NSCLC: länger überleben mit Immun- plus Radiochemotherapie; Krebstote: mehr als die Hälfte mit Risikofaktoren

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

6. September 2022

Im Onko-Blog dieser Woche geht es unter anderem um die Immuntherapie nach Chemoradiotherapie eines Lungenkrebses im Stadium III. Mit dem PEPI-Score gibt es einen weiteren Marker, mit dem das Rezidivrisiko bei postmenopausalen Frauen mit frühem Mammakarzinom eingeordnet werden kann. Bei Frauen, die wegen eines Ovarialkarzinoms operiert wurden, war der perioperative Einsatz nichtselektiver Betablocker mit einem Überlebensvorteil verbunden. In der Phase-2-Studie CANTATA konnte für den Glutaminase-Inhibitor Telaglenastat kein Effekt bei Patienten mit Nierenzellkarzinom gezeigt werden.

  • Lungenkrebs: Immuntherapie nach Chemo- und Strahlentherapie verlängert Überleben

  • Mammakarzinom: PEPI-Score hilft postmenopausale Frauen mit niedrigem Rezidivrisiko zu erkennen

  • Ovarialkarzinom: Nichtselektive Betablocker mit Überlebensvorteil assoziiert

  • Nierenzellkarzinom: Glutaminase-Inhibitor floppt in zulassungsrelevanter Studie CANTATA

  • Kolorektale Lebermetastasen: Rezidivfreies Überleben nach Resektion kein geeigneter Surrogatparameter für Gesamtüberleben

  • Krebserkrankungen: Mehr als die Hälfte der Todesfälle mit Risikofaktoren assoziiert

Lungenkrebs: Immuntherapie nach Chemo- und Strahlentherapie verlängert Überleben

Bei Patienten mit inoperablem nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) im Stadium III verringert eine Immuntherapie, die bis zu 12 Wochen nach Chemotherapie und Bestrahlung eingeleitet wird, die Sterblichkeit signifikant (Hazard Ratio: 0,74; p < 0,001). Dies ergab eine Kohortenstudie mit Daten von 23.811 Patienten aus der US-amerikanischen National Cancer Database, deren Ergebnisse eine Arbeitsgruppe aus New Haven in JAMA Network Open publiziert hat.

Die im Jahr 2017 veröffentlichte PACIFIC-Studie etablierte die Immuntherapie nach Radiochemotherapie bei Patienten mit nicht operablem NSCLC im Stadium III. Um den Effekt dieser Therapieform außerhalb einer Studie zu erfassen, analysierte die Arbeitsgruppe in einer Kohortenstudie die Daten von über 23.000 Patienten.

Die Immuntherapie nach Chemo- und Strahlentherapie war mit einer um 26% verminderten Sterblichkeit assoziiert und verbesserte das 3-Jahres-Überleben von 44% auf 52%.

Bei 833 Patienten mit Immuntherapie (64,2%) unterschied sich das Behandlungsschema von dem der PACIFIC-Studie, wobei 731 Patienten die Immuntherapie erst mehr als 6 Wochen nach dem Ende der Bestrahlung begannen. Der Überlebensvorteil der Immuntherapie war auch dann nachzuweisen, wenn sie bis zu 12 Wochen nach der Bestrahlung begann.

Die Autoren schließen daraus, dass der Beginn einer Immuntherapie flexibler als nach der PACIFIC-Studie gedacht gestaltet werden kann und dass mehr Patienten damit behandelt werden können.

Mammakarzinom: PEPI-Score hilft postmenopausale Frauen mit niedrigem Rezidivrisiko zu erkennen

Ein PEPI-Score (Preoperative Endocrine Prognostic Index) von 0 bis 1 oder ein komplettes pathologisches Ansprechen (pCR) hilft bei Frauen mit frühem Östrogen-Rezeptor-positivem (ER+) und HER2-negativem Mammakarzinom nach endokriner neoadjuvanter Therapie die Gruppe zu erkennen, die ein niedriges Rezidivrisiko hat und die keine adjuvante Chemotherapie benötigt. Dies ergab eine prospektive chinesische Kohortenstudie, deren Ergebnisse in Breast Cancer Research and Treatment erschienen sind.

