Training für Geist UND Körper verbessert bei älteren Menschen mit MCI die kognitive Leistungsfähigkeit – und Vitamin D dazu?

Jim Kling

Interessenkonflikte

29. August 2022

Bei älteren Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (engl.: mild cognitive impairment, MCI) führt eine Kombination aus Vitamin D, Bewegung und kognitivem Training offenbar zu  stärkeren Verbesserungen als Bewegung allein. Dieses Ergebnis stammt aus einer Studie mit ungewöhnlichem Design: Die Patienten wurden in 5 Gruppen aufgeteilt, von denen eine beide Interventionen erhielt.

Nach Beendigung der Studie seien die verschiedenen Gruppen in einer einzigen Analyse zusammengefasst worden, um die Interventionen zu vergleichen, berichtete der Geriater Dr. Manuel Montero-Odasso vom Parkwood Institute im kanadischen London, der die Arbeit auf der Alzheimer's Association International Conference 2022 (AAIC) vorstellte.

Kombination kann den Effekt verschlechtern

In 2 vorherigen Studien war bereits untersucht worden, ob eine Kombination aus Bewegung und kognitivem Training besser ist als eine der beiden Maßnahmen allein. In beiden Fällen verbesserte die Kombination zwar die kognitiven Fähigkeiten, aber nicht so stark wie eine der beiden Interventionen für sich genommen.

 
Es hatte den Anschein, als funktioniere es weniger gut, wenn man die beiden Ansätze kombiniert. Dr. Manuel Montero-Odasso
 

„Es hatte den Anschein, als funktioniere es weniger gut, wenn man die beiden Ansätze kombiniert“, sagte Montero-Odasso. Die Ergebnisse lösten Zweifel aus, ob es nun einen Synergieeffekt zwischen den beiden Ansätzen gibt oder nicht.

Nacheinander statt gleichzeitig

Eine mögliche Erklärung ist, dass sich Patienten, die gleichzeitig ein kognitives Training und körperliche Übungen absolvieren, nicht ausreichend auf eine der beiden Aufgaben konzentrieren können, und so nicht den maximalen Nutzen daraus ziehen.

 
Die praktische Botschaft ist, dass man [zu einem Zeitpunkt] ein Programm befolgen sollte. Dr. Manuel Montero-Odasso
 

„Wenn wir beides zur gleichen Zeit machen, können sich die Teilnehmenden nicht fokussieren und erzielen in beiden Bereichen nicht den vollen möglichen Fortschritt. Daher haben wir die neue Studie so angelegt, dass die Maßnahmen nacheinander durchgeführt wurden. Zunächst erhielten die Teilnehmenden ein sehr hochwertiges (kognitives) Training und später dann die Bewegungsintervention“, sagte Montero-Odasso.

Man sollte sich auf ein Programm fokussieren

In der Studie führten die Patienten, die beide Interventionen erhielten, zunächst das kognitive Training durch und dann 30 Minuten später körperliche Übungen. „Die praktische Botschaft ist, dass man [zu einem Zeitpunkt] ein Programm befolgen sollte. Wenn ich bei meinen Patienten beobachte, dass sie 2 Dinge gleichzeitig tun, schenken sie keinem der beiden genügend Aufmerksamkeit“, sagte Montero-Odasso.

Kleine Studien haben gezeigt, dass eine Vitamin-D-Supplementierung zu einer größeren Muskelmasse durch das körperliche Training führen könnte. Deshalb ergänzten die Forschenden das Programm um die Einnahme von Vitamin D.

176 Patienten, 5 Gruppen, 20 Wochen

An der Studie nahmen 176 Patienten zwischen 60 und 85 Jahren mit MCI teil. Die Teilnahme an einem aktiven Trainingsprogramm mit einem professionellen Trainer sowie die tägliche Einnahme von mehr als 1.000 IE Vitamin D waren Ausschlusskriterien für die Studie.

