
Prof. Dr. John Haanen
Eine personalisierte Zelltherapie mit Tumor-infiltrierenden Lymphozyten (TIL) verbessert bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom das progressionsfreie Überleben signifikant im Vergleich zu einer Behandlung mit Ipilimumab. Dies ergab die erste randomisierte Studie mit TIL bei einem soliden Tumor, die Phase-3-Studie M14TIL.
Die Studienergebnisse präsentierte Prof. Dr. John Haanen vom niederländischen Krebsinstitut, Amsterdam, im ersten Präsidentensymposium beim ESMO-Kongress 2022 in Paris [1]. „TIL könnten eine mögliche neue Therapieoption bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom sein“, so seine Schlussfolgerung.
Prof. Dr. Ignacio Melero, Universität von Navarra (Spanien), wies als Diskutant der Studie darauf hin, dass diese Schlussfolgerung nur für Patienten gelte, deren Erkrankung nach Behandlung mit einem PD1-Inhibitor fortgeschritten war, denn in beiden Gruppen der Studie hatten rund 86% adjuvant oder First-Line eine solche Therapie erhalten. Die wenigen Patienten ohne PD1-Inhibitor-Vorbehandlung waren in die Studie aufgenommen worden, als diese Therapie noch nicht zur Verfügung stand.
Nach Aussage von Melero rechtfertigen die Ergebnisse dieser sorgfältig durchgeführten Studie eine Implementierung der TIL-Therapie in die Leitlinien zur Melanombehandlung.
TIL – schon lange bekannt
Die TIL-Therapie ist eine adoptive Immuntherapie, bei der die Zellen nicht gentechnisch verändert werden. TIL werden aus reseziertem Tumorgewebe des Patienten isoliert, mit geeigneten Methoden vermehrt und dem Patienten wieder infundiert (≥ 5 x 109 Zellen), nachdem er eine Lymphozyten-depletierende Behandlung mit Cyclophosphamid und Fludarabin erhalten hat.
Als Begründer der TIL-Therapie gilt Prof. Dr. Steven Rosenberg, Leiter der Abteilung Chirurgie am National Cancer Institute (NCI), Bethesda. Er publizierte 1986 in Science eine erste präklinische Studie an Mäusen, die ergab, dass TIL sehr viel aktiver waren als Lymphokin-aktivierte Killerzellen (LAK). Die TIL wirkten aber nur, wenn eine Lymphodepletion mit Cyclophosphamid erfolgte und ihre Wirkung durch Gabe von Interleukin-2 (IL-2) verstärkt wurde.
In kleinen Studien und Fallberichten wurden immer wieder gute Effekte der TIL bei verschiedenen Tumoren berichtet. Aufgrund der Entwicklung der Immuncheckpoint-Inhibitoren und gezielt wirkender Therapeutika traten die TIL jedoch wieder in den Hintergrund, erläuterte Haanen. Hinzu kam die schwierige und aufwendige Herstellung.
Erste randomisierte Studie bei solidem Tumor
Mit der multizentrischen, offenen Phase-3-Studie M14TIL stellte Haanen die erste randomisierte Studie mit TIL bei einem soliden Tumor vor.
In die im Jahr 2014 initiierte Studie wurden 168 Patienten mit nicht resezierbarem Melanom Stadium IIIC-IV aufgenommen, die randomisiert mit dem CTLA-4-Antikörper Ipilimumab (3 mg/kg alle 3 Wochen bis zu 4 Dosen) oder TIL behandelt wurden.
Den Patienten der TIL-Gruppe wurde Tumorgewebe für die Anzüchtung der TIL entnommen. Vor der einmaligen TIL-Infusion erhielten sie Cyclophosphamid (2 Tage 60 mg/kg täglich) und Fludarabin (5 Tage 25 mg/m2 täglich). Die Wirkung der TIL-Infusion wurde durch hochdosiertes Interleukin-2 verstärkt. Die gesamte Prozedur dauerte etwa 6 bis 8 Wochen.
Primärer Endpunkt der Studie war das progressionsfreie Überleben (PFS), zu den sekundären Endpunkten gehörten die Ansprechraten, das Gesamtüberleben und die Verträglichkeit. Die demografischen Parameter der je 84 Patienten waren gut vergleichbar.
TIL verlängern PFS
Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt. Nach einem medianen Follow-Up von 33 Monaten verbesserte die TIL-Therapie das progressionsfreie Überleben (PFS) im Vergleich zur Ipilimumab-Behandlung signifikant mit einer Hazard-Ratio von 0,50 (p<0,001). Das mediane PFS mit TIL lag bei 7,2 Monaten, mit Ipilimumab bei 3,1 Monaten. Nach 6 Monaten lebten 52,7% der Patienten unter der TIL-Therapie ohne Progression – im Vergleich zu 21,4% unter Ipilimumab.
Auch in den vordefinierten Subgruppen waren TIL dem Ipilimumab überlegen, wenngleich die Konfidenzintervalle in einigen Fällen sehr weit waren.
Auf TIL sprachen 48,8% der Patienten, auf Ipilimumab 18% an, wobei 20,2% mit TIL und 7,1% mit Ipilimumab komplett ansprachen.
Die Daten zum Gesamtüberleben (OS) sind noch nicht reif, bislang zeigt sich nur ein Trend mit einem Vorteil für die TIL mit einem medianen OS von 25,8 Monaten im Vergleich zu 18,9 Monaten unter Ipilimumab. Allerdings war die Studie auch nicht darauf ausgelegt, Unterschiede beim Überleben nachzuweisen.
Schwere Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher traten in der TIL-Gruppe bei allen Patienten auf. Sie waren in erster Linie auf die Chemotherapie und die Behandlung mit IL-2 zurückzuführen. Meist waren sie bei Entlassung der Patienten aus dem Krankenhaus wieder verschwunden. Neue, bislang nicht bekannte Nebenwirkungen traten nicht auf.
Die Scores für die Lebensqualität waren in der TIL-Gruppe besser als in der Ipilimumab-Gruppe.
Die Studie wurde ohne Unterstützung der pharmazeutischen Industrie durchgeführt, die TIL-Zubereitung erfolgte in den Behandlungszentren. Melero merkte jedoch an, dass dies arbeitsintensiv sei und eine entsprechende Expertise benötige. Die Pharmaindustrie hatte lange Zeit kein Interesse an dieser Therapieform gezeigt, dies hat sich nun geändert. Beispielsweise entwickeln Iovance Biotherapeutics und Achilles Therapeutics TIL-Therapien.
Haanen erläuterte, dass die Studie in Zusammenarbeit mit dem niederländischen Ministerium für Gesundheit, Soziales und Sport durchgeführt wurde. Dabei war vereinbart worden, dass die TIL-Therapie bei einem positiven Studienergebnis in den Niederlanden ab Januar 2023 zum Therapiestandard wird. Für andere Länder wären die jeweiligen Zulassungen erforderlich. Hier könne man sich vorstellen, die pharmazeutische Industrie einzubeziehen, so Haanen.
Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der Link zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine Nachrichten aus der Medizin verpassen.
Credits:
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2022 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Fortgeschrittenes Melanom: Personalisierte Therapie mit Tumor-infiltrierenden Lymphozyten wirksam - Medscape - 12. Sep 2022.
Kommentar