In Brasilien ging Anfang Juli ein Aufschrei durchs Land: Ein Anästhesist wurde beschuldigt, eine Frau während einer von ihm betreuten Kaiserschnitt-Entbindung sexuell missbraucht zu haben. Der Vorfall wurde von Pflegekräften heimlich gefilmt. Weil er werdenden Müttern immer wieder übermäßig viel Beruhigungsmittel verabreichte, waren sie dem Anästhesisten gegenüber misstrauisch geworden und hatten beschlossen, ihn während eines Eingriffs zu filmen. Zu diesem Zweck verlegten sie die Entbindung in letzter Minute in einen Kreißsaal, in dem sie ein Handy in einem Schrank versteckt hatten.
Die Aufnahmen waren erschreckend und führten zur umgehenden Verhaftung von Giovanni Quintella Bezerra. Der 32-jährige Arzt wird jetzt der Vergewaltigung beschuldigt. Die Behörden untersuchen, ob es weitere Opfer gibt, die möglicherweise ebenfalls von ihm missbraucht wurden. Überprüft werden etwa 40 Operationen, an denen der erfolgreiche Anästhesist beteiligt war.
Es war nicht der erste Fall
Im selben Monat war bereits ein anderer Arzt, der Gynäkologe Ricardo Teles Martins, nach Vorwürfen verhaftet worden, mehrere Frauen in der Gemeinde Hidrolândia im nordöstlichen Bundesstaat Ceará sexuell belästigt und missbraucht zu haben.
Die portugiesische Ausgabe von Medscape sprach mit 4 brasilianischen Fachleuten über die Probleme, die durch diese jüngsten Fälle ans Licht kamen, und über die Faktoren, die bei derartigen Verbrechen eine Rolle spielen. Prof. Claudio Cohen ist Psychiater und Bioethiker an der Medizinischen Fakultät der Universität von São Paulo. Daniela Pedroso ist Psychologin und verfügt über 25 Jahre Erfahrung in der Arbeit mit Opfern sexueller Gewalt. Der Gynäkologe und Geburtshelfer Dr. Jefferson Drezett arbeitet als Populationsgenetiker und Reproduktionsmediziner an der Föderalen Universität von ABC in São Paulo und an der Fakultät für Public Health der Universität São Paulo. Dr. Maria Alice Scardoelli schließlich ist Psychiaterin und stellvertretende Vorsitzende des regionalen Medizinrats von São Paulo (Cremesp).
Das Ausmaß des Problems ist schwer zu erfassen
Nicht alle Vorfälle von sexueller Gewalt in medizinischen Einrichtungen werden gemeldet, und genaue Zahlen sind nur schwer zu erhalten. Aber allein die Tatsache, dass es solche Fälle überhaupt gibt, ist beunruhigend.
Im Jahr 2019 fanden Journalisten des Nachrichtenportals The Intercept heraus, dass in 9 brasilianischen Bundesstaaten über einen Zeitraum von 6 Jahren (2014-2019) 1734 derartige Übergriffe registriert wurden. Das brasilianische Informationszugangsgesetz erlaubte es ihnen, diese Daten von den Sicherheitsbehörden der einzelnen Bundesstaaten abzufragen.
Es ist jedoch schwer, auf Grundlage der bei den regionalen Medizinräten, den Polizeidienststellen und den Staatsanwaltschaften der einzelnen Bundesstaaten eingereichten Anschuldigungen etwas über die Verbreitung dieser Form sexueller Gewalt herauszufinden. Welche Ermittlungsschritte eingeleitet werden, hängt davon ab, wo die Anzeige eingereicht wurde, und nur gelegentlich kommunizieren die einzelnen Stellen miteinander.
Presseberichte führten zur Einleitung von Ermittlungen
Nach eigenen Angaben gingen beim Cremesp im Jahr 2019 insgesamt 78 Anschuldigungen ein. Im Jahr 2020 erhöhte sich diese Zahl auf 84. Im Jahr 2021 waren es 83. Diese Art von Übergriffen war die 7-häufigste unter den in diesem Jahr eingeleiteten Untersuchungen. In den ersten 6 Monaten des Jahres 2022 gab es 36 Beschwerden. In dieser Zahl sind auch die Ermittlungen enthalten, die von Presseberichten in Gang gebracht wurden.