Über 20 Wochen wurden somit 5 randomisierte Gruppen verfolgt:

  • Bewegung und kognitives Training plus Vitamin D (10.000 IE 3-mal wöchentlich)

  • Bewegung und kognitives Training plus Placebo

  • Bewegung mit kognitiver Kontrolle plus Vitamin D

  • Bewegung mit kognitiver Kontrolle plus Placebo

  • Bewegungskontrolle (Balance und Tonisierung) mit kognitiver Kontrolle plus Placebo.

Die Interventionen wurden 3-mal wöchentlich durchgeführt. Für das kognitive Training wurde ein Tablet-Computer mit multifunktionalen Aufgaben und Gedächtniskomponenten verwendet. Das Training war adaptiv, d.h. es wurde schwieriger, wenn sich die Patienten verbesserten, oder die Aufgabe wurde vereinfacht, wenn eine Person damit Schwierigkeiten hatte. Die Bewegungskomponente umfasste 40 Minuten progressives, überwachtes Krafttraining, gefolgt von 20 Minuten Ausdauertraining.

Doppelte Intervention verbessert kognitive Leistungsfähigkeit

Im Vergleich zur Doppel-Placebo-Gruppe zeigte die Doppel-Interventionsgruppe eine signifikante Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit. „Bewegung allein ohne kognitives Training zeigt einen Effekt, aber dieser Effekt war geringer als bei einer Kombination mit kognitivem Training“, sagte Montero-Odasso.

Die kombinierten Gruppen hatten eine moderate Wirkung auf die Kognition, wenn sie mit Vitamin D (Effektstärke: 0,65; p = 0,003) und mit Vitamin-D-Placebo (Effektstärke: 0,58; p = 0,013) kombiniert wurden. In der Gruppe mit Bewegung und Vitamin D (Effektstärke: 0,30; p = 0,241) und in der Gruppe mit Bewegung plus Placebo (Effektstärke: 0,42; p = 0,139) gab es keine signifikanten Verbesserungen.

Vitamin-D-Supplementierung hatte keinen Effekt

Nach dem Zusammenlegen der Studienarme ermittelten die Forschenden für körperliches Training plus kognitives Training eine Effektgröße von 0,62 (p = 0,002), während körperliches Training allein nur eine Verbesserungstendenz mit geringer Effektstärke zeigte (0,36; p = 0,13). Eine Vitamin-D-Supplementierung hatte keinen messbaren Effekt.

Montero-Odasso wies allerdings darauf hin, dass die meisten Teilnehmer schon vor Beginn der Studie Vitamin-D-Präparate eingenommen und normale bis hohe Vitamin-D-Serumspiegel aufgewiesen hätten.

Vielversprechende Ergebnisse

Die Interpretation der Studie wird dadurch erschwert, dass aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht alle Teilnehmenden zu halten waren: Die Abbrecherquote lag bei 17%.

 
Sicherlich ist es erforderlich, eine noch größere und vielschichtigere Population zu untersuchen. Dr. Heather Snyder
 

„Ich finde die Idee einer kombinierten Risikominderungsstrategie bei Personen mit MCI wirklich interessant und es sind auch vielversprechende Ergebnisse. Sicherlich ist es erforderlich, eine noch größere und vielschichtigere Population zu untersuchen“, kommentierte Dr. Heather Snyder, Vizepräsidentin für medizinische und wissenschaftliche Beziehungen bei der Alzheimer's Association, auf Anfrage hin.

Kombinationsintervention bei verschiedenen Grunderkrankungen untersuchen

Sie wies zudem darauf hin, dass in der Studie alle Formen einer kognitiven Beeinträchtigung berücksichtigt wurden. Es wäre interessant zu sehen, so Snyder, wie sich eine Kombinationsintervention bei unterschiedlichen Grunderkrankungen auswirke.

Die Forschenden befinden sich aktuell in der Planungsphase für die Synergic-2-Studie, die Bewegung und kognitives Training sowie Ernährungs- und Schlafberatung umfasst. Die Studie wird virtuell durchgeführt und umfasst eine direkte Interaktion zwischen Patienten und Übungsleitern.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
 

Kommentar

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