Vakzin gegen BA.4 und BA.5 zugelassen; Auslieferung verzögert sich; 17 Millionen Patienten mit Long-COVID in Europa

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

15. September 2022

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 14. September 2022

Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 244,4 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 14. September lag der Wert noch bei 236,2. Der Wert steigt langsam, aber kontinuierlich.

Unsere Themen heute:

  • Länder: Weiter Maskenpflicht im ÖPNV

  • Grünes Licht für Vakzine gegen die Omikron-Varianten BA.4 und BA.5

  • Nach Kritik von Hausärzten: BMG will Omikron-Impfstoff nachliefern

  • Europa: 17 Millionen Patienten mit Long-COVID

  • Ärzte verordnen zu selten Paxlovid®: Wo liegt das Problem?

Länder: Weiter Maskenpflicht im ÖPNV

Der Bundestag hatte letzte Woche Neuregelungen im Infektionsschutzgesetz beschlossen, den Ländern jedoch große Freiräume eingeräumt. Bundesweit gilt ab Oktober eine FFP2-Maskenpflicht u.a. in Bahnen und Bussen des Fernverkehrs. Am Montag haben Gesundheitsminister der Länder jedoch beschlossen, an der Maskenpflicht im ÖPNV festzuhalten. Das bestätigte eine Sprecherin des sachsen-anhaltischen Gesundheitsministeriums.

Grünes Licht für Vakzine gegen die Omikron-Varianten BA.4 und BA.5

Auch beim Schutz durch Impfungen tut sich viel. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA hat empfohlen, einen angepassten bivalenten Impfstoff von BioNTech/Pfizer zuzulassen, der neben dem ursprünglichen SARS-CoV-2-Stamm auch die Omikron-Untervarianten BA.4 und BA.5 abdeckt. Mittlerweile ist die Europäische Kommission diesem Vorschlag gefolgt.

Comirnaty® Original/Omicron BA.4-5 soll bei Personen ab 12 Jahren zum Einsatz kommen, die mindestens eine Erstimpfung gegen COVID-19 erhalten haben. Es handelt sich um eine angepasste Version des bereits zugelassenen mRNA-COVID-19-Impfstoffs.

Bei seiner Entscheidung berücksichtigte der CHMP alle verfügbaren Daten zu Comirnaty und seinen angepassten Impfstoffen, einschließlich Daten zum kürzlich zugelassenen Impfstoffs Comirnaty Original/Omicron BA.1 sowie zu Impfstoffen gegen andere bedenkliche Varianten, die sich noch in der Erprobung befinden.

Klinische Studien mit dem schon zugelassenen Vakzin Comirnaty® Original/Omicron BA.1 zeigten, dass der Impfstoff eine wirksamere Immunantwort gegen die Subvariante BA.1 auslöste als Comirnaty® und gegen den ursprünglichen Stamm ebenso wirksam war. Große Unterschiede bei Nebenwirkungen gab es nicht. Dies wurde auch durch Daten von Prüfimpfstoffen gegen andere Varianten untermauert, die ähnliche Sicherheitsprofile und ähnliche Immunreaktionen haben.

Darüber hinaus lieferten Immunogenitätsdaten aus nicht-klinischen Laborstudien Hinweise darauf, dass Comirnaty® Original/Omicron BA.4-5 eine angemessene Immunität gegen die Zielstämme auslöst.

Auf der Grundlage all dieser Daten kam der CHMP zu dem Schluss, dass Comirnaty Original/Omicron BA.4-5 bei der Auslösung einer Immunreaktion gegen die Subvarianten BA.4 und BA.5 voraussichtlich wirksamer ist als Comirnaty. Klinische Studien laufen noch.

Nach Kritik von Hausärzten: BMG will Omikron-Impfstoff nachliefern

Herausforderungen stellen sich jedoch bei der Auslieferung der BA.1-Vakzine. Nach Startschwierigkeiten hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) eine Nachlieferung angekündigt. Arztpraxen, deren Bestellungen gekürzt worden sind, sollen die noch fehlenden Impfstoffdosen bis Ende dieser Woche erhalten. Darüber hat Univadis.de berichtet.

