Lieber lang statt kurz Antihormone nehmen? Wie die ADT des Prostatakarzinoms am besten vor Metastasen schützen

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

19. September 2022

Paris – Bei Patienten mit Prostatakarzinom, die nach einer radikalen Prostatektomie bestrahlt werden, verbessert eine zusätzliche Antihormontherapie (ADT) über 24 Monate das metastasenfreie Überleben (MFS) im Vergleich stärker als eine ADT über 6 Monate. Das 10-Jahres-MFS betrug 78% versus 72%.

Prof. Dr. Chris Parker

„Allerdings hat eine ADT über 6 Monate im Vergleich zu keiner ADT das metastasenfreie Überleben nicht wesentlich verbessert“, berichtete Prof. Dr. Chris Parker, Institute of Cancer Research, London, beim Kongress der European Society of Medical Oncology (ESMO) 2022. Er hat im 3. Präsidentensymposium die Ergebnisse der RADICALS-HD-Studie vorgestellt [1].

 
Allerdings hat eine ADT über 6 Monate im Vergleich zu keiner ADT das metastasenfreie Überleben nicht wesentlich verbessert. Prof. Dr. Chris Parker
 

„Im Allgemeinen entwickeln Männer, die postoperativ bestrahlt werden, in der Regel in 10 Jahren keine Metastasen. Aber die zusätzliche Gabe von 2 Jahren ADT ist wirksamer als die Gabe über 6 Monate“, sagte er. Deshalb würden diese Ergebnisse nun Ärzten und Patienten bei einer evidenzbasierten Entscheidung helfen.

Für Diskutantin Prof. Dr. Silke Gillessen, Onkologisches Institut der Südschweiz und Abteilung für Medizinische Onkologie, Bellinzona, Schweiz, hat diese akademische pragmatische Studie wichtige offene Fragen angesprochen. Die Studie habe jedoch vor 15 Jahren begonnen, und mittlerweile habe sich das Management der Patienten verändert.

Gillessen wies außerdem darauf hin, dass die Patienten auch von einer kurzen ADT profitiert hätten mit einem metastasenfreien Überleben nach 10 Jahren von 72%. Bei langer ADT seien es 6 Prozentpunkte mehr gewesen. Dagegen müsse man die vermehrten toxischen Wirkungen betrachten; Daten zur Lebensqualität wären interessant gewesen.

 
Im Allgemeinen entwickeln Männer, die postoperativ bestrahlt werden, in der Regel in 10 Jahren keine Metastasen. Prof. Dr. Chris Parker
 

Wichtig sei nun herauszufinden, wer keine, eine kurze oder eine lange ADT erhalten sollte. Ziel sei eine „optimale Therapieintensivierung, aber nur für Patienten, die sie wirklich benötigen – und nicht jeder benötigt 24 Monate ADT“.

Optimale Dauer der ADT?

Zur Wirksamkeit einer Androgendeprivationstherapie (ADT) beim Prostatakarzinom mit primärer Bestrahlung gibt es zahlreiche Belege. Unklar waren bislang Wirksamkeit und optimale Therapiedauer der ADT nach einer radikalen Prostatektomie. Dieser Frage wurde nun in der RADICALS-HD-Studie nachgegangen, die Teil des RADICALS-Protokolls ist.

In der randomisierten, kontrollierten Studie wurden in Großbritannien, Kanada, Dänemark und Irland 2.839 Männer nach radikaler Prostatektomie wegen eines Adenokarzinoms eingeschlossen. Alle Männer wurden bestrahlt. Randomisiert erhielten sie:

  • keine ADT,

  • eine ADT über 6 Monate oder

  • eine ADT über 24 Monate.

Ausgewertet wurden bei 1.480 Männern die alleinige Bestrahlung mit einer Bestrahlung plus ADT über 6 Monate und bei 1.523 bestrahlten Männern die ADT über 2 Jahre im Vergleich zur ADT über 6 Monate.

Die Patienten hatten ein mittleres Alter von 66 Jahren. Etwa ein Viertel der Patienten hatte Krebs im Stadium pT3b/T4, und 20% hatten einen Gleason-Score von 8–10. Der mittlere PSA-Wert vor Beginn der Strahlentherapie betrug 0,22 ng/ml. Die Patienten wurden im Median 9 Jahre nachbeobachtet.

Kurze ADT versus alleinige Bestrahlung

Beim Vergleich der Gruppen ohne ADT (n=737) mit 6-Monats-ADT (n=743) zeigte sich kein Unterschied im metastasenfreien Überleben (MFS; Hazard Ratio [HR] 0,89, p=0,34). Ohne neues Ereignis lebten nach 10 Jahren 79% der Patienten, die nur bestrahlt worden sind, und 80%, die zusätzlich eine ADT über 6 Monate erhalten hatten.

Die Zeit bis zu einer Salvage-Hormontherapie wurde bei zusätzlicher kurzer ADT signifikant verzögert.

Das Gesamtüberleben (OS) unterschied sich nicht zwischen den beiden Gruppen mit einem 10-Jahres-OS von 86% ohne ADT versus 85% mit kurzer ADT.

Kurze versus lange ADT

In den Gruppen mit kurzer ADT (n=761) bzw. mit 24-Monats-ADT (n=762) waren 174 bzw. 139 Ereignisse aufgetreten. Damit senkte die lange ADT-Therapie die Ereignisrate signifikant um 23% (HR 0,77, p=0,03). Das metastasenfreie 10-Jahresüberleben betrug 78% mit langer ADT und 72% mit kurzer ADT.

Die Zeit bis zu einer Salvage-Hormontherapie wurde bei langer ADT im Vergleich zur 6-Monats-Behandlung signifikant verzögert (HR 0,73, p=0,005)

Das Gesamtüberleben unterschied sich nicht zwischen den beiden Gruppen mit einem 10-Jahres-OS von 85% bei langer ADT versus 82% mit kurzer ADT.

Diese Ergebnisse konnten auch in den vordefinierten Subgruppen gesehen werden.

Als Nebenwirkungen vom Schweregrad ≥ 3 wurden am häufigsten Harnröhrenstrikturen (6%) und Hämaturie (4%) berichtet.

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Kommentar

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