Check für ein längeres Leben: Rheumapatienten konsequent auf Lungenbeteiligung untersuchen

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

9. September 2022

Ist die Lunge von der Entzündung betroffen, kann das für Patienten mit rheumatischen Erkrankungen eine Verkürzung der Lebenszeit bedeuten. Dennoch „werden Rheumapatienten nicht konsequent auf interstitielle Lungenerkrankungen (ILD) untersucht“, sagte Prof. Dr. Andreas Krause, Chefarzt am Immanuel Krankenhaus Berlin, beim Deutschen Rheumatologiekongress in Berlin. Eine neue S1-Leitlinie für Rheumatologen und Pneumologen soll die frühzeitige Erkennung verbessern.

 
Es sind 3 Gruppen von Patienten, bei denen besonders auf die Lunge geachtet werden sollte. Prof. Dr. Andreas Krause
 

Nicht bei allen Patienten mit rheumatischen Erkrankungen ist das Risiko einer Lungenbeteiligung gleich hoch. „Es sind 3 Gruppen von Patienten, bei denen besonders auf die Lunge geachtet werden sollte“, betonte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) und diesjährige Kongresspräsident. Es handele sich dabei um die große Gruppe „der Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) sowie um Patienten mit systemischer Sklerose und Patienten mit inflammatorischen Myopathien.“

Verlässliche Daten zur Häufigkeit einer Lungenbeteiligung fehlen

Bekanntlich sind rheumatische Erkrankungen systemische Erkrankungen; sie können viele Organe des Körpers betreffen. Die Lunge ist besonders häufig in das Entzündungsgeschehen eingebunden. Exakte Zahlen zur Häufigkeit der ILD bei rheumatischen Erkrankungen gibt nicht.

„Würde man aber alle Patienten mit RA einer Computertomographie unterziehen, dann würde man wahrscheinlich bei der Hälfte bis zu 2 Dritteln Veränderungen an der Lunge feststellen“, so Krause. Diese wären allerdings nicht bei allen Patienten klinisch relevant, ergänzte der Rheumatologe. „Eine klinisch relevante Lungenbeteiligung, die den Krankheitsverlauf, die Prognose und das Überleben beeinflussen kann, liegt bei 5-10% der RA-Patienten vor.“

Männer und Raucher sind häufiger betroffen

Aus neueren Studien ist bekannt, dass bei Männern mit RA häufiger eine Lungenbeteiligung besteht. „Das unterscheidet sich von der RA selbst, von der Frauen häufiger betroffen sind“, so Krause. Auch Raucher haben ein höheres Risiko für eine ILD.

Darüber hinaus sind serologische Marker wie die klassischen Rheumafaktoren sowie anti-citrullinierte Protein-Antikörper (ACPA) mit einem höheren ILD-Risiko bei RA assoziiert. „Mittlerweile wissen wir, dass es auch genetische Faktoren gibt, die das Risiko für eine Lungenbeteiligung erhöhen“, sagte Krause. „Bei Männern mit einem genetischen Risikofaktor liegt das Risiko für eine Lungenbeteiligung bei 20%, also bei jedem 5. Patienten.“

Bei selteneren rheumatischen Erkrankungen ist Lungenbeteiligung besonders häufig

Bei den anderen, selteneren rheumatischen Erkrankungen – der systemischen Sklerose und den inflammatorischen Myopathien – liegt der Anteil der Betroffenen zum Teil noch deutlich darüber. Je nach Verlaufsform der Grunderkrankung und dem Vorhandensein bestimmter Autoantikörper im Blut kann der Anteil bei diesen rheumatischen Erkrankungen auf 30 bis 70% der Patienten ansteigen.

Der Berliner Rheumatologe wies darauf hin, dass die betroffenen Patienten nicht immer rechtzeitig identifiziert würden. Das liege zum einen daran, dass „nicht jeder Patient konsequent auf eine mögliche Lungenbeteiligung hin untersucht wird“, zum anderen sei der Übergang zwischen gering ausgeprägten, eher harmlosen Lungenbefunden und einer klinisch bedeutsamen ILD fließend.

