Brustkrebs und Mikrobiom; Merkelzell-Karzinom: Nivo/Ipi wirksam; Krebs-Screenings: Leitlinien verschweigen oft Nachteile

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

27. September 2022

Im Onko-Blog dieser Woche geht es unter anderem um die Empfängnisverhütung bei prämenopausalen Frauen mit frühem Brustkrebs. Merkelzell-Karzinome, seltene und aggressive Hauttumore, sprechen bei unbehandelten und bei vorbehandelten Patienten gut auf eine Kombinationstherapie mit Ipilimumab und Nivolumab an. Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren, die nicht mit einer Cisplatin-basierten Chemoradiotherapie behandelt werden können, profitieren eher von einer Carboplatin- als von einer Cetuximab-basierten Therapie. Nachteile von Screening-Untersuchungen auf Krebs werden in Leitlinien oft nicht angesprochen.

  • Mammakarzinom: Empfängnisverhütung bei prämenopausalen Frauen

  • Mammakarzinom: Gestörtes Mikrobiom im Darm begünstigt Ausbreitung bösartiger Zellen

  • Merkelzell-Karzinom: Hohe Ansprechrate mit Nivo/Ipi-Kombination

  • Kopf-Hals-Tumoren: Carboplatin-basierte Chemoradiotherapie besser als Cetuximab-basierte Behandlung

  • Früherkennung: Leitlinien berichten häufig nicht über Nachteile

Mammakarzinom: Empfängnisverhütung bei prämenopausalen Frauen

Eine Analyse der französischen Kohortenstudie CANTO ergab, dass prämenopausale Frauen mit frühem Mammakarzinom in 54,2% bis zur Diagnose Verhütungsmittel einsetzten, meist hormonelle Kontrazeptiva. Im Jahr 1 nach der Diagnose nahm der Anteil der Frauen mit Verhütungsverfahren auf 38,9% und im Jahr 2 auf 41,2% ab. Wie die italienisch-französische Arbeitsgruppe in  JAMA Network Open  berichtete, setzten die Frauen nach der Brustkrebs-Diagnose vorwiegend auf mechanische Verfahren, z.B. Kondome. 

Die CANTO-Studie ist eine französische multizentrische prospektive Kohortenstudie, in die Frauen mit Brustkrebs im Stadium I, II oder III zwischen März 21012 und Dezember 2017 aufgenommen worden waren. Die vorliegende Analyse umfasst die Daten von 2.900 Teilnehmerinnen, die bei Diagnose im Durchschnitt 43,1 Jahre alt waren. Rund 71% waren mit Chemotherapie und 80% mit endokriner Therapie z.B. Tamoxifen behandelt worden. 

Bei der Diagnose setzten 62,7% der verhütenden Frauen Hormone ein, 1 Jahr nach Diagnose waren es 5,8% und 2 Jahre nach Diagnose 4,7%. Viele wechselten nach der Diagnose von einer hormonellen Empfängnisverhütung auf ein mechanisches Verfahren, wie intrauterine Spiralen oder Kondome. 

Nach Meinung der Autoren legen die Ergebnisse ihrer Analyse nahe, dass das Bewusstsein für geeignete empfängnisverhütende Maßnahmen und die gezielte Beratung dieser Patientinnen verbessert werden muss.

Mammakarzinom: Gestörtes Mikrobiom im Darm begünstigt Ausbreitung bösartiger Zellen

Eine Dysbiose im Darm mit geringer Biodiversität fördert die frühzeitige Ausbreitung von Hormonrezeptor-positiven Brust-Tumorzellen. Aktuelle Forschungsarbeiten ergaben, dass das kranke Mikrobiom Mastzellen umprogrammiert, so dass sie Fibroblasten im Brustgewebe aktivieren und die Ausbreitung der Hormonrezeptor-positiven Brusttumoren begünstigen. Eine Forschungsgruppe aus Charlottesville, Virginia (USA), hat diese Ergebnisse aus Untersuchungen an Mäusen und an Menschen in  Cancer Immunology Research  publiziert.

Möglicherweise kann man gezielt die Achse Darm-Mastzelle bei Frauen mit Brustkrebs angreifen und verhindern, dass der Krebs erneut auftritt und sich ausbreitet, so die Autoren in einer Pressemitteilung: „Unsere Forschung zur Darm-Mastzell-Achse hat mögliche Angriffspunkte identifiziert, die für einen maßgeschneiderten Therapieansatz anvisiert werden könnten. Das ultimative Ziel wäre es, das Überleben von Patientinnen zu verbessern, bei denen Brustkrebs diagnostiziert wurde.“ 

Merkelzell-Karzinom: Hohe Ansprechrate mit Nivo/Ipi-Kombination 

Auf die Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab sprachen Patienten mit fortgeschrittenem Merkelzell-Karzinom sowohl in der Erstlinienbehandlung als auch nach Vorbehandlung mit PD1- und PD-L1-Inhibitoren gut an. Eine stereotaktische Bestrahlung hatte keinen Einfluss auf die Wirksamkeit. Nach Meinung der amerikanischen Autorengruppe könnte die Kombination damit eine neue First-Line- und Salvage-Therapie für Patienten mit fortgeschrittenem Merkelzell-Karzinom sein.

