Künstliche Intelligenz bewährt sich bei Darmkrebsvorsorge: Algorithmus verbessert Erkennung von Adenomen bei der Koloskopie

Laird Harrison

Interessenkonflikte

13. September 2022

Die koloskopische Erkennung von Adenomen lässt sich bei asymptomatischen und nicht an Darmkrebs erkrankten Personen durch künstliche Intelligenz (KI) verbessern.

Dieses Ergebnis einer großen randomisierten, kontrollierten Multicenter-Studie veröffentlichten Dr. Joseph Sung, Dekan der Lee Kong Chian School of Medicine an der Nanyang Technological University in Singapur, und Kollegen in Clinical Gastroenterology and Hepatology.

Der Einsatz der KI verlängerte die Koloskopien zwar geringfügig und schien in erfahrenen Händen mehr zu nützen als in weniger erfahrenen. Doch seien die Ergebnisse aussagekräftig genug, um sich für eine Einführung der neuen Technologie auszusprechen, erklärt Sung.

„Der Benefit einer KI-unterstützten Koloskopie ist recht gut belegt“, sagte er gegenüber Medscape. „Ich sehe keinen Grund, sie nicht zu verwenden, es sei denn, die Ausrüstung ist sehr teuer.“

Erprobung der KI-Unterstützung in einer asymptomatischen Population

Der Hintergrund: Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass bei herkömmlichen Koloskopien etwa jedes 4. Adenom übersehen wird. In jüngster Zeit versprechen mehrere neue KI-Systeme, die Erkennungsraten zu verbessern, indem sie menschliche Fehler ausgleichen.

In früheren Vergleichsstudien konnten KI-gestützte Koloskopien bereits eine bessere Identifizierungsquote nachweisen als normale Koloskopien. Die meisten dieser Untersuchungen hatten sich jedoch auf Daten einzelner Zentren oder kleiner Populationen gestützt oder nicht auf asymptomatische Personen konzentriert.

Um diese Lücke zu schließen, führten Sung und sein Team die Studie in 6 universitären Endoskopie-Zentren in Hongkong, Peking, der Inneren Mongolei sowie in den chinesischen Städten Jilin und Xiamen durch.

Sie koloskopierten 3.059 asymptomatische Personen im Alter von 45 bis 75 Jahren, die zwischen November 2019 und August 2021 für ein Screening infrage kamen. Einige von ihnen hatten bereits immunchemische Stuhluntersuchungen hinter sich, doch wurde ihnen unabhängig von diesen Ergebnissen eine Koloskopie angeboten.

Die Teilnehmenden wurden zufällig der KI-gestützten oder der herkömmlichen Koloskopie zugeteilt. Der Computer markierte Läsionen, die er auf dem hochauflösenden Monitor des Endoskopie-Systems in Echtzeit erkannte. Der KI-Algorithmus wurde mithilfe von Koloskopie-Bildern des Zhongshan-Krankenhauses der Universität Xiamen trainiert.

Um das Verfahren zu standardisieren, durften Ärzte die elektronischen Funktionen zur Bildverbesserung nicht zur Polypen-Erkennung, sondern nur zur Polypen-Charakterisierung verwenden.

Mehr Adenome entdeckt

In einer Intention-to-Treat-Analyse waren sowohl die Adenom-Erkennungsrate (ADR; definiert als Anteil der Patienten mit mindestens 1 während der Koloskopie entdeckten Adenom) als auch die mittlere Anzahl der entdeckten Adenome pro Koloskopie (APC) in der KI-Gruppe signifikant höher als in der konventionell untersuchten Gruppe:

Outcome

KI-gestützte Koloskopie (n = 1.519)

Normale Koloskopie (n = 1.540)

p-Wert

ADR gesamt

39,9%

32,4%

< 0,001

ADR für fortgeschrittene Adenome

6,6%

4,9%

0,041

ADR für nicht fortgeschrittene Adenome

32,3%

26,7%

0,001

APC

0,59

0,45

< 0,001

 

Bei den KI-gestützten Koloskopien wurden auch Adenome ≥ 10 mm, Adenome < 5 mm, nicht gestielte Adenome und Adenome sowohl im proximalen als auch im distalen Kolon statistisch signifikant häufiger entdeckt. Die Ergebnisse änderten sich auch bei einer Per-Protokoll-Analyse nicht wesentlich.

„In früheren Studien wurden kleinere Adenome durch KI-Unterstützung häufiger entdeckt, doch entarten diese seltener als große Adenome. Das Besondere ist, dass auch größere Adenome mit der KI besser erkannt werden“, so Sung.

Es gab keinen statistischen Unterschied zwischen den beiden Gruppen bei der Entdeckung von Darmkrebs, sessilen serratierten Adenomen (SSA), hyperplastischen Polypen oder gestielten Adenomen.

Sowohl erfahrene als auch weniger erfahrene Ärzte profitierten von der KI-Unterstützung. Allerdings stieg die ADR bei erfahreneren Endoskopierenden von 32,8% bei der herkömmlichen auf 42,3% bei der KI-gestützten Koloskopie, während sie sich bei weniger Erfahrenen nur von 32,1% auf 37,55% erhöhte.

„Dieser Teil ist tatsächlich nur schwer zu verstehen“, sagte Sung, „denn theoretisch sollte die KI für weniger erfahrene Endoskopierende hilfreicher sein“. Er wies jedoch darauf hin, dass in der Studie die Grenze zwischen „erfahren“ und „weniger erfahren“ bei 5.000 Eingriffen lag.

Was hier als „weniger erfahren“ bezeichnet werde, sei in Wahrheit auch schon ziemlich erfahren, sagte er. „Daher bin ich mir über die Bedeutung dieses Ergebnisses nicht sicher.“

Sowohl die Intubations- als auch die Ausleitungszeitpunkte lagen beim KI-Verfahren weniger als eine halbe Minute später gegenüber der normalen Koloskopie.

Nächste Schritte

Für Dr. Cesare Hassan vom Humanitas Clinical and Research Center Endoscopy Unit in Rozzano, Italien, der nicht am Projekt beteiligt war, leistet die Studie einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der KI-unterstützten Koloskopie.

Er wies darauf hin, dass es sich um eine große Multicenter-Studie mit einer klar definierten Population handele. „Ich bin sicher, dass es die beste Arbeit ist, die jemals auf diesem Gebiet gemacht wurde“, sagte er.

Der einzige Schwachpunkt der Studie sei für ihn, dass Endoskopierende wussten, ob sie die KI verwendeten. Allerdings dürfe es sehr schwierig sein, eine Studie aufzusetzen, die hier eine erfolgreiche Verblindung biete.

Der nächste Schritt zur Untersuchung der KI-Koloskopie sei, festzustellen, ob sie tatsächlich die Entwicklung von Karzinomen verhindern könne, so Sung. „Das wäre natürlich der ultimative Benefit.“

Hassan sagte, er und sein Team planten eine auf 10 Jahre angelegte Studie zu dieser Fragestellung. Darüber hinaus liefen Studien zur Frage, ob diese KI-Systeme bei der Differenzierung zwischen Adenomen und hyperplastischen Polypen helfen könnten.

„Jedes Jahr geben wir in jedem Krankenhaus viel Geld für die histologische Untersuchung aus, um festzustellen, ob es sich um einen hyperplastischen oder einen adenomatösen Polypen handelt“, so Sung. „Wenn man sie einfach ignorieren oder die Polypen einfach entfernen und entsorgen könnte, wäre das ein klarer Benefit, und die Betroffenen müssten nicht so häufig nachuntersucht werden.“

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
 

Kommentar

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