Fall: Diese junge Frau scheint an typischer Migräne zu leiden – doch ihre akuten Beschwerden haben eine ganz andere Ursache

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

29. September 2022

Epigastrische Schmerzen mit einem abnormalen Elektrokardiogramm bei jungen, ansonsten gesunden Patienten sollten an eine Myokarditis denken lassen. Die Suche nach der genauen Ursache einer Myokarditis könnte für den Erfolg der Therapie entscheidend sein. So lauten Schlussfolgerungen, die brasilianische Kardiologen um Luis Beck-da-Silva (Porto Alegre) aus der Krankengeschichte einer jungen Frau ziehen. Die Fallgeschichte ist im European Heart Journal – Case Reports  erschienen

Die Patientin und ihre Geschichte 

Was war passiert? Eine zuvor gesunde, 29-jährige Frau stellt sich in der Klinik-Notaufnahme vor, weil sie seit rund 2 Wochen an zunächst epigastrischen und dann auch retrosternalen Schmerzen leidet. Eine Gastroskopie 5 Tage zuvor soll unauffällig gewesen sein. Die Patientin ist Nichtraucherin und hat weder verschreibungspflichtige Medikamente noch illegale Drogen eingenommen. 

Wegen Migräne behandelt sie sich allerdings mit einer rezeptfreien Schmerzmittel-Fixkombination aus Isomethepten-Mucat (30 mg), Metamizol (300 mg) und Koffein (30 mg). Seit 3 Wochen habe sie täglich bis zu 6 Tabletten dieses Präparates eingenommen.  

Körperliche und apparative Untersuchungen

Ärzte führen daraufhin mehrere Untersuchungen durch – erst Standard-Untersuchungen, später auch ein kardiales MRT. Die Ergebnisse: 

  • EKG: ST-Strecken-Senkung (1 mm) in der Vorderwand-Ableitung 

  • Troponinspiegel mit 13 ng/ml (deutlich erhöht (Referenzbereich <0,16 ng/ml)

  • C-reaktives Protein mit 13,5 mg/l deutlich erhöht (Referenzbereich <5 mg/l)

  • Echokardiographie: normale linksventrikuläre Funktion 

  • Blutbild: ausgeprägte Eosinophilie (19%, 2.810 Zellen/mm3)

  • Untersuchung des Stuhls: unauffällig, keine Parasiten

  • Kardiales MRT: Hinweise auf eine Myokarditis (Ödeme, ventrikuläre Fibrosen). Die globale Kontraktilität des linken Ventrikels war grenzwertig eingeschränkt.

Verlauf, Diagnose und Therapie

In den folgen Tagen entwickelte die junge Frau deutliche Symptome einer Herzinsuffizienz, so dass sie auf die Intensivstation verlegt wurde. Der Spiegel des natriuretischen Peptids vom B-Typ (BNP) lag bei >1200 pg/ml. Es wurde eine leitliniengerechte Herzinsuffizienz-Therapie eingeleitet. Zudem erhielt die Patientin Prednison (60 mg/Tag), woraufhin die Symptome der Herzinsuffizienz und die Schmerzen etwas abnahmen.

Am 7. Tag ihres Klinikaufenthaltes klagte die Frau über besonders starke Kopfschmerzen, die noch intensiver waren als ihre Migräne-Attacken. Ein zerebrales MRT ergab in Verbindung mit der Myokarditis, dem klinischen Bild und einer hohen Eiweiß-Konzentration im Liquor den Verdacht auf eine systemische Vaskulitis mit ZNS-Beteiligung. 

Am 8. Tag wurde eine rechtsventrikuläre Endomyokard-Biopsie durchgeführt. Die histologische Untersuchung ergab eine akute nekrotisierende eosinophile Myokarditis (ANEM). Die Patientin erhielt daraufhin eine fünftägige intravenöse Steroid-Therapie (Methylprednisolon 1 g täglich).

Der Gesamtzustand der jungen Frau habe sich nach Angaben der Kardiologen unter der Therapie deutlich gebessert. Nach knapp 1 Woche war die Eosinophilie verschwunden, das Troponin normal, das BNP auf 400 pg/ml gesunken und die linksventrikuläreventrikuläre Funktion echokardiografisch normal. Eine kardiale MRT ergab eine signifikante Reduktion des Myokardödems und wenige apikale Fibroseherde. Die Patientin wurde schließlich ohne Herzinsuffizienz-Symptome mit normaler LV-Funktion entlassen. 

Bei der 4-monatigen Nachuntersuchung zeigte eine erneute MRT eine erhaltene LV-Funktion und nur noch minimale apikale Fibroseherde. Eine zerebrale MRT ergab keine Vaskulitis-Zeichen mehr.

Nach 20 Monaten kehrte die Patientin zu einer geplanten Nachuntersuchung zurück. Sie war den Kardiologen zufolge asymptomatisch, hatte ihre gewohnte Arbeit wieder aufgenommen und plante ihre 1. Schwangerschaft. EKG und Echokardiografie waren unauffällig, ebenso der neurologische Befund. Migräne-Attacken hatte die Patientin nicht mehr

Diskussion

Wie die Autoren erklären, handelt es sich um den Fall einer akuten nekrotisierenden eosinophilen Myokarditis (ANEM), für die ihrer Ansicht nur das in hoher Dosierung eingenommene Migräne-Medikament infrage komme. Isomethepten-Mucat ist eine gefäßverengende Substanz, die Nebenwirkungen verursachen kann wie Kopfschmerzen, intrazerebrale Blutungen und Vasospasmen. In Brasilien sind Präparate mit diesem Wirkstoff ohne Verschreibung erhältlich. 

Die akute nekrotisierende eosinophile Myokarditis ist eine seltene, potenziell lebensbedrohliche Erkrankung, bei der eine rasche Diagnose und Therapie erforderlich sind. Die Sterberate ist nach Angaben der Kardiologen um Luis Beck-da-Silva mit über 50 % sehr hoch. Für eine gezielte Therapie ist eine definitive Klärung der Myokarditis-Ätiologie notwendig. Diagnostischer Goldstandard dafür ist die Endomyokard-Biopsie.

Der Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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