Wie sie im  Lancet  berichten, behandelten sie ein einer offenen Phase-2-Studie 50 Patienten mit fortgeschrittenem Merkelzell-Karzinom randomisiert entweder mit Ipilimumab/Nivolumab oder mit Ipilimumab/Nivolumab plus stereotaktischer Bestrahlung. Der primäre Endpunkt Gesamtansprechen (ORR) wurde nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 14,6 Monaten von 100% der Patienten ohne Vorbehandlung erreicht, wobei 41% vollständig ansprachen. Bei Vorbehandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren sprachen 31% der Patienten auf die Kombination an, 4% vollständig. Die ORR unterschied sich in den Gruppen mit und ohne Bestrahlung nicht. 

Kopf-Hals-Tumoren: Carboplatin-basierte Chemoradiotherapie besser als Cetuximab-basierte Behandlung

Bei Patienten mit fortgeschrittenen Kopf-Hals-Tumoren, die für eine Cisplatin-basierte Chemoradiotherapie nicht geeignet sind, werden mit einer Carboplatin-basierten Behandlung bessere Überlebensraten erzielt als mit einer Cetuximab-basierten Therapie. Dies ergab einer Kohortenstudie mit insgesamt 8.290 US-Veteranen, die eine amerikanische Arbeitsgruppe in  JAMA Otolaryngol Head Neck Surg  publiziert hat.

Für Patienten mit lokal fortgeschrittenem Plattenepithelkarzinom im Kopf-Hals-bereich (HNSCC), die sich einer Radiochemotherapie (CRT) unterziehen, ist Cisplatin das bevorzugte Chemotherapeutikum zur Strahlensensibilisierung. Viele Patienten mit HNSCC haben jedoch relative oder absolute Kontraindikationen für die Behandlung mit Cisplatin. Als Alternativen werden dann z.B. Cetuximab oder Carboplatin eingesetzt. 

Die beiden alternativen Therapieansätze wurden bislang nur in kleinen Kohorten verglichen. Daher wurde nun in dieser großen Kohortenstudie mit 8.290 Patienten mit nicht metastasierten Kopf-Hals-Tumoren untersucht, wie sich die jeweilige Therapie auf das Überleben auswirkte.

67% der Patienten hatten eine CRT mit Cisplatin erhalten, 15% mit Carboplatin und 18% mit Cetuximab. Im Vergleich zu den mit Cisplatin behandelten Patienten waren die mit Carboplatin und Cetuximab behandelten Patienten älter, hatten schlechtere Performance-Status-Scores und eine höhere Komorbidität. 

Das mediane Gesamtüberleben betrug 74,4 Monate bei Patienten, die mit Cisplatin-basierter CRT behandelt wurden, 43,4 Monate bei Patienten, die mit Carboplatin-basierter CRT behandelt wurden, und 31,1 Monate bei Patienten, die Cetuximab-basierter CRT behandelt wurden. Nach Propensity Score und inverser Wahrscheinlichkeitsgewichtung war die Unterschied zwischen Carboplatin und Cetuximab signifikant (p = 0,001). Der Unterschied war vor allem bei Patienten mit Oropharynx-Tumoren sehr ausgeprägt.

Früherkennung: Leitlinien berichten häufig nicht über Nachteile

Nachteile verschiedener Screening-Verfahren auf Krebs werden in den entsprechenden Leitlinien oft unzureichend dargestellt. Dies ergab eine Überprüfung von 33 organspezifischen Leitlinien zur Krebsfrüherkennung in den USA. Eine amerikanische Arbeitsgruppe hat diese Ergebnisse in  Annals of Internal Medicine  publiziert. 

Eine Vorsorgeuntersuchung kann mit Schmerzen oder Unbehagen verbunden sein, iatrogene Komplikationen können auftreten. Sie lösen Stress aufgrund abnormaler Ergebnisse aus und ziehen eine Reihe zusätzlicher Tests und Verfahren mit weiteren Schäden und Kosten für die Patienten nach sich.

Forscher des Konsortiums Population-based Research to Optimize the Screening Process (PROSPR) haben 33 Leitlinien für 5 organspezifische Krebsarten analysiert. Sie fanden, dass in den Leitlinien Nachteile häufig nur unvollständig angegeben waren. 

Geringfügige und mäßige unerwünschte Ereignisse wurden, obwohl sie häufig auftreten, in weniger als 50% der Leitlinien für Brust- und Lungenkarzinom-Screening aufgeführt. Ebenfalls weniger als die Hälfte der Leitlinien für die Darm- und Lungenkrebsvorsorge erwähnten, wie häufig möglicherweise Biopsien und weitere invasive Eingriffe erforderlich werden oder wie hoch das Risiko von Überbehandlungen ist. 

Schwerwiegende unerwünschte Wirkungen der Behandlung wurden ebenfalls in weniger als 50% der Leitlinien für Brust-, Darm- oder Lungenkrebs-Screening aufgeführt. 

Die Autoren des begleitenden Editorials weisen darauf hin, dass der Mangel an Daten nur eine Erklärung sei, denn es gab auch unterschiedliche Darstellungen in verschiedenen Leitlinien zur gleichen Krebsart. „Wir befürchten, dass die Bedeutung von Schäden tendenziell unterschätzt wird.“ 

Wenn verschiedene Gruppen unterschiedliche Empfehlungen für die gleiche Intervention vorschlagen würden, sei die Verwirrung groß. „Die Verlierer sind am Ende die Kliniker und die Menschen, sie sie betreuen.“

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