410 postmenopausale Frauen mit frühem, stark ER+ (≥ 50%) und HER2-negativem Mammakarzinom erhielten über 4 Monate eine präoperative (neoadjuvante) endokrine Therapie mit Letrozol. Frauen mit einem PEPI von 0–1 nach (!) der Operation oder einer pCR erhielten adjuvant eine endokrine Therapie, Frauen mit einem PEPI ≥ 2 konnten adjuvant eine Chemotherapie nach Entscheidung des Arztes erhalten.

Eine pCR erreichten 2,5%, einen PEPI von 0 wiesen 36,4% und von 1 15,9% der Patientinnen auf. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 60 Monaten zeigten Patientinnen mit PEPI 0–1 oder pCR ein besseres 5-Jahres-RFS von 99,5% vs. 93,7% bei PEPI ≥ 2 (p  = 0,028). Bei Frauen mit einem PEPI ≥ 2 zeigte sich kein Unterschied im Überleben, wenn sie keine oder eine adjuvante Chemotherapie erhielten.

Ovarialkarzinom: Nichtselektive Betablocker mit Überlebensvorteil assoziiert

Der perioperative Einsatz von nichtselektiven Betablockern ist bei Frauen über 50 Jahren mit kardiovaskulären Problemen, die wegen eines Ovarialkarzinoms operiert werden müssen, mit einem Überlebensvorteil assoziiert. Mit selektiven Betablockern konnte dieser Zusammenhang nicht belegt werden. Dies ergab eine australische Kohortenstudie, die im Journal of Clinical Oncology erschienen ist.

Die australische Arbeitsgruppe analysierte die Daten von 3.844 Frauen im Alter ab 50 Jahren mit kardiovaskulären Erkrankungen, die sich einer Operation wegen eines Ovarialkarzinoms unterziehen mussten. Perioperativ hatten 560 Frauen (14,5%) einen selektiven und 67 Frauen (1,7%) einen nichtselektiven Betablocker erhalten.

2 Jahre nach der Operation überlebten 80% der Frauen mit nichtselektivem Betablocker im Vergleich zu 69%, die keinen Betablocker erhalten hatten. Der Überlebensvorteil konnte bis zu 8 Jahre nach der Operation gesehen werden.

Klinische Langzeitstudien müssen diese Befunde bestätigen. Nichtselektive Betablocker könnten eine sichere und leicht zugängliche Option für Frauen mit einem Ovarialkarzinom sein, um den Outcome nach einer Operation zu verbessern.

Nierenzellkarzinom: Glutaminase-Inhibitor floppt in zulassungsrelevanter Studie CANTATA

Der Glutaminase-Inhibitor Telaglenastat verbesserte bei Patienten mit vorbehandeltem metastasiertem Nierenzellkarzinom bei zusätzlicher Gabe zu Cabozantinib das progressionsfreie Überleben (PFS) nicht. Die Autoren der internationalen randomisierten Phase-2-Studie CANTATA schlussfolgern in JAMA Oncology , dass sie dennoch weitere Studien mit Telaglenastat für gerechtfertigt halten, z.B. bei Patienten mit starker Abhängigkeit des Tumors von Glutamin/Glutaminase oder in Kombination mit anderen Therapeutika.

Im Vergleich zu normalen Zellen sind Tumorzellen verstärkt von der Glutaminase-kontrollierten Umwandlung von Glutamin in Glutamat abhängig, um Energie für Wachstum und Überleben zu gewinnen. Deshalb wurde vermutet, dass die Glutaminase-Hemmung in der Krebstherapie sinnvoll sein könnte.

In der CANTATA-Studie erhielten 444 vorbehandelte Patienten randomisiert Telaglenastat plus Cabozantinib oder Placebo plus Cabozantinib. Sie erreichten ein progressionsfreies Überleben von median 9,2 Monaten mit Telaglenastat und von 9,3 Monaten mit Placebo. Ein Ansprechen zeigten 31% unter der Kombination und 28% unter Cabozantinib allein. Therapie-bedingte Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen ähnlich häufig.

Die Autoren diskutieren als Grund für dieses Ergebnis u.a., dass Cabozantinib möglicherweise kein geeigneter Kombinationspartner für Telaglenastat ist. In Kombination mit Everolimus hatte eine kleine Phase-2-Studie (ENTRATA) einen Effekt gezeigt. Möglicherweise hat Telaglenastat auch die Glutaminase in vivo nicht ausreichend gehemmt oder sie ist bei Patienten mit Nierenzellkarzinom kein geeignetes Target.

Kolorektale Lebermetastasen: Rezidivfreies Überleben nach Resektion kein geeigneter Surrogatparameter für Gesamtüberleben

Nach der Resektion kolorektaler Lebermetastasen fand sich in einer retrospektiven Studie und Metaanalyse nur eine minimale Korrelation des rezidivfreien Überlebens mit dem Gesamtüberleben. „Das rezidivfreie Überleben ist kein adäquater Surrogat-Endpunkt für das Gesamtüberleben bei diesem Krankheitsbild“, so die Schlussfolgerung der internationalen Arbeitsgruppe in Lancet Oncology .

Sie hatten die Daten von 2.983 Patienten mit kompletter Resektion von kolorektalen Lebermetastasen aus der prospektiven Datenbank des Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, analysiert. In der Nachbeobachtungszeit von 8,4 Jahren im Median kam es in 67% der Fälle zum Rezidiv und 56% verstarben. Das rezidivfreie Überleben dauerte im Median 1,3 Jahre, das Gesamtüberleben 5,2 Jahre. Vor 85% der Todesfälle kam es zum Rezidiv. Nach Auftreten des Rezidivs verstarben die Patienten im Median nach 2 Jahren.

Die paarweisen Korrelationen zwischen der Wahrscheinlichkeit des rezidivfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens waren gering bis mäßig. Auch in einer Metaanalyse von 6 randomisierten klinischen Phase-3-Studien zur adjuvanten Chemotherapie in diesem Kontext ergab sich, dass das rezidivfreie Überleben ein schlechter Surrogatparameter für das Gesamtüberleben ist.

Krebserkrankungen: Mehr als die Hälfte der Todesfälle mit Risikofaktoren assoziiert

Rauchen, Alkoholgenuss, Übergewicht und weitere Risikofaktoren waren im Jahr 2019 weltweit für fast 4,45 Mio. Krebs-bedingte Todesfälle verantwortlich, so eine im Lancet publizierte Analyse von Daten aus der Global Burden of Diseases, Injuries, and Risk Factors (GBD) 2019 Studie.

Erstmals wurde in dieser Analyse untersucht, welche Rolle 34 definierte Risikofaktoren bei 23 definierten Krebserkrankungen spielen. Bei Männern waren 50,6% der Krebs-bedingten Todesfälle, bei Frauen 36,3% auf Risikofaktoren zurück zu führen. Von 2010 bis 2019 stieg die durch Risikofaktoren bedingte Krebssterblichkeit um 20,4%.

„Diese Studie zeigt, dass die Belastung durch Krebs nach wie vor eine wichtige Herausforderung für die öffentliche Gesundheit darstellt, die weltweit immer mehr an Bedeutung gewinnt. Rauchen ist nach wie vor der weltweit führende Risikofaktor für Krebs, wobei andere Faktoren erheblich zur Krebsbelastung beitragen“, so Dr. Christopher Murray, Direktor des Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) an der School of Medicine der University of Washington und Mitautor der Studie in einer Pressemitteilung des Lancet.

„Unsere Ergebnisse können politischen Entscheidungsträgern und Forschern dabei helfen, wichtige Risikofaktoren zu identifizieren, die bei den Bemühungen um eine Verringerung der krebsbedingten Todesfälle und Erkrankungen auf regionaler, nationaler und globaler Ebene ins Visier genommen werden könnten.“

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