Burnout bei Ärzten hat Konsequenzen für die Behandlungsqualität: In der bislang größten und umfassendsten Metaanalyse zu diesem Thema waren von Burnout betroffene Ärzte doppelt so häufig an Vorfällen beteiligt, die die Patientensicherheit gefährdeten, etwa Medikationsfehlern. Im BMJ berichten die Autoren, dass Burnout bei Notfall- und Intensivmedizinern am häufigsten aufgetreten sei [1].
Die Evidenz, dass Burnout bei Ärzten weltweit epidemische Ausmaße angenommen hat, ist mittlerweile erdrückend. 2018 fand ein systematischer Review von Studien aus 45 Ländern – abhängig von der Definition des Burnouts – eine Prävalenz von bis zu 80%. Berufsverbände und Fachgesellschaften warnen immer wieder vor dem Erreichen eines kritischen Punkts in der Gesundheitsversorgung.
Diese zunehmende Belastung für Ärzte zeichnete sich auch deutlich in einer Medscape-Umfrage zu Burnout, Depressionen und Lebensgefühl von Ärzten in Deutschland ab: Mehr als die Hälfte der befragten Ärzte gab an, an Symptomen eines Burnouts zu leiden.
Definiert wird Burnout im Allgemeinen als überwältigende emotionale Erschöpfung, Zynismus und Distanziertheit vom Job sowie als ein Gefühl von Ineffektivität und geringer persönlicher Errungenschaft.
„Burnout ist ein Indikator für einen dysfunktionalen Arbeitsplatz“
In einem begleitenden Editorial betont Prof. Dr. Matthias Weigl, Direktor des Instituts für Patientensicherheit am Universitätsklinikum Bonn, dass sich Burnout zwar in Individuen manifestiere, die Wurzeln lägen aber in der Arbeitsumgebung [2]. „Burnout ist ein Indikator für einen dysfunktionalen Arbeitsplatz“, schreibt er. „Burnout ist das unweigerliche Ergebnis, wenn Ärzte mit einer übermäßig hohen Arbeitsbelastung klarkommen müssen, die durch Personalmangel, unzureichende Unterstützung und schlechte Mitarbeiterführung zustande kommt. Verschlimmert wird die Situation durch das Ungleichgewicht aus Anstrengung und Belohnung und das moralische Leid, wenn adäquate Behandlungsstandards nicht aufrechterhalten werden können.“
Informationen darüber, wie sich Burnout bei Ärzten auf die Qualität der Patientenversorgung auswirkt, waren allerdings bisher Mangelware. Erstautor Dr. Alexander Hodkinson vom Centre for Primary Care der University of Manchester, Vereinigtes Königreich, und seine Kollegen analysierten die Ergebnisse von 170 Beobachtungsstudien zu dieser Fragestellung.
Ausgebrannte Ärzte machen mehr Fehler
Ihre Analyse von insgesamt 239.246 Ärzten zeigt, dass Ärzte mit Burnout doppelt so häufig in Vorfälle verwickelt waren, die die Patientensicherheit betreffen, etwa Medikationsfehler. Sie zeigten zudem mehr als doppelt so häufig einen Mangel an Professionalität und erhielten ebenfalls mehr als doppelt häufig niedrige Zufriedenheitsbewertungen von Patienten.
Am ausgeprägtesten war der Zusammenhang zwischen Burnout und Vorfällen, die die Patientensicherheit betrafen, bei Ärzten zwischen 20 und 30 Jahren und bei Ärzten, die in der Notfallmedizin arbeiten.
Die Analyse zeigte auch: Ärzte mit Burnout sind bis zu 4-mal häufiger mit ihrer Arbeit unzufrieden. Und sie denken mehr als 3-mal häufiger darüber nach, ihren Job aufzugeben oder bedauern ihre Berufswahl.
Am häufigsten waren Burnout und Unzufriedenheit mit dem Job bei Ärzten im Krankenhaus, bei Ärzten im Alter zwischen 31 und 50 Jahren und bei Ärzten in Notfall- und Intensivmedizin. Am seltensten war Burnout bei Allgemeinmedizinern.
Uneinheitliche Definitionen erschweren Interpretation
Die Studienautoren räumen gewisse Limitationen ihrer Analyse ein. Hodkinson und seine Kollegen weisen darauf hin, dass Begriffe wie Patientensicherheit, Professionalität und Zufriedenheit mit der Arbeit in den analysierten Studien unterschiedlich definiert waren. Dies könnte dazu beigetragen haben, dass ihre Assoziation mit dem Burnout der Ärzte teilweise überschätzt worden sei.
Auch die Instrumente und Fragebögen, die in den immerhin 170 Studien angewandt wurden, variierten beträchtlich. Und das Design der Originalstudien ermöglichte es nur in sehr begrenztem Maß, kausale Verbindungen zwischen dem Burnout der Ärzte und der Qualität der Patientenversorgung herzustellen.
Burnout ist ein Prädiktor für die Qualität der Patientenversorgung
Trotz allem ziehen die Forscher das Fazit, dass Burnout bei Ärzten ein starker Prädiktor für die Qualität der Patientenversorgung sei. Sie schlagen vor, Strategien zu entwickeln und umzusetzen, die Burnout in der Belegschaft von Krankenhäusern verringern, um so die Qualität der Patientenversorgung sicherzustellen.
„Einrichtungen der Gesundheitsversorgung sollten mehr Zeit und Anstrengungen in die Implementierung evidenzbasierter Strategien zur Linderung von Burnout bei Ärzten investieren, dies gilt für alle Disziplinen, speziell aber für die Notfallmedizin und für Ärzte in Ausbildung“, ergänzen sie.
Handeln dringend erforderlich
„Burnout ist eine Gefahr für die Patientensicherheit und muss wie alle anderen Sicherheitsrisiken für Patienten behandelt werden“, schreibt Weigl. „Um die Sicherheit der Ärzte, Patienten und Gesundheitssysteme zu gewährleisten, ist es dringend erforderlich zu handeln.“
Der Experte für Patientensicherheit weist darauf hin, dass es Interventionen gebe, die evidenzbasiert und systemorientiert seien. Mit ihnen lasse sich ein Arbeitsumfeld schaffen, dass Personalengagement fördere und Burnout verhindere.
Er verwies dabei unter anderem auf einen 2016 in The Lancet erschienen systematischen Review, demzufolge sich die Burnout-Prävalenz durch individuelle, strukturelle und organisatorische Strategien um 10% reduzieren ließ, ebenso wie starke emotionale Erschöpfung (-14%) und Depersonalisierung (-4%).
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Credits:
Photographer: © Fizkes
Lead image: Dreamstime.com
Medscape Nachrichten © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Doppeltes Risiko: Burnout bei Ärzten ist laut Metaanalyse eine Gefahr für die Patientensicherheit - Medscape - 27. Sep 2022.
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