Paris – Patienten mit Hochrisiko-Melanomen, die sowohl vor als auch nach der operativen Therapie eine Immuntherapie mit Pembrolizumab erhalten, weisen ein signifikant längeres ereignisfreies Überleben auf als Patienten, die nur postoperativ mit Pembrolizumab behandelt wurden. Das berichtete Dr. Sapna Patel, Onkologin am University of Texas MD Anderson Cancer Center, Houston, beim Kongress der European Society of Medical Oncology (ESMO) 2022 in Paris [1].
Sie stellte bei einem Präsidentensymposium die Ergebnisse der SWOG S1801-Studie vor und betonte: „Es geht nicht nur darum, was man gibt, es kommt darauf an, wann man es gibt.“ Denn die „gleiche Therapie kann, verabreicht in einer anderen Reihenfolge, zu einer geringeren Rezidivrate führen“.
Gleiche Dosis, andere Reihenfolge – großer Unterschied
Nach einem Follow-up von im Schnitt fast 15 Monaten war die Rate an Rezidiven oder an Todesfällen um 42% niedriger, wenn Patienten – bei gleicher Gesamtdosis – sowohl neoadjuvant als auch adjuvant Pembrolizumab erhalten hatten.
Als mögliche Erklärung für dieses Ergebnis schlug Patel vor: „Die Inhibition des PD-1/PD-L1-Immun-Checkpoints vor der Operation führt sowohl lokal als auch in der Ferne zu einer Anti-Tumor-Reaktion, und das passiert vor der Resektion des Tumorbetts. Dieser Ansatz lässt üblicherweise eine große Zahl von gegen den Tumor gerichteten T-Zellen zurück … [und] diese T-Zellen können aktiviert und systematisch in den Kreislauf gebracht werden, um Mikrometasen des Melanoms zu erkennen und anzugreifen.“
Vollständiges Ansprechen
„Die neoadjuvante Immuntherapie führte zu einem beeindruckenden vollständigen pathologischen Ansprechen, welches bisher mit einem anhaltenden Gesamtansprechen assoziiert war. Die neoadjuvante Therapie könnte dabei helfen, diejenigen Patienten zu identifizieren, die voraussichtlich gut auf Checkpoint-Inhibitoren ansprechen werden, was eine Deeskalation der Therapie erlauben würde“, sagte Dr. Maya Dimitrova, medizinische Onkologin am NYU Langone Perlmutter Cancer Center in New York City, die selbst nicht an der Studie beteiligt war, im Gespräch mit Medscape.
„Wie bei allen neoadjuvanten Therapien wollen wir nicht, dass die Behandlung die Ergebnisse der mit kurativer Absicht durchgeführten Operation gefährdet. Und hier haben wir erneut Evidenz dafür, dass dies bei der Immuntherapie nicht der Fall ist“, sagte sie. Allerdings sind weitere Überlebensdaten erforderlich, bevor wir den Therapiestandard bei Hochrisiko-Melanom verändern können und auch um zu zeigen, ob es bei Therapie und Operation wirklich eine überlegene Reihenfolge gibt.“
Untersucht wurden 345 Patienten mit Hochrisiko-Melanomen
Die klinische Studie schloss 345 Patienten mit Melanomen im Stadium IIIB bis IV ein, die als resezierbar eingestuft waren. Sie erhielten randomisiert entweder zuerst die Operation gefolgt von 18 Dosen Pembrolizumab (200 mg alle 3 Wochen) oder eine neoadjuvante Therapie mit Pembrolizumab (3 Dosen à 200 mg) und eine adjuvante Therapie mit 15 Dosen Pembrolizumab (200 mg).
Der primäre Endpunkt war das ereignisfreie Überleben, definiert als die Zeit von der Randomisierung bis zum Auftreten eines der folgenden Ereignisse: Krankheitsprogression oder Toxizität, die die Operation verhinderten, keine adjuvante Therapie innerhalb von 84 Tagen nach der Operation, Rezidiv des Melanoms nach der Operation oder Tod aufgrund aller Ursachen.