Betroffene werden oft nicht rechtzeitig erkannt

„Oftmals verlaufen die Lungenbeteiligungen unbehandelt und fortschreitend, führen durch die Entzündung zu einer zunehmenden Fibrose und damit einem Verlust des betroffenen Lungengewebes. Dadurch sind die Patienten in ihrer Funktion erheblich eingeschränkt, was letztlich auch lebensverkürzend sein kann“, berichtete Krause.

Erschwert wird die rechtzeitige Identifikation auch dadurch, dass viele Patienten zunächst keine Symptome wie Husten oder Luftnot zeigen. „Wenn sich diese Symptome entwickeln, dann ist schon ein Schaden eingetreten, das heißt, wir müssen die Lungenbeteiligung früher erkennen“, betonte er weiter.

Neue Leitlinie für Rheumatologen und Pneumologen

Deshalb wurde von den rheumatologischen und pneumologischen Fachgesellschaften eine neue S1-Leitlinie zu interstitiellen Lungenerkrankungen entwickelt, die kurz vor der Publikation steht. Diese Leitlinie richte sich an beide Disziplinen, so Krause: „Sie informiert Rheumatologen, wie Patienten mit rheumatischen Erkrankungen hinsichtlich einer möglichen Lungenbeteiligung zu untersuchen sind. Und sie erinnert Pneumologen, die Patienten mit ILD betreuen, darauf zu achten, ob der entzündlichen Lungenerkrankung nicht vielleicht eine rheumatische Erkrankung zugrunde liegt.“

Denn, so Krause weiter: „Eine ILD kann zu jedem Zeitpunkt der rheumatischen Erkrankung neu entstehen.“ Manchmal sei dies sogar noch vor der Rheumadiagnose selbst der Fall. „Dann suchen die Patienten wegen ihrer Symptome zuerst einen Pneumologen auf.“

„Das gute alte Abhören“ als erste Untersuchung auf ILD

Die S1-Leitlinie soll Krause zufolge im November erscheinen. Allerdings seien Ärzte, die Patienten mit rheumatischen Erkrankungen betreuten, bereits heute aufgerufen, auch auf Symptome einer möglichen Lungenbeteiligung zu achten. „Zumindest nach Husten und Luftnot sollte gefragt werden“, so Krause. „Und das gute alte Abhören mit dem Stethoskop ist eine durchaus geeignete Methode für die erste klinische Untersuchung. Gibt es Hinweise auf eine Lungenbeteiligung, dann sollten sich weitere Untersuchungen anschließen wie Lungenfunktionsprüfungen und eine computertomographische Untersuchung.“ Goldstandard für die Diagnose der ILD ist die Dünnschicht-Volumen-Computertomographie.

Werde eine ILD diagnostiziert, gebe es heute „viele Möglichkeiten durch eine entzündungshemmende und immunsuppressive Therapie nicht nur die rheumatische Grunderkrankung sondern auch die Lungenbeteiligung effektiv zu behandeln“, sagte Krause. Noch nicht vollständig geklärt ist, welche Rheuma-Medikamente den besten therapeutischen Effekt auf die Lunge haben. „Die wissenschaftliche Evidenz für den Einsatz dieser Medikamente bei ILD ist weiterhin gering“, sagte Krause – sie beruhe im Wesentlichen auf Registerdaten, Fallserien und Einzelberichten.

Antifibrotika können das Voranschreiten der Erkrankung verlangsamen

Dennoch seien in den letzten Jahren erhebliche therapeutische Fortschritte gemacht worden. Krause verwies auf Antifibrotika, die die entzündungsbedingte Umwandlung von funktionellem Lungengewebe in Narbengewebe unterbinden und so das Voranschreiten der Lungenfibrose zumindest verlangsamen können.

Erste Studien zeigen, dass ILD-Patienten mit unterschiedlichen rheumatischen Grunderkrankungen von einer Behandlung mit Antifibrotika profitieren können, insbesondere wenn sie zusätzlich zur immunsuppressiven Therapie gegeben werden.

Grundsätzlich seien Diagnose und Therapie der rheumabedingten ILD von Anfang an eine interdisziplinäre Aufgabe, betonte Krause: „Schon bei Verdacht auf eine ILD – und erst recht beim Nachweis der Erkrankung – sollten das diagnostische Vorgehen, die erhobenen Befunde und die Therapie in interdisziplinären Konferenzen besprochen werden.“
 

Kommentar

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