In solchen Fällen muss dann in den Artikeln genügend Information stecken, um einer Sache nachgehen und Ermittlungen einleiten zu können. Es liegen keine Angaben darüber vor, wie viele Beschuldigungen Gegenstand eines Standesverfahrens wurden und wie viele zu einem gerichtlichen Prozess führten.
Strenge Bewertung und Beurteilung erforderlich
„Jeder eingegangene Vorwurf wird von einem Ausschuss geprüft, der sich aus Fachleuten verschiedener Disziplinen zusammensetzt. Während der Untersuchung muss wirklich eine strenge Bewertung und Beurteilung erfolgen. Wir dürfen nicht ungerecht sein: Es kann sich auch herausstellen, dass die Anschuldigung gar nicht wahr ist, und dennoch kann die Karriere eines Menschen bereits zerstört sein“, erklärt Scardoelli.
Wenn eine Anschuldigung untersucht und vom Cremesp akzeptiert wurde, gibt es keine Frist, bis zu der das Verfahren abgeschlossen sein muss. Das kann bis zu 5 Jahre dauern und manchmal auch länger. Seit März gilt jedoch eine Frist für den Untersuchungszeitraum, nach dem das Verfahren eingeleitet werden muss.
Neue Untersuchungsfristen sollen Bearbeitung beschleunigen
„Wir haben jetzt 90 Tage Zeit, um eine Bewertung der Sachlage vorzunehmen. Diese Frist kann um 3 Monate verlängert werden, beginnend mit dem Datum, an dem die Beschuldigung dem Rat vorgelegt wird. Wird der Fall angenommen, kann das Verfahren eingeleitet werden“, erklärt Scardoelli gegenüber Medscape.
Manche Vorfälle werden von den Opfern nicht gemeldet und andere werden erst nach Jahren zur Anzeige gebracht. So war es auch bei der Schauspielerin Nina Marqueti, die im Mittelpunkt der Twitter-Kampagne „#OndeDói“ steht – zu deutsch „Wo es weh tut“. Sie wurde ins Leben gerufen, um das Bewusstsein für sexuelle Gewalt durch medizinisches Fachpersonal zu schärfen.
Große Resonanz im Internet
Im Alter von 16 Jahren war Marqueti von ihrem Kinderarzt sexuell missbraucht worden. Erst 2019, mehr als ein Jahrzehnt später, fühlte sie sich in der Lage, mit dieser Anschuldigung an die Öffentlichkeit zu gehen.
Schon nach kürzester Zeit gab es über 4000 Beiträge zu der Kampagne im Internet. Die meisten davon waren Schilderungen von Gewalttaten, die von Ärzten bei Terminen in ihrer Praxis oder während der Behandlung im Krankenhaus begangen wurden.
Gesellschaftliche Machtstellung wird ausgenutzt
Berichte über Ärzte, die (zumeist) Patientinnen misshandeln, haben eine enorme Wirkung auf die Öffentlichkeit. Die Menschen sind wirklich überrascht, die Worte „medizinisches Fachpersonal“ und „sexueller Übergriff“ im selben Satz zu hören.
„Einer der beunruhigendsten Aspekte bei dem Thema ist, dass medizinisches Fachpersonal diese Gewalttaten gegen Frauen verübt, die sich in einem verletzlichen oder wehrlosen Zustand befinden, also wenn sie in Narkose liegen, krank sind oder wenn das medizinische Fachpersonal ein Element der Täuschung in die Behandlung einführt, um die Gelegenheit zu schaffen, die Patientin in irgendeiner Weise zu missbrauchen“, so Gynäkologe Drezett.