Gesamtüberleben erreicht noch nicht statistische Signifikanz
Nach im Median 14,7 Monaten Nachbeobachtung war das EFS bei den Patienten in der zusätzlich neoadjuvant behandelten Gruppe signifikant höher als in der ausschließlich adjuvant mit Pembrolizumab behandelten Gruppe (HR 0,58 einseitiges p=0,004). Insgesamt 36 Patienten verstarben, 14 in der neoadjuvanten und 22 in der adjuvanten Gruppe. Die daraus extrapolierte HR betrug 0,63 (einseitiges p=0,091)
„Aufgrund der begrenzten Zahl von Ereignissen ist das Gesamtüberleben zu diesem Zeitpunkt noch nicht statistisch signifikant unterschiedlich“, sagte Patel. „Das [in einer Landmark-Analyse] ermittelte 2-Jahres-Überleben betrug 72% im neoadjuvanten Arm und 49% im adjuvanten Arm.“
Konsistenter Nutzen und kein Überschuss an Nebenwirkungen
Die Autoren merken an, dass der Nutzen der neoadjuvanten Therapie über ein Spektrum von Faktoren konsistent geblieben sei – Patientenalter, Geschlecht, Performance-Status, Krankheitsstadium, Ulzeration und BRAF-Status.
Die Nebenwirkungsraten waren in den beiden Gruppen vergleichbar. Die neoadjuvante Behandlung mit Pembrolizumab führte nicht zu einer Zunahme von operationsbedingten Komplikationen. In der neoadjuvanten Gruppe zeigten 28 Patienten (21%), für die ein pathologischer Bericht vorlag, ein vollständiges pathologisches Ansprechen (0% lebensfähiger Tumor).
Dr. James Larkin vom Royal Marsden Hospital in London, Vereinigtes Königreich, der zur Diskussion der Studienergebnisse eingeladen war, sagte, dass die Studie „eindrucksvolle Ergebnisse“ geliefert habe. Es sei eine Meilenstein-Studie mit einem simplen, aber leistungsstarken Design.
Er wies aber auch auf einige Fragen hin, die noch beantwortet werden müssen: „Eine wichtige Frage ist, was die optimale Behandlungsdauer für die neoadjuvante Therapie ist und ob wir sie personalisieren können.“
Könnte bei einigen Patienten künftig sogar ganz auf die Operation verzichtet werden?
Eine andere Frage sei, welche postoperative Therapie tatsächlich erforderlich sei und ob die Pathologie dabei helfen könne, dies zu ermitteln. „Kann auf eine Operation vielleicht sogar komplett verzichtet werden, ohne den Patienten zu gefährden?“, fragte er. „Eine andere Sache ist die Erfordernis einer Anti-CLT4-Therapie – welche Patienten profitieren möglicherweise von einer Therapie gegen CLT4 zusätzlich zur Anti-PD-1-Therapie?“
Ein weiterer Experte wies darauf hin, dass die neoadjuvante Therapie in diesem Setting bereits als eine Option in Betracht gezogen werde. „Die Verabreichung einer Immuntherapie vor der Operation wurde bereits in einigen Studien berichtet, etwa den OPACIN-neo- und PRADO-Studien“, sagte Dr. Anthony J. Olszanskivom Fox Chase Cancer Center in Philadelphia, USA. „Die Ergebnisse waren ziemlich aufregend und haben das National Comprehensive Cancer Network (NCCN) dazu gebracht, es in den aktuellen Melanom-Leitlinien als potenzielle Option für einige Patienten zu listen.“
Dieser Artikel wurde von Nadine Eckert aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Credits:
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: Melanom-Therapie: Warum Pembrolizumab vor und nach der Operation verabreicht werden sollte - Medscape - 26. Sep 2022.
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