Eine pulmonale Hypertonie diagnostizieren und therapieren – was sich bei den Leitlinien geändert hat

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

30. August 2022

Die European Society of Cardiology (ESC) und die European Respiratory Society (ERS)  haben ihre Leitlinie zur pulmonalen Hypertonie aktualisiert. Besonderes Gewicht legen die Autoren unter anderem auf eine frühe Diagnose der Erkrankung und eine rechtzeitige Behandlung. Die neuen Empfehlungen sind auf dem aktuellen Kongress der ESC in Barcelona vorgestellt worden und zeitgleich im  European Heart Journal  sowie im European Respiratory Journal erschienen.

Pulmonale Hypertonie oft recht spät erkannt

„Die Diagnose der pulmonalen Hypertonie und damit die Einleitung einer angemessenen Behandlung werden erheblich verzögert“, sagte der Vorsitzende der ESC-Leitliniengruppe Prof. Dr. Stephan Rosenkranz von der Universitätsklinik Köln. „Bei jungen Patienten, häufig Frauen, sind die Verzögerungen oft darauf zurückzuführen, dass eine schwere Krankheit bei einem ansonsten gesund aussehenden jungen Menschen nicht erkannt wird. Bei älteren Patienten werden oft Begleiterkrankungen (wie Bluthochdruck, Adipositas oder kardiopulmonale Erkrankungen) für die Symptome verantwortlich gemacht; die pulmonale Hypertonie wird dann übersehen.“ 

Rosenkranz und seine Kollegen empfehlen daher, dass Patienten mit Atemnot, bei denen Hausarzt, Kardiologe oder Pneumologe keine eindeutige Ursache feststellen können, an ein spezialisiertes Zentrum für pulmonale Hypertonie überwiesen werden sollten.

Rechtzeitige Therapie prognostisch relevant

Die pulmonale Hypertonie betrifft etwa 1% der Weltbevölkerung und bis zu 10% der über 65-Jährigen. Lungenhochdruck ist eine schwere Erkrankung, welche die Lebenserwartung erheblich verringert, wenn sie nicht erfolgreich behandelt wird. Neuere Studien haben gezeigt, dass selbst ein mäßig erhöhter pulmonalarterieller Druck oder pulmonaler Gefäßwiderstand mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden ist. Aus diesem Grund mussten die hämodynamischen Definitionen aktualisiert werden.

Spezifische Symptome der pulmonalen Hypertonie gibt es nicht, aber Patienten leiden meist an zunehmender Kurzatmigkeit bei Anstrengung und an eingeschränkter Bewegungsfähigkeit. Viele Patienten klagen auch über chronische Müdigkeit. Als Folge der eingeschränkten Rechtsherzfunktion kann es zu Flüssigkeitsansammlungen kommen. Weitere Symptome sind Brustschmerzen und Schwindel, insbesondere bei fortgeschrittener Rechtsherzinsuffizienz.

Wie die Vorsitzende der ERS-Leitlinien-Taskforce, Prof. Dr. Marion Delcroix von den Universitätskliniken in Leuven (Belgien), ebenfalls betonte, „hat die Diagnose der Erkrankung enorme psychologische, emotionale und soziale Auswirkungen auf die Patienten und ihre Familien“. Da die Patienten oft Depressionen und Angstzustände entwickelten, sollten sie auch eine psychosoziale Unterstützung erhalten.

Die pulmonale Hypertonie wird nach ihrer Ursache in 5 Hauptgruppen eingeteilt: 

  • Pulmonale arterielle Hypertonie (PAH), eine eigenständige pulmonale Gefäßerkrankung

  • Pulmonale Hypertonie in Zusammenhang mit einer Linksherzerkrankung

  • Pulmonale Hypertonie in Zusammenhang mit einer chronischen Lungenerkrankung

  • Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) aufgrund wiederkehrender pulmonale Thromboembolien

  • Pulmonale Hypertonie mit unklaren und/oder multifaktoriellen Ursachen.

Fokus auf PAH und CTEPH

Die Leitlinien decken das gesamte Spektrum ab, wobei der Schwerpunkt auf der Diagnose und Behandlung von PAH und CTEPH liegt. 

Bei der PAH sind eine frühzeitige Diagnose und die Einleitung einer Behandlung auch von entscheidender Bedeutung, weil sich die therapeutischen Möglichkeiten in den letzten 15 Jahren verbessert haben. Wichtig außer der frühen Diagnose und Therapie ist die Impfung gegen COVID-19, gegen Influenza und gegen Pneumokokken. Bei Frauen mit PAH kann eine Schwangerschaft mit einem erheblichen Risiko für mütterliche Komplikationen oder sogar für den Tod der Mutter verbunden sein, insbesondere wenn die PAH mit einer medikamentösen Therapie nicht gut kontrolliert ist. Daher wird empfohlen, dass erkrankte Frauen im gebärfähigen Alter zum Zeitpunkt der PAH-Diagnose über die Risiken und Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft aufgeklärt werden.

Die CTEPH ist ebenfalls eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung, bei der allerdings inzwischen auch eine Therapie möglich ist. Mit etwa 5 neuen Fällen pro Million Einwohner pro Jahr zählt die CTEPH zu den seltenen Erkrankungen, so dass die Gefahr groß ist, sie nicht rechtzeitig zu erkennen. Erschwert wird die Diagnose darüber hinaus dadurch, dass die klinischen Symptome in frühen Stadien unspezifisch sind oder fehlten. Selbst in spezialisierten Kliniken oder Abteilungen vergingen im Median mehr als 1 Jahr zwischen dem Auftreten der Symptome und der Diagnose, berichtete vor wenigen Monaten ein Team um Luca Valerio von der Universitätsklinik in Mainz im „European Heart Journal“. Es ist daher dringend erforderlich, die Früherkennung der CTEPH zu verbessern.

Für die Behandlung der CTEPH gibt es 3 Optionen, die allein oder in Kombination eingesetzt werden können, und zwar die pulmonale Endarteriektomie, die pulmonale Ballonangioplastie und eine Pharmakotherapie.

Individuelle Behandlungsstrategien bei Patienten mit Lungenhochdruck sollten in Zentren mit hohem Patienten-Aufkommen mit multidisziplinären Teams besprochen werden. Der multidisziplinäre Beitrag ist von zentraler Bedeutung, da eine Vielzahl von unterschiedlichen Erkrankungen eine pulmonale Hypertonie verursachen können, wobei Linksherzerkrankungen und chronische Lungenerkrankungen die häufigsten Ursachen sind. Darüber hinaus können auch andere Erkrankungen wie Bindegewebserkrankungen, Lebererkrankungen, Infektionen mit HIV und angeborene Herzerkrankungen zu einer PAH führen.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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