolgerten die Studienautoren. „Da die Zahl der Fälle der Omikron-Subvariante ansteigt und die weltweiten Impf- und Auffrischungskampagnen fortgesetzt werden, wird ein zunehmender Anteil der Weltbevölkerung eine starke Immunreaktion entwickeln, die vor zukünftigen SARS-CoV-2-Varianten schützen kann.“ 

Schützt eine erworbene Immunität gegen Lebensmittelallergene vor COVID-19?

Doch warum erkranken manche Menschen schwer an COVID-19, während andere – bei ähnlichem Risikoprofil – überhaupt keine Symptome haben? Die Antwort könnte womöglich in den Proteinen liegen, denen unser Immunsystem zuvor ausgesetzt war.

Eine kürzlich in Frontiers in Immunology veröffentlichte Studie zeigt, dass Lebensmittel, altbekannte Impfstoffe, Bakterien oder Viren unser Immunsystem dazu bringen können, SARS-CoV-2 anzugreifen. Sie enthalten Proteine, die denen von SARS-CoV-2 ähnlich sind. Durch den Kontakt mit diesen Proteinen kann unser Immunsystem darauf trainiert werden, auf das Virus zu reagieren, wenn es ihm begegnet. 

Könnte ein solches „Immungedächtnis“ für Proteine, denen wir in der Vergangenheit begegnet sind, die Grundlage für eine Immunresistenz und eine geringere Anfälligkeit für COVID-19 bilden? Um diese Hypothese zu testen, untersuchten die Forscher, ob Antikörper, die gegen Proteine des SARS-CoV-2-Virus gerichtet sind, auch an Proteine anderer „Erreger“, wie Lebensmittel oder gewöhnliche Bakterien, binden können.

Sie testeten die Fähigkeit dieser Antikörper, an 180 verschiedene Proteine aus gängigen Lebensmitteln, aus 2 Impfstoffen und an 15 bakterielle und virale Proteine zu binden. Die Antikörper reagierten am stärksten mit einem gewöhnlichen Darmbakterium namens E. faecalis und einem Impfstoff gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten. Interessanterweise reagierten sie auch sehr stark auf Proteine, die in gängigen Lebensmitteln vorkommen, darunter Brokkoli, gebrannte Mandeln, Schweinefleisch, Cashews, Milch, Soja und Ananas. 

Die Autoren geben zu bedenken, dass solche Proteine zwar einen gewissen Schutz vor SARS-CoV-2 bieten könnten, sie aber nicht als Ersatz für die derzeitigen Impfstoffe in Frage kämen. Darüber hinaus seien weitere Tests erforderlich, um den tatsächlichen Effekt zu evaluieren. Sie können sich vorstellen, perspektivisch die Anfälligkeit einer Person für das Virus zu beurteilen, bevor sie überhaupt infiziert wurde.

Mehr Sprachstörungen bei Kindern – eine Folge der Pandemie? 

Während der Corona-Jahre stieg die Zahl der 6- bis 18-Jährigen mit Sprachstörungen um zirka 9%, berichtetdie Kaufmännische Krankenkasse (KKH). Bei den 15- bis 18-Jährigen waren es fast 21% mehr als zuvor. Im Zehnjahres-Vergleich liegt das Plus von 2011 auf 2021 bei insgesamt 58% (Mädchen plus 59,4%, Jungen plus 56,7%).

Als mögliche Erklärung bringt die KKH Corona ins Gespräch. Durch Homeschooling und durch weniger soziale Kontakte hätte oft der direkte kommunikative Austausch mit Lehrern und vor allem Gleichaltrigen gefehlt, heißt es in der Meldung. Genau dies sei jedoch wichtig, um sprachliche Fähigkeiten zu entwickeln. Geschlossene Logopädie-Praxen wiederum hätten Therapien verzögert. 

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