Übersehene Volkskrankheit: 25,4% aller Deutschen leiden an einer nichtalkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD)

Dr. Nicola Siegmund-Schultze

Interessenkonflikte

1. September 2022

Die Prävalenz der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung ist weltweit deutlich höher als bislang vermutet. Sie liegt für den Zeitraum nach 2016 bei 37,8 %. Spitzenreiter unter 17 analysierten Ländern sind die USA mit einer Prävalenz von knapp 48 %, Europa liegt bei fast 33% (32,6%). Vermutlich aber sind diese Prävalenzen bereits überholt, denn die Daten wurden ab 1994 erhoben. Im Längsschnittverlauf zeigt sich: Der Trend geht rasant bergauf. 

Häufigste Ursache für eine erhöhte Morbidität und Mortalität mit Leberbeteiligung 

Zum Hintergrund: Die nichtalkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) ist eine Steatose der Leber mit einem Fettanteil von mehr als 10% des Lebergewichts oder einer Makrosteatose der Hepatozyten gleichen Ausmaßes, die nicht maßgeblich durch erhöhten Alkoholkonsum verursacht wird. Mischformen zwischen NAFLD und einer alkoholischen Fettlebererkrankung sind möglich. 

Die NAFLD ist mit einer erhöhten Mortalität in der Allgemeinbevölkerung verbunden: durch kardiovaskuläre Erkrankungen, Tumorerkrankungen und die Lebererkrankung an sich. NAFLD und Typ-2-Diabetes sind in Bezug auf Inzidenz und Prognose wechselseitig miteinander assoziiert. 

In einem systematischen Review mit Metaanalyse sollten Prävalenzen und Inzidenzen geschätzt und die zeitliche Entwicklung der Erkrankung beschrieben werden.

Design der Studie

Einschlusskriterien waren populationsbezogene Längsschnittstudien mit repräsentativem Charakter für die jeweilige Gesamtbevölkerung oder Längsschnittuntersuchungen auf der Datenbasis von Vorsorgeuntersuchungen. Sie mussten NAFLD-Diagnosen mit Befunden aus der Bildgebung, mindestens einen Ultraschall, enthalten. 

Gleichzeitig war der Ausschluss anderer Ursachen wie exzessiver Alkoholkonsum oder chronische Hepatitisvirusinfektion wichtig. Zur Analyse benötigten die Forscher auch Daten zur Gesamtzahl der Studienteilnehmer und zum Anteil mit NAFLD, einschließlich der Informationen zu Alter, Geschlecht und Körpergewicht. 

Im Zeitraum von 1994 und 2019 fanden die Autoren für ihre Prävalenzanalyse 72 Studien aus 17 Ländern und 16 Studien für die Abschätzung der Inzidenzen.

Daten von mehr als 1 Million Patienten ausgewertet

Die Gesamtpopulation der 72 Pävalenzstudien umfasste 1.030.160 Teilnehmer, die 16 Studien zur Inzidenz 381.765 Personen. Für den gesamten Beobachtungszeitraum (1994-2019) betrug die Prävalenz der NAFLD 32,4%, das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag bei lediglich 47,4 Jahren.

Die Prävalenzen weltweit waren im Beobachtungszeitraum deutlich angestiegen: von 25,5% bis zum Jahr 2005 auf 37,8 % ab dem Jahr 2016. Dabei waren die Prävalenzen der NAFLD bei Männern – wie in früheren Studien – deutlich höher als bei Frauen (39,7% vs. 25,6%).

Die Inzidenzen der NAFLD wurden auf 46,9 Fälle pro 1.000 Personenjahre geschätzt: 70,8 Fälle pro 1000 Personenjahre bei Männern und 29,6 Fälle pro 1000 Personenjahre bei den Frauen.

Für Europa lagen Daten aus 5 Ländern vor: Italien, Portugal, Spanien, Türkei und Deutschland. Die durchschnittliche Pävalenz in diesen 5 Ländern betrug 32,6%, wobei die Türkei mit einer Prävalenz von 48,4% den höchsten Prozentsatz hatte, gefolgt von Italien mit 38,2%. Für Deutschland wird die Prävalenz mit 25,4% angegeben. Frühere Studien waren bei der Schätzung der NAFLD-Prävalenz in Europa auf einen Wert von 23,7% gekommen.

In Asien lag die Prävalenz bei 32,6%.

Alarmierender Anstieg

Der Anstieg der NAFLD weltweit sei „alarmierend“, resümieren die Autoren; er sei höher, als dies durch bisherige Daten belegt worden sei. 

Unterschiede zwischen Männern und Frauen hätten sich bestätigt, sowohl in den Prävalenz- als auch den Inzidenzuntersuchungen. Auch hier aber sei die zeitliche Dynamik größer als vermutet: Vor dem Jahr 2005 betrug die Prävalenz bei den Männern 30,7%, bei den Erfassungen im Jahr 2016 aber bereits 44,5%. Bei Frauen ist in dieser Zeit die Prävalenz von 17,0% vor 2005 auf 31,8% im Jahr 2016 angestiegen.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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