Eine schwere COVID-19-Erkrankung könnte mit einem erhöhten Risiko für neuropsychiatrische Spätfolgen einhergehen. In einer großen Kohortenstudie von Forschenden der Universität Oxford wurde das Risiko mit Überlebenden anderer schwerer Atemwegsinfektionen (SARI für severe acute respiratory infections) verglichen [1].
In die Untersuchung flossen Daten aus britischen Registern von 8,3 Millionen Erwachsenen (im Mittel 49,18 Jahre alt) ein, von denen 16.679 einen Krankenhausaufenthalt aufgrund einer SARI und 32.525 aufgrund von COVID-19 überlebt hatten.
Erhöhtes Risiko nach SARI
Die Überlebenden beider Gruppen hatten ein deutlich erhöhtes Risiko für spätere neuropsychiatrische Diagnosen im Vergleich zur Restpopulation. Das Risiko für Angststörungen war nach einer SARI z.B. um 86% erhöht, nach einem schweren COVID-19-Verlauf um mehr als das 2-Fache (HR 2,36). Auch das Demenzrisiko war bei den Überlebenden mehr das doppelt so hoch (HR 2,55 nach SARI und 2,63 nach COVID-19), das Risiko für psychotische Störungen um den Faktor drei höher.
Kein Unterschied bei verschriebenen Psychopharmaka
Auch bei den Erstverschreibungen von Psychopharmaka zeigte sich ein deutlich erhöhtes Risiko in beiden Gruppen (HR für Antidepressiva-Verschreibungen nach SARI 2,55, nach COVID-19 3,24). Insgesamt zeigte sich im direkten Vergleich kein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Gruppen, lediglich die Rate an Verschreibungen von Antipsychotika war nach SARI geringer als nach COVID-19.
Einschränkungen der Studie
Als Limitation geben die Autoren unter anderem an, dass es unter den komplexen Bedingungen der Pandemie sehr schwierig ist, neuropsychiatrische Störungen direkt der Erkrankung zuzuordnen und möglicherweise ein Bias vorliegt, weil Symptomen bei COVID-19-Überlebenden evtl. mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Die Studie macht deutlich, dass alle Überlebenden von schweren akuten Atemwegsinfektionen auch nach dem Krankhausaufenthalt Aufmerksamkeit und Unterstützung benötigen – unabhängig vom zugrundeliegenden Pathogen.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Coliquio.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Akute schwere Atemwegsinfektion: Neuropsychiatrische Spätfolgen unabhängig vom Erreger – nicht nur an COVID-19 denken - Medscape - 28. Sep 2022.
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