Monoklonale Antikörper sind ein wirksames Mittel zur Prävention und Behandlung von COVID-19 und können schnell entwickelt werden. „Sie sind auch eine wichtige Maßnahme zur Ergänzung des Erfolgs der aktiven Impfung“, erklärte Prof. Dr. Florian Klein, Direktor des Instituts für Virologie der Uniklinik Köln. Immer mehr monoklonale Antikörper sind verfügbar oder befinden sich in der klinischen Prüfung.
Was den Einsatz monoklonaler Antikörper gegen COVID-19 bislang gebremst hat und welche Herausforderungen durch die Escape-Mutationen von SARS-CoV-2 entstehen, erläuterte der Antikörper-Spezialist auf der gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Immunologie und der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie in Hannover [1].
„Antikörper können sowohl zum Schutz vor einer Infektion als auch zur Therapie bei COVID-19 eingesetzt werden“, so Klein. Verschiedene Studien zeigen, welche Kombinationen von Antikörpern zur Prävention und zur Therapie am erfolgversprechendsten sind.
Gekauft, aber nicht wirklich eingesetzt…
Ende 2020 wurden die ersten Antikörper zugelassen. Auch das Gesundheitsministerium kaufte für 400 Millionen Euro Antikörper ein. Ausgiebig genutzt wurden die Mittel aber nicht. Das war kein rein deutsches Phänomen, auch in Frankreich oder in Italien wurden die Mittel kaum eingesetzt. „Antikörper gegen COVID-19 bleiben ungenutzt, während der Bedarf ansteigt“, titelte etwa die New York Times Ende Dezember 2020. Für die Zurückhaltung gab es verschiedene Gründe.
Für eine möglichst effektive Wirkung war es notwendig, infrage kommende Patienten möglichst früh nach Infektion zu identifizieren. Dazu brauchten die Menschen Zugang zum PCR-Test, mussten einen Abstrich vornehmen lassen, die Probe musste analysiert, das Ergebnis übermittelt werden. Nicht zuletzt musste das Mittel auch zum Patienten gelangen, d.h. in einer geeigneten Einrichtung vorhanden sein bzw. dorthin gebracht werden. „Das nimmt Zeit in Anspruch. Und wenn es dafür keine gute Infrastruktur gibt, kann das eine langwierige Sache werden“, erinnerte Klein.
Auch die Therapie selbst war nicht so einfach umzusetzen: Die Patienten waren in der Regel ansteckend, aber noch nicht Sauerstoff-pflichtig; die Kliniken versorgten Patienten mit schwerem COVID-19-Verlauf und versuchten, COVID-19 möglichst aus ihren Einrichtungen herauszuhalten. Für die Infusionstherapie brauchten die Mittel die entsprechende Temperatur/Stabilität, und während der Infusion sollten die Patienten wegen möglicher allergischer Reaktionen überwacht werden.
Diese Antikörper kommen gegen COVID-19 in Frage
Antikörper zur Prävention von COVID-19
Prä-Expositions-Prophylaxe: ≥75% relative Risikoreduktion für symptomatische COVID-19-Infektion durch
Casirivimab/Imdevimab
Cilgavimab/Tixagevimab
Post-Expositions-Prophylaxe: 50 bis 90% relative Risikoreduktion für symptomatische COVID-19-Infektion durch
Bamlanivimab
Casirivimab/Imdevimab
Antikörper zur Therapie von COVID-19
Frühe Therapie (Symptombeginn sollte nicht länger als 5 Tage zurückliegen): 50 bis 80% relative Risikoreduktion für Hospitalisierung/Tod durch
Bamlanivimab/Etesevimab
Casirivimab/Imdevimab
Cilgavimab/Tixagevimab
Sotrovimab
Bei hospitalisierten Patienten kann eine 20- bis 30%ige Reduktion der Sterblichkeit erreicht werden durch
Casirivimab/Imdevimab
Cilgavimab/Tixagevimab
Keinen Effekt zeigt hier Bamlanivimab.
Inzwischen können Antikörper subkutan oder intramuskulär verabreicht werden. Klein gelang es mit seinem Team, einen monoklonalen Antikörper zu isolieren, der per Inhalation zur passiven Immunisierung verabreicht werden kann. „Das wurde sehr gut vertragen und könnte zukünftig eine Anwendungsmethode sein“, berichtete er.
Größte Herausforderung: Interaktion zwischen Antikörper-Antwort und Virus
Die größte Herausforderung ist aber die Interaktion zwischen Antikörper-Antwort und Virus. Ging es zu Beginn der Pandemie um den Wildtyp in einer nicht immunisierten Bevölkerung, ist inzwischen eine gewisse Immunität vorhanden, und es kommt zur Re-Exposition entweder durch Vakzine, durch modifizierte Impfstoffe oder durch verschiedene Virusvarianten.
Im Dezember vergangenen Jahres wurde erstmals Omikron entdeckt, dann BA.1, BA.2, später dann BA.4 und BA.5 – die Variante, die derzeit noch zirkuliert. Gerade wenn Escape-Mutationen entstehen, ist die Entwicklung hochwirksamer monoklonaler SARS-CoV-2-Antikörper entscheidend, betonte Klein.
Viele der Mutationen im Spikeprotein der Omikron-Sublinien wurden als Immun-Escapes identifiziert. „Es ist offensichtlich, dass das eine große Herausforderung ist und einen dramatischen Effekt darauf hat, wie wir monoklonale Antikörper für die therapeutische oder präventive Behandlung nutzen können“, sagte Klein.
Wie bedeutsam sich die Immun-Escapes auswirken, zeigt eine Studie von Klein und seinem Team in Zusammenarbeit mit der Charité. Untersucht wurden sowohl die neutralisierende Antikörperantwort in Geimpften (n=30) und Genesenen (n=20) als auch die Aktivität monoklonaler Antikörper gegen Omikron. In den untersuchten Geimpften und Rekonvaleszenten fehlte fast vollständig eine neutralisierende Aktivität gegen Omikron.
Die Forscher fanden aber auch heraus, dass sich das – zumindest partiell – dank der mRNA-Boosterimpfung überwinden lässt. „Aus diesem Grund ist die Boosterimpfung so wichtig“, betonte Klein. Allerdings kommt es auch nach dem Booster zu einem Abfall der neutralisierenden Aktivität – besonders bei BA.4/BA.5.
„Eine Neutralisierungsaktivität wie gegen den Wildtyp kann nicht erreicht werden“, stellte Klein fest. Dass die Antikörper gegen die Omikron-Varianten ihre volle Wirksamkeit verloren haben, hatte durchaus dramatische Auswirkungen auf viele Antikörper, die bereits auf dem Markt waren, erinnerte Klein.
Neue Variante heißt nicht automatisch Zunahme von Immun-Escapes
Auch wenn Omikron im Spikeprotein viele Immun-Escapes aufweist – das heißt nicht, dass bei jeder neuen Variante mit einer weiteren Zunahme zu rechnen ist. Klein und sein Team hatten die neue, in Indien entdeckte BA.2.75-Variante untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Mutationen im Spike-Protein der Sublinie BA.2.75 die Anfälligkeit für Impfstoff-induzierte neutralisierende Aktivität im Vergleich zu BA.2 verringern, wenn auch in geringerem Maße als die Mutationen in BA.4/BA.5.
Darüber hinaus zeigte BA.2.75 eine insgesamt höhere Empfindlichkeit gegenüber neutralisierenden monoklonalen SARS-CoV-2-Antikörpern in fortgeschrittener Entwicklung, einschließlich Antikörpern, die derzeit klinisch eingesetzt werden. „Man sieht, dass einige der Antikörper gegen diese BA.2.75-Variante wieder aktiv werden.“ Das deutet daraufhin, dass die Antikörperflucht bei BA.2.75 im Vergleich zu BA.4/5 insgesamt weniger ausgeprägt ist.
Es gibt auch Menschen, die einer außergewöhnlich gute SARS-CoV-2-Neutralisierung aufweisen. Klein und sein Team untersuchten bei 963 Personen mit überwiegend leichter Erkrankung die Dynamik der SARS-CoV-2-Antikörper über 10 Monate. Bei der Analyse von 2.146 Proben konnten zunächst bei 94,4% der Personen SARS-CoV-2-Antikörper nachgewiesen werden, wobei 82% und 79% eine Serum- bzw. IgG-Neutralisierung aufwiesen.
Etwa 3% der Personen wiesen eine außergewöhnliche SARS-CoV-2-Neutralisierung auf: „Wir fanden heraus, dass diese Personen nicht nur gegen SARS-CoV-2, sondern auch gegen SARS-CoV-1 eine neutralisierende Aktivität aufwiesen“, berichtete Klein.
Das Team konnte einige Antikörper isolieren, die voll aktiv sind – nicht nur gegen die aktuellen Alpha-, Beta-, Delta- und Kappa-Varianten, sondern auch gegen die neuen Omikron-Varianten. „Es gibt also Antikörper, die sehr breit gefächert und hoch aktiv sind.“
Die Frage sei nun: „Wie kann man dies nutzen, und wie kann man schnell geeignete Produkte auf den Markt bringen, die immer aktive Antikörper zur Vorbeugung und Behandlung von COVID-19 haben werden?“
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Credits:
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Medscape Nachrichten © 2022 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Geheimwaffe gegen neue Varianten? Was monoklonale Antikörper bei Prävention und Therapie von COVID-19 leisten - Medscape - 16. Sep 2022.
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