Bei den noch ausstehenden Impfstoffen handelt es sich um Bestellungen, die die Praxen vergangene Woche aufgegeben hatten. Bisher konnte der auf die Omikron-Variante BA.1 angepasste Corona-Impfstoff nicht im vom BMG zugesagten Umfang geliefert werden. Als Folge haben einige Ärzte deutlich weniger Impfstoffdosen erhalten, als sie für die nächste Woche bestellt haben, teilt die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit.

Europa: 17 Millionen Patienten mit Long-COVID

Neue Modellrechnungen, die das Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) an der School of Medicine der University of Washington für das WHO-Regionalbüro für Europa durchgeführt hat, zeigen, dass in den ersten beiden Jahren der Pandemie mindestens 17 Millionen Menschen in den 53 Mitgliedstaaten der Europäischen Region der WHO von Long-COVID betroffen gewesen sein könnten.

Die Modellierung deutet auf einen Anstieg der neu festgestellten Fälle zwischen 2020 und 2021 um 307% hin, was sich durch den rasanten Anstieg der COVID-19-Fälle ab Ende 2020 und während des gesamten Jahres 2021 erklären lässt. Die Modellierung deutet auch darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit, an Long-COVID zu erkranken, für Frauen doppelt so hoch ist wie für Männer. Darüber hinaus steigt das Risiko bei schweren COVID-19-Fällen, die einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machen, dramatisch an: Jede 3. Frau und jeder 5. Mann leidet danach an Long-COVID.

„Die Forschungsergebnisse des IHME zeigen, dass in den ersten beiden Jahren der Pandemie weltweit fast 145 Millionen Menschen an einem der 3 Symptomcluster von Long-COVID litten: Müdigkeit mit körperlichen Schmerzen und Stimmungsschwankungen, kognitive Probleme und Kurzatmigkeit“, kommentiert Dr. Christopher Murray, Direktor des IHME. „Zu wissen, wie viele Menschen wie lange betroffen sind, ist für die Gesundheitssysteme und Regierungen wichtig, um Rehabilitations- und Unterstützungsdienste zu entwickeln.“

Ärzte verordnen zu selten Paxlovid®: Wo liegt das Problem?

Trotz zahlreicher Appelle von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) und trotz vielversprechender Daten verordnen Ärzte immer noch zu selten Paxlovid®. Kurz nach der Zulassung hatte die Bundesregierung 1 Million Dosen bestellt. Jetzt drohen 280.000 bis Februar 2023 zu verfallen. Ob eine längere Anwendung möglich ist, prüfen Arzneimittelexperten derzeit.

„Paxlovid spielt vor allem im ambulanten Bereich eine Rolle, da die Behandlung spätestens 5 Tage nach Symptombeginn beginnen sollte“, erklärt Prof. Dr. Stefan Kluge vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) gegenüber dem Science Media Center Germany. Wenn die Patienten aufgrund einer COVID-19-Erkrankung in die Klinik kämen, sei es dafür meistens schon zu spät. „Insgesamt kann man aber sagen, dass Paxlovid® in Deutschland wesentlich weniger angewendet wurde als in anderen europäischen Ländern. Das gilt sowohl für die Arztpraxen als auch für die Klinik“, betont Kluge.

Dafür gebe es unterschiedliche Gründe. „Zum einen dauert es immer eine gewisse Zeit, bis das Wissen auch alle Ärzte in Praxen und Krankenhäusern erreicht“, so Kluge. „Das sehen wir bei allen medizinischen Innovationen.“

Außerdem seien Wechselwirkungen problematisch, so der Experte. „Besonders ältere Menschen ab 65 Jahren, die am meisten von Paxlovid® profitieren könnten, nehmen häufig noch andere Arzneimittel ein. Eine Überprüfung aller möglichen Wechselwirkungen und eine Abwägung, welche Medikamente abgesetzt werden können, kostet im Praxisalltag viel Zeit und könnte auch eine Erklärung dafür sein, warum es bisher noch nicht so viel eingesetzt wurde.“

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Kommentar

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