Die steigenden Energiekosten zwingen die Krankenhäuser Deutschlands in die Knie. Das zeigen die Zahlen des Krankenhaus Rating Reports 2022, den die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) aus Zahlen des Deutschen Krankenhausinstitutes jetzt vorgelegt hat [1].
Es drohe den Krankenhäusern infolgedessen eine massive Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage schon im Jahr 2023, so der Report. Einer der Hauptkostentreiber: das teure Gas. Um die gestiegenen und weiteren zu erwartende Steigerungen der Energie-Kosten auszugleichen brauchen die Krankenhäuser einen Inflationsausgleich, sagte Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft.
Kliniken sind Energiefresser. Pro Bett verbrauche ein Krankenhausbett so viel Wärmenergie wie eine 4-köpfige Familie in einem Einfamilienhaus, sagte Gaß am Montag in Berlin. Hier 2 Beispiele:
2022 hat das katholische Krankenhaus Bochum für Gas und Strom noch 4,358 Millionen Euro auf den Tisch legen müssen. Für das kommende Jahr dagegen erwartet das 1.500-Betten-Haus eine Kostensteigerung von 7,3 Millionen Euro auf 11,683 Millionen Euro.
Ähnlich sieht die Entwicklung bei den 5 Standorten der München Klinik aus. Hier flossen im Jahr 2021 noch 14,4 Millionen Euro in die Gesamt-Energieversorgung (Wasser, Strom, Gas, Fernwärme, Dampf). Für die Jahre 2022 und -23 rechnete man in München mit 13,6 beziehungsweise 14,3 Millionen Euro. Doch diese Zahlen sind Vergangenheit. Voraussichtlich werden die Energiekosten um 6,1 Millionen beziehungsweise 28,4 Millionen Euro steigen. 2023 werden die Kliniken damit 42,7 Millionen Euro für die Gesamtenergieversorgung ausgeben.
Die DKG hat hochgerechnet, dass die Energiekosten der Krankenhäuser bei 70% der Wärmeleistung durch Gas von 2021 bis 2023 um sagenhafte 4 Milliarden Euro steigen.
Steigende Kosten treffen auf geschwächte Krankenhäuser
Die steigenden Kosten und die sinkenden Einnahmen bedeuten für 2023 einen Fehlbetrag von insgesamt rund 9 Milliarden Euro, den die Krankenhäuser irgendwie ausgleichen müssen, erklärte Gaß. „Das sind 100.000 Vollkräfte. Keine Bank und kein Krankenhausträger wäre bereit, dauerhaft solche Defizite auszugleichen.“
Die explodierenden Kosten treffen auf finanziell schlecht gerüstete Krankenhäuser. Nur 4% aller befragten Häuser gaben an, dass sie die aktuellen Kostensteigerungen noch aus den regelhaften Erlösen refinanzieren können. Auch die Sparstrümpfe sind leer. Nur 87% der Krankenhäuser konnten nach eigenen Angaben in den vergangenen Jahren genug Geld zurücklegen, um die Kostensteigerungen abzufedern. „Zum Teil müssen die Krankenhäuser Kredite aufnehmen, um Energie, Löhne und Gehälter zu bezahlen“, sagte Gaß. Die zweite Alterative: Personal entlassen und Abteilungen schließen, um der Insolvenz zu entgehen.
„Dies ist eine Herausforderung, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht hatten“, kommentierte Gaß. Indessen sind die Corona-Hilfen Mitte 2022 ausgelaufen. Und man habe keinerlei Signale der Politik oder der Kassen, dass für beschriebenen Kostensteigerungen ein Ausgleich geleistet wird. „Nun muss die Politik handeln, um die Patientenversorgung sicherzustellen!“, erklärte Gaß.
Er forderte für 2022 einen nachträglichen Rechnungszuschlag auf alle Abrechnungen mit den Kassen um 4%, sowie umgehende Verhandlungen über die Finanzierung im nächsten Jahr. „Außerdem müssen die Krankenhäuser energieeffizienter werden, forderte der Präsident. „Wir brauchen ein Sonderinvestitionsprogramm ‚klimaneutrales Krankenhaus‘, das für die kommenden 5 Jahre jährlich 1 Milliarde Euro ausschüttet.“
Kassen mahnen Strukturreformen an
Die Krankenkassen äußern zugleich Verständnis und Kritik für den Vorstoß der DKG. „Die enormen Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht, sind auch bei den Krankenhäusern, die ein zentraler Baustein der Daseinsvorsorge sind, angekommen“, sagt Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband. „In dieser historischen Sondersituation haben wir Verständnis dafür, dass die Krankenhäuser eine zeitlich begrenzte zusätzliche finanzielle Unterstützung durch die Bundesregierung in die Debatte eingebracht haben.“
Allerdings macht Stoff-Ahnis auch die Krankenhäuser selber für die Misere verantwortlich. „Mittlerweile werden rund 40 Prozent der Krankenhausbetten regelmäßig nicht benötigt“, sagte sie in ihrer Stellungnahme. „Viele kleine Kliniken, gerade in Ballungsgebieten, binden Geld und Personal, obwohl sie für die gute Versorgung der Bevölkerung nicht mehr in dieser Form benötigt werden.“
Von der Politik fordert die Verbandschefin „Rahmenbedingungen für den konkreten Strukturwandel“. Außerdem unterstütze der Spitzenverband die Forderung der DKG, die Kliniken in die Arbeit der Krankenhaus-Reformkommission beim Bundesgesundheitsministerium einzubinden, so Stoff-Ahnis.
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Diesen Artikel so zitieren: Explosion der Energiepreise, Milliarden-Löcher – Krankenhausgesellschaft schlägt Alarm: Vielen Häusern droht Insolvenz - Medscape - 7. Sep 2022.
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