Psychiater Cohen ist der Ansicht, dass Ärzte – ebenso wie Anwälte, religiöse Führer, Richter, Politiker, Polizisten und andere Vertrauenspersonen – ihre Machtstellung nutzen, um solche Akte sexueller Gewalt zu begehen. Er erklärt: „Ärzte, Anwälte, Polizisten, religiöse Führer, Väter, Chefs, Ehemänner – Menschen, die einen sexuellen Missbrauch begehen, haben alle etwas gemeinsam: Sie nutzen alle ihre gesellschaftliche Machtstellung und das Machtgefälle zwischen ihnen und dem Opfer aus.“
Das Alter ist ein wiederkehrendes Merkmal
Jeder, der an die Tür eines Arztes oder eines Anwalts klopfe und um Hilfe bitte, begebe sich in eine heikle Abhängigkeitssituation. „Der Täter betrachtet die andere Person als Objekt und nicht als menschliches Wesen, das Rechte hat“, so Cohen. Menschen, deren Verhalten und psychologisches Profil dem eines sexuellen Angreifers entsprechen, finden in diesen „mächtigen“ Berufen Bedingungen und Möglichkeiten vor, ihre Wünsche zu realisieren. In der Medizin tritt jedoch noch eine für dieses Thema bedeutende Besonderheit hinzu, nämlich das der Zustimmung zur körperlichen Berührung.
Das Alter des kürzlich verhafteten Anästhesisten ließ Cohen besonders aufhorchen. Das Alter sei ein wiederkehrendes Merkmal beim sexuellen Missbrauch durch Ärzte, wie eine Analyse von 150 Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs, die vom Cremesp bearbeitet wurden, gezeigt habe.
Ein Verrat an den Erwartungen der Gesellschaft
„Als ich mir die Fälle anschaute, stellte ich fest, dass die meisten Täter weder direkt nach dem Medizinstudium in ihren Zwanzigern waren, wenn die Sexualität meist noch eine größere Rolle im Leben spielt, noch vom anderen Ende des Altersspektrums stammten. Es handelte sich vielmehr um Personen, die bereits über eine mehrjährige Berufserfahrung verfügten, so wie dieser 32-jährige Anästhesist“, so Cohen. „Er verstieß zu einem bestimmten Zeitpunkt gegen alle Regeln und verriet die Erwartungen der Gesellschaft an ihn als Arzt, sich um das Wohlergehen der Menschen zu kümmern und ihr Leid zu lindern. Es gab nichts mehr, was ihn zurückhielt, nicht einmal die Anwesenheit von medizinischem und pflegerischem Fachpersonal im OP.“
Was Cohens Analyse ebenfalls ergab: Die meisten der 150 Fälle wurden aufgrund Mangels an Beweisen nie zur Anklage gebracht.
Es geht wieder einmal um die Vergewaltigungskultur
Für die Psychologin Pedroso, die mehr als 12.000 Opfer sexueller Belästigung behandelt hat, sind es die Befragung und das Gefühl der Einschüchterung durch den Arzt – eine Person, die über ihren Körper Bescheid weiß – was die Frauen vulnerabel für Übergriffe macht, speziell an abgelegenen Orten.
„Wir sprechen hier wieder einmal über die Vergewaltigungskultur. Viele Menschen können mit dem Begriff nichts anfangen. Im Allgemeinen meint er die Verdinglichung von Frauenkörpern und dass Jungen in dem Glauben aufwachsen, sie hätten das Recht, Mädchen und Frauen zu berühren, ohne dafür bestraft zu werden.“
Mangelhafte Sexualerziehung
Eine mangelhafte Sexualerziehung und unzureichende Bemühungen, sexuellen Missbrauch zu verhindern, tragen dazu bei, dass sich an der Situation nichts ändert. „Wir haben einen enormen Nachholbedarf. Wir leben in einem Land, in dem der Irrglaube herrscht, dass es bei der Sexualerziehung darum gehe, Kindern beizubringen, wie man Sex hat, und nicht, wie sie sich schützen können. Und wir bringen Mädchen bei, dass sie sich vor Vergewaltigungen schützen müssen, aber wir bringen Jungen nicht bei, nicht zu vergewaltigen“, sagt Pedroso.
Ein weiterer Punkt, den Pedroso hervorhebt, ist die Tatsache, dass Sexualstraftäter für ihre Taten abgelegene Orte aufsuchen, wo sie glauben, die Regeln umgehen zu können und nicht erwischt zu werden. Genau das könnte bei Bezerra der Fall gewesen sein.
Missachtung von Rechten wird als normal angesehen
Auf einer kürzlich abgehaltenen Pressekonferenz erklärte die Koordinatorin der Sektion Gesundheit der Staatsanwaltschaft von Rio de Janeiro, Thaísa Guerreiro, dass das Frauenkrankenhaus in São João do Meriti, wo der Anästhesist arbeitete, zwar Protokolle zum Schutz der Patientinnen habe, diese aber nicht durchsetze.
Sie stellte weiter fest, dass es vom medizinischen Fachpersonal in diesem Krankenhaus als normal angesehen wurde, wenn das Recht der Schwangeren auf Anwesenheit einer Begleitperson bei der Geburt missachtet wurde – obwohl dieses Recht durch ein Bundesgesetz garantiert wird.
Der Leiter der anästhesiologischen Abteilung des Krankenhauses und die staatliche Gesundheitskoordinierungsstelle hätten dies auch nicht infrage gestellt, so Guerreiro. Sie hätten daran nichts seltsam oder überraschend gefunden. Laut Zeugenaussagen hatte Bezerra die Ehemänner der Patientinnen aufgefordert, den Raum während des Eingriffs zu verlassen.
Geburtshilfliche Gewalt versus sexueller Missbrauch
Es sollte klargestellt werden, so Drezett, dass sich geburtshilfliche Gewalt und sexueller Missbrauch zwar teilweise überschneiden, aber nicht die gleiche Ursache oder Definition haben. „Es gibt zwei Arten von Situationen, die wir als ‚geburtshilfliche Gewalt‘ bezeichnen. Bei der einen handelt es sich um jede Art von respektlosen Kommentaren oder respektloser Behandlung während der Schwangerschaft, bei der Geburt oder in der Zeit nach der Geburt“, erklärte er. Die andere beziehe sich auf die Anwendung unangemessener und veralteter medizinischer Verfahren während der Geburt, wie z.B. das Fixieren der Frau, die Entfernung ihrer Schamhaare, die Einleitung der Wehen oder die Beschleunigung der Geburt durch Oxytocin und routinemäßige Dammschnitte.“
Problemmanagement unzureichend
Wie gehen aber jetzt die Gesundheitseinrichtungen mit diesem Problem um? „Völlig unzureichend. Sexuelle Gewalt durch Ärzte und Angehörige anderer Gesundheitsberufe ist ein Tabuthema, über das immer noch hauptsächlich geschwiegen wird“, so Cohen. „Bedauerlicherweise kommt aber sexuelle Gewalt viel zu oft vor. Früher haben wir vielleicht nicht so viel darüber gesprochen, weil wir der Meinung waren, dass Angehörige von Gesundheitsberufen wie Ärzte und Pflegekräfte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit keine derartigen Taten begehen würden“, so Drezett.
Drezett sprach auch über die Schulen und die Rolle, die diese bei derartigen Themen spielen können. „Natürlich sollten Schulen Gewalt gegen Frauen thematisieren, vor allem im Bereich des Gesundheitswesens. Dies ist auch schon seit Langem üblich, obwohl es nicht in jedem medizinischen Curriculum oder auf den Lehrplänen der Krankenpflegeschulen steht, auch nicht beim Psychologie- oder Sozialarbeitsstudium“, sagte Drezett.
Bewusstsein schon im Medizinstudium stärken
In den Bioethikkursen im 3. und 4. Jahr des Medizinstudiums an der Universität von São Paulo bittet Cohen die Studierenden etwa, einmal darüber nachzudenken, was es bedeute, in einer Position zu sein, in der man eine völlig fremde Person bitten kann, sich für eine körperliche Untersuchung zu entkleiden – und der Patient oder die Patientin kommt dem prompt und bereitwillig nach. „Hier geht es nicht um den Arzt, sondern um die Macht der Institution“, betont Drezett.
Sexuelle Gewalt ist auch auf dem Universitätscampus ein Problem. Eine weitere Front in diesem Kampf hat sich an verschiedenen Hochschulen gebildet, wo Studierendengruppen feministische Kollektive gegründet haben, um sexuelle Gewalt und andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt auf die Tagesordnung zu setzen.
Prävention muss schon im Kindesalter beginnen
Drezett hält allerdings Bemühungen, Studenten, die zu sexueller Gewalt neigen, im Rahmen des Studiums von einem solchen Verhalten abzuhalten, für wenig Erfolg versprechend. „Wir sollten eher über einen geschlechtsspezifischen Schulunterricht reden, bei dem Diskussionen zur geschlechtsspezifischen Gewalt viel, viel früher ansetzen – Eltern, die mit ihren Kindern sprechen, Lehrer, die mit ihren Schülern sprechen.“
Er glaubt auch nicht, dass sich die Täter davon abschrecken lassen, dass solche Anschuldigungen in den Medien veröffentlicht werden. „Wenn das der Fall wäre, hätte der Fall Roger Abdelmassih das Problem schon beseitigt.“
Auf Missstände und Warnsignale aufmerksam machen
Andererseits kann die Veröffentlichung solcher Geschichten auch dazu beitragen, dass institutionelle Missstände ans Licht gebracht werden und das Pflegepersonal auf mögliche Warnsignale aufmerksam gemacht wird. Der Fall Bezerra habe deutlich gemacht, dass Gesetze nicht befolgt und Rechte nicht geschützt worden seien. So sei ein Umfeld entstanden, in dem ein solches Sexualverbrechen begangen werden konnte, sagte Drezett.
Das Pflegepersonal hatte den Verdacht auf geburtshilfliche Gewalt unter anderem dadurch, dass der übermäßige Einsatz von Sedativa die Mutter in den ersten Stunden nach der Geburt am Haut-zu-Haut-Kontakt mit dem Neugeborenen und dem Stillen hinderte – beides klinische Praktiken, die weltweit empfohlen werden.
„Angehörige der Gesundheitsberufe, die sich im Umgang mit anderen Menschen und während der täglichen Arbeit stets korrekt verhalten, meiden Situationen wie die im Fall Bezerra beschriebene. Da wird Rücksicht immer groß geschrieben“, so Drezett.
Berichterstattung kann aber auch Misstrauen fördern
Ein negativer Aspekt seien aber ein sich möglicherweise ausbreitendes Misstrauen und eine vorsichtige Haltung der Patientinnen infolge solcher Ereignisse. „Unter meinen Kollegen befinden sich Anästhesisten mit einer tadellosen ethischen und professionellen Bilanz. Sie sind sehr verärgert darüber, dass man ihnen nun mit Misstrauen und Unsicherheit begegnet. Wir müssen klarstellen, dass diese schrecklichen Fälle die Ausnahme sind, nicht die Regel“, sagte er. Außerdem müsse das Missverständnis ausgeräumt werden, dass ein solcher Missbrauch immer in irgendeiner Weise mit der Geburtshilfe und der Gynäkologie zusammenhänge.
Es kann in allen Fachrichtungen passieren
„Solche Vorfälle können in jeder Arztpraxis vorkommen. Es kommt ganz darauf, ob der Arzt eine kriminelle Handlung plant“, so Drezett. Er wies darauf hin, dass es unter den Angehörigen der Gesundheitsberufe nur wenige Sexualstraftäter gebe, wenngleich die Zahl der Fälle hoch sei. Dies schmälere jedoch keineswegs die Schwere der Vorfälle. „Natürlich sprechen wir auch hier von Ausnahmen, aber in der Opferbetreuung habe ich zum Beispiel mehr Fälle gesehen, in denen ein Polizist und nicht ein Arzt eine Frau sexuell missbraucht hat“, erklärt er.
Die Pflegenden im Krankenhaus von São João do Meriti, die den Täter angezeigt haben, haben sehr mutig und konsequent gehandelt. Hätten sie keine Beweise gesammelt, um ihre Anschuldigungen zu untermauern, wäre der Arzt möglicherweise nicht auf frischer Tat ertappt worden und der Fall hätte einen anderen Verlauf genommen. Womöglich wäre Druck auf die Pflegenden ausgeübt worden und sie wären zum Ziel von Vergeltungsmaßnahmen geworden. In Anbetracht dieser Möglichkeiten hat die Gruppe die höchsten Ideale des Berufsstandes unter Beweis gestellt. Ihre Unerschrockenheit ist inspirierend.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Diesen Artikel so zitieren: Spektakuläres Verbrechen im OP: Anästhesist in Brasilien missbraucht Schwangere beim Kaiserschnitt – wie konnte es dazu kommen? - Medscape - 31. Aug 